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Vielseitig einsetzbar

Biobasierte Kunststoffe für Lebensmittelverpackungen
Vielseitig einsetzbar

Bisher ist der Anteil an biobasierten Kunststoffen am Gesamtmarkt der Lebensmittelverpackungen noch sehr gering. Doch nach Einschätzung von Prof. Markus Schmid, Leiter des Sustainable-Packaging-Instituts (SPI) an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, wird er in den nächsten Jahren steigen. Im Gespräch mit der dei erläutert der Wissenschaftler, welche Möglichkeiten diese Materialien Lebensmittelproduzenten bieten.

Herr Prof. Schmid, aus welchen Rohstoffen werden biobasierte Kunststoffe vorwiegend gewonnen?

Prof. Markus Schmid: Die wichtigsten Agrarrohstoffe für biobasierte Kunststoffe sind Mais und Zucker.

Wie nachhaltig sind biobasierte Kunststoffe?

Prof. Schmid: Primäre Lebensmittelverpackungen aus biobasierten Kunststoffen schneiden in aktuellen Ökobilanzen in den Kategorien Klimawandel und nicht-regenerativer kumulierter Energieaufwand besser ab als fossile Kunststoffe. In anderen Kategorien wie Versauerung und Eutrophierung schneiden sie aber schlechter ab. Am SPI versuchen wir, die Ökobilanzen von biobasierten Kunststoffen zu verbessern, z. B. durch die Nutzung von pflanzlichen Reststoffen.

Können Sie ein Beispiel für solche Reststoffe nennen?

Prof. Schmid: Aktuell geforscht wird unter anderem am Einsatz von Jatropha-Protein als Sauerstoffbarriere. Die Jatropha-Pflanze wird für die Biodieselherstellung eingesetzt und dabei fallen Presskuchen an. Die darin enthaltenen Proteine könnte man in Zukunft verwenden, um Papier, Pappe, Karton oder Folien zu beschichten. Aktuell gibt es noch einige Probleme, an denen man arbeiten muss – zum Beispiel an der Verarbeitbarkeit, der Farbe und der Zulassung.

Gelten für biobasierte Kunststoffe im Lebensmittelkontakt die gleichen Richtlinien wie für herkömmliche Kunststoffe?

Prof. Schmid: Die EU-Richtlinie 10/2011 für Kunststoff gilt natürlich auch für Bio-Kunststoffe. Die Regelungen der EFSA für Neuzulassungen von Kunststoffen sind in den letzten Jahrzehnten verschärft worden. Das heißt, dass man für neue biobasierte Kunststoffe sogar strengere Zulassungsbedingungen erfüllen muss als für fossilbasierte, die schon länger auf dem Markt sind.

Eignen sich biobasierte Kunststoffe genauso gut für die Verpackung von Lebensmitteln wie herkömmliche Kunststoffe?

Prof. Schmid: Viele biobasierte Kunststoffe sind grundsätzlich für zahlreiche Lebensmittelverpackungsanwendungen geeignet und können sowohl die meisten Gasbarriereeigenschaften als auch die meisten mechanischen Eigenschaften der fossilbasierten Kunststoffe abdecken. Generell weisen die chemisch neuartigen biobasierten Kunststoffe wie Polymilchsäure oder Polyhydroxyalkanoate im Vergleich zu Polyolefinen eine höhere Durchlässigkeit gegenüber Wasserdampf auf, was bei bestimmten Anwendungen wie der Verpackung von Obst und Gemüse auch eine Stärke darstellen kann. Biobasierte Drop-in-Kunststoffe wie Bio-PE sind dagegen chemisch identisch mit fossilbasierten Kunststoffen und können deshalb die gleichen Anwendungen abdecken.

Für welche Lebensmittelverpackungsanwendungen werden biobasierte Kunststoffe schon eingesetzt?

Prof. Schmid: Bei Getränkeflaschen aus PET besteht enormes Substitutionspotenzial durch den Drop-in-Kunststoff biobasiertes PET, auch bekannt unter Bio-PET 30, wobei die Zahl 30 für den Bio-Anteil steht. Dieser Kunststoff kann wunderbar verwendet werden, da er chemisch identisch mit herkömmlichem PET ist. Einer der weltweit größten Limonadenhersteller hat zum Beispiel Vio-Wasser und Lift-Apfelschorle in Plantbottle-Flaschen auf den Markt gebracht.

Sie meinen Coca Cola?

Prof. Schmid: Genau, ich meine Coca Cola. Bei flexiblen Verpackungen wiederum spielen, mit Ausnahme von Bio-PE, biobasierte Kunststoffe kaum eine Rolle. Bekannt ist der Einsatz von Bio-PE für Tiefkühlverpackungen, zum Beispiel der Marke McCain. Dafür wird 50 % Bio-PE eingesetzt. Auch bei Süßigkeiten habe ich Bio-PE schon gesehen. Und man kennt natürlich den Activia-Joghurtbecher, der auf der Basis von Polymilchsäure hergestellt wird.

Wie hoch ist der Anteil an Bio-Kunststoffen an der gesamten Kunststoffmenge im Bereich Lebensmittelverpackungen?

Prof. Schmid: Das Problem ist, quantifizierte Daten zu bekommen, die vergleichbar sind. Im Rahmen einer Studie wurde im Auftrag der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe eine Recherche durchgeführt. Auf das Jahr 2016 bezogen wurde der bundesweite Markt für Lebensmittelverpackungen aus biobasierten Kunststoffen auf 7 600 t pro Jahr geschätzt, und wenn man das ins Verhältnis zum Gesamtmarkt setzt, sind das ca. 0,25 %.

Das ist sehr wenig. Welche Faktoren behindern denn den Einsatz von biobasierten Kunststoffen im Lebensmittelbereich?

Prof. Schmid: Ein grundsätzliches Hindernis sind die fehlenden spezifischen Verarbeitungsinformationen. Auch bei den Schlüsselfaktoren Ökologie und Nachhaltigkeit muss man, wie eingangs schon erwähnt, noch an einigen Kategorien arbeiten. Außerdem entsteht durch den Einsatz von Rohstoffen wie Mais und Zucker ungewollt eine Konkurrenz zum Nahrungsmittel, was viele Verbraucher kritisch sehen. An diesem Thema müssen wir arbeiten. Weitere Faktoren sind die Anwendungstauglichkeit und die Kosten. Auch Recycling-Aspekte müssen betrachtet werden. Die theoretische Möglichkeit, beispielsweise Polymilchsäure zu sortieren gibt es ja. Aber es wird bisher nicht gemacht. Denn es muss sich erst ein entsprechend großer Stoffstrom im Kreislauf befinden, damit sich die Sortiersysteme und die Verwerter überhaupt ernsthaft mit dem Recycling auseinandersetzen.

Welche Bedeutung werden Ihrer Meinung nach biobasierte Kunststoffe für Lebensmittelverpackungen in fünf Jahren haben?

Prof. Schmid: Kunststoffe werden auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung der Primärfunktion von Verpackungen leisten, wobei der Anteil an Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen steigen wird. Schon allein deshalb, weil die Akzeptanz für die Tatsache, dass wir nicht dauerhaft auf endliche Ressourcen setzen können, bei allen Akteuren entlang der gesamten Wertschöpfungskette wachsen wird.


„Viele biobasierte Kunststoffe können die meisten Gasbarriereeigenschaften und die meisten mechanischen Eigenschaften der fossilbasierten Kunststoffe abdecken.“


Das Interview führte für Sie: claudia Bär

Redakteurin

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