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Hygienic Processing

Umsetzung von produktspezifischen Hygieneanforderungen
Hygienic Processing

Unter dem Begriff Hygienic Processing werden alle Prozesselemente zusammengefasst, die für eine hygienische Produktion maßgebend sind. Dazu zählen beispielsweise Reinigungs- und Sterilisationsverfahren oder der Reinigungsnachweis. Innovationsmotoren im Bereich des Hygienic Processing sind die wachsende Produktvielfalt, die Forderung nach Energieeffizienz, das stetig steigende Sicherheitsbedürfnis der Verbraucher und die immer restriktiver werdenden gesetzlichen Vorgaben.

Marc Mauermann*, Martin Schöler**, Jens-Peter Majschak*

Die primäre Aufgabe von Verarbeitungsmaschinen bei der Produktion von Lebensmitteln und pharmazeutischen Gütern ist die Herstellung von qualitativ hochwertigen und hygienisch einwandfreien Produkten. Das heißt: Die Gestaltung von Maschinen und Anlagen steht damit untrennbar in einem Zusammenhang mit deren sicherer Reinigung und Sterilisation und wird gemeinhin mit dem Begriff Hygienic Design umschrieben. Im engeren Sinne wird darunter die reinigungsgerechte Gestaltung von Bauteilen und Maschinen verstanden. Beim Hygienic Design werden Konstruktionsprinzipien und konstruktive Umsetzungen vermieden, die Schmutzansammlung begünstigen und die Reinigbarkeit erschweren. Im weiteren Sinne umfasst Hygienic Design auch Systeme und konstruktive Maßnahmen zum Schutz von Produkt bzw. Bediener (Containmentsysteme). Hygienic Processing schließt darüber hinaus weitere Prozesselemente ein, die für eine hygienische Produktion maßgebend sind. Dazu zählen zum Beispiel die Reinigungs- und Sterilisationsverfahren sowie der Reinigungsnachweis. Aufgrund der Priorität des Verbraucherschutzes erstreckt sich die Forderung nach produktspezifischen Hygienestandards über den gesamten Bereich der Lebensmittelproduktion. Gerade durch das Auftreten von teils sehr unterschiedlichen produktspezifischen Hygieneanforderungen sind aktuell verschiedene Entwicklungen zu beobachten.
Durch die Weiterentwicklung von Technologien zur Funktionalisierung von Lebensmittelinhaltsstoffen, wie zum Beispiel die Mikroverkapselung von partikulären oder partikulierten fluiden Stoffen, werden in zunehmendem Maße ernährungsphysiologisch hochwertige oder anderweitig in ihren Eigenschaften veränderte Lebensmittel angeboten. Die Verarbeitung von bioaktiven Kernmaterialien, die im nativen, ungeschützten Zustand hochgradig instabil gegenüber Prozess- und Umweltbedingungen sind, stellt neue und strengere Anforderungen an die hygienischen Verarbeitungsbedingungen. Gleichgültig ob die Ursachen dafür die strengeren Grenzen zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen mit bioaktiven Wirk- und Nährstoffen, Duft- und Aromastoffen sowie Allergenen oder die aseptische Herstellung verschiedener Produktgruppen sind. Erst durch geeignete Reinigung, Desinfektion sowie die effiziente Abschirmung unterschiedlicher Hygienebereiche (Containment) kann die Produktsicherheit erhöht oder eine Verarbeitung ermöglicht werden.
Ein ebenfalls stark diskutiertes Themenfeld ist die Energieeffizienz. Letztere spielt in Zeiten des Klimawandels und der steigenden Energiepreise eine immer größere Rolle. Aus Sicht der Lebensmittelproduzenten ergibt sich durch eine optimierte Prozessführung und eine angepasste Anlagengestaltung die Möglichkeit, den Energieverbrauch und die Produktionskosten zu senken. Vor dem Hintergrund sinkender Auftragsgrößen rücken die Reinigungskosten immer mehr in den Fokus. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die hygienegerechte Gestaltung in immer stärkerem Maße auch in Teile der Verpackungstechnik eindringt, die bisher außerhalb dieser Entwicklung zu stehen schienen, wie Maschinen zum Verpacken an sich unsensibler Produkte oder Sammelverpackungsmaschinen. Dabei kommen durchaus unterschiedliche Motivationen zum Tragen. Sie reichen von der lokalen Erhöhung der Reinigungseffizienz über einheitliche Reinigungsregimes, die man für die gesamte Anlage anwenden möchte, bis hin zur psychologischen Wirkung auf die Kunden und die eigene Belegschaft. Beleg dafür ist die Ausbreitung von Cleaning-In-Place-Lösungen und Washing-in-Place-Lösungen auch über deren traditionelle Bereiche im Flüssigsektor hinaus, beispielsweise in Richtung Verpackungsmaschinen für Fleisch.
Reinigungsaufwand optimieren
Der quantifizierbare Beitrag zur Sicherstellung von produktspezifischen Hygienestandards aus dem Bereich Hygienic Processing liegt also unter anderem in der Entwicklung und Optimierung von Technologien zur Verringerung des Reinigungsaufwands, zur sicheren Bestimmung des Maschinenhygienezustands und damit zur Reduzierung des erforderlichen Energieeintrags.
Die Einflussfaktoren auf den Prozess der Reinigung können nach dem Sinnerschen Kreis als ein von sechs Einflussgrößen abhängiges System beschrieben werden. Das exakte Zusammenspiel von Art und Zustand des Schmutzes, der Beschaffenheit der Anlage sowie der Zeit, Chemie, Mechanik und Temperatur als Zustandsgrößen der Reinigungslösung während des Reinigungsprozesses ist weiterhin Gegenstand der Forschung. Möglichkeiten zur Verringerung der Reinigungszeit ergeben sich unter anderem durch die Steigerung der auf die Ablagerungen wirkenden mechanischen Strömungseffekte. So werden im Projekt „Reinigung mittels pulsierender Strömungen“ durch die TU Dresden, Institut für Verarbeitungsmaschinen und Mobile Arbeitsmaschinen und die TU Braunschweig, Institut für chemische und thermische Verfahrenstechnik, Möglichkeiten untersucht, eine Steigerung des Energieeintrags durch die Nutzung pulsierender Strömungen zu erreichen. Dabei wird eine stationäre Grundströmung mit einer oszillierenden Fluidbewegung überlagert. Charakteristisch für die pulsierende Strömung ist ein Anstieg der Geschwindigkeit in der Strömungsgrenzschicht. Durch die kurzzeitige Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit aufgrund der Pulsation werden die auf die Belagoberfläche wirkenden Scherkräfte erhöht. Die Folge: Die Abtragung der Schmutzschicht wird begünstigt. Ausgehend von einer laminaren Grundströmung wurde die Funktionsfähigkeit des Verfahrens im Technikumsmaßstab bereits nachgewiesen.
Die Notwendigkeit dieser Arbeiten unterstreicht allein der geschätzte wirtschaftliche Verlust, der beispielsweise beim Einsatz von Wärmetauschern entsteht. Infolge von Überdimensionierung, zusätzlichen Energieaufwendungen, Wartung und Produktverlust wird dieser auf 0,25 % des Bruttoinlandsprodukts geschätzt. In Deutschland entspricht das ca. 6 Mrd. Euro pro Jahr.
Sollen die Reinigungszeit und der Chemikalieneinsatz im Sinne der Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit des Prozesses minimiert werden, so müssen die Oberflächen so modifiziert werden, dass eine Reduzierung der Verschmutzungshaftkräfte auf der Oberfläche oder eine geringere Belagbildung erreicht wird. Zur Modifikation der Eigenschaften von Edelstahloberflächen wurden in den letzten Jahren neue Technologien entwickelt, beispielsweise nanotechnologische und plasmatechnologische Oberflächenmodifikationen. Durch diese neuen Technologien wird eine große und stetig wachsende Anzahl von antiadhäsiver Oberflächenmodifikationen mit einem weiten Eigenschaftsspektrum verfügbar. Typische Beschichtungsarten sind Fluorpolymerbeschichtungen, physikalische bzw. chemische Abscheidungen aus der Gasphase (PVD/CVD) und Nanokompositbeschichtungen.
Im Rahmen des Projekts „Alternative Oberflächen und Biomonitoring“ untersuchten das Fraunhofer Anwendungszentrum für Verarbeitungsmaschinen und Verpackungstechnik (AVV) und die TU Dresden, Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik, die Verschmutzungsneigung und Reinigbarkeit von 47 ausgewählten Antihaft-Oberflächenmodifikationen im Vergleich zu Edelstahl. Für diese Untersuchungen wurden eine Standardtestprozedur zur Bestimmung der Verschmutzungsmenge von Molkenprotein, Stärke und Mikroorganismen auf untransparenten Oberflächen erarbeitet und Verschmutzungs- und Sprühreinigungs-Versuchsstände aufgebaut. Im Rahmen des Projekts konnte gezeigt werden, dass Fluorpolymerbeschichtungen, Nanokompositbeschichtungen und physikalische bzw. chemische Abscheidungen aus der Gasphase im Vergleich zu Edelstahl die Belagbildung von Molkenprotein, Stärke und Mikroorganismen auf Oberflächen deutlich reduzieren und die Reinigbarkeit signifikant verbessern. Dabei zeigte sich ein produktspezifisches Fouling- und Reinigungsverhalten der Oberflächen.
Weitere Fragenstellungen zur reinigungsbezogenen Oberflächenauswahl und zur Anwendungsreife von Oberflächenmodifikationen in der Lebensmittelverarbeitung werden in dem weiterführenden Forschungsprojekt „Reinigung und Oberflächenmodifikationen“ untersucht. Dieses durch die Industrievereinigung für Lebensmitteltechnologie und Verpackung e. V. (IVLV) und die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen Otto von Guericke e. V. (AiF) finanzierte Projekt wird vom Fraunhofer AVV, der TU Dresden, Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik, und dem Institut für Polymerforschung bearbeitet.
*Fraunhofer Anwendungszentrum Verarbeitungsmaschinen und Verpackungstechnik, Dresden
**TU Dresden, Institut für Verarbeitungsmaschinen und mobile Arbeitsmaschinen
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