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TU Wien entwickelt Chemielabor auf einem Chip: Infrarot-Sensor analysiert Flüssigkeiten in Echtzeit

TU Wien entwickelt Chemielabor auf einem Chip
Infrarot-Sensor analysiert Flüssigkeiten in Echtzeit

Ein nur fingernagelgroßer Chip ersetzt sperriges Labor-Equipment. An der TU Wien wurde ein Infrarot-Sensor entwickelt, der in Sekundenbruchteilen Inhaltsstoffe von Flüssigkeiten detektiert.

Was machen die Moleküle gerade im Reagenzglas? In der chemischen Technologie ist es oft wichtig, exakt zu messen, wie sich die Konzentration bestimmter Substanzen verändert – oft auf einer Zeitskala von Sekunden. Gerade in der Pharmaindustrie müssen solche Messungen extrem präzise und zuverlässig sein.

An der TU Wien wurde ein neuartiger Sensor entwickelt, der sich dafür hervorragend eignet und mehrere bisher wohl unerreichte Vorteile miteinander verbindet: Durch maßgeschneiderte Infrarot-Technologie ist er deutlich sensitiver als andere Standard-Messgeräte, er ist für einen großen Bereich unterschiedlicher Molekül-Konzentrationen einsetzbar, er kann aufgrund seiner chemischen Robustheit direkt in der Flüssigkeit operieren und liefert damit Daten in Echtzeit, innerhalb von Sekundenbruchteilen. Im Fachjournal Nature Communications wurden diese Ergebnisse präsentiert.

Unterschiedliche Moleküle absorbieren unterschiedliche Wellenlängen

„Um die Konzentration von Molekülen zu messen, verwenden wir Strahlung im mittleren Infrarot-Bereich“, sagt Borislav Hinkov, Leiter des Forschungsprojekts vom Institut für Festkörperelektronik der TU Wien. Das ist eine bewährte Technik: Viele Moleküle absorbieren ganz bestimmte Wellenlängen im Infrarotbereich, andere Wellenlängen lassen sie durch.

So haben verschiedene Moleküle ihren ganz spezifischen Infrarot-Fingerabdruck. Wenn man misst, welche Wellenlängen wie stark absorbiert werden, kann man daher feststellen, wie hoch die Konzentration eines bestimmten Moleküls in der Probe gerade ist.

Besonders in gasförmigen Proben verwendet man Infrarot-Spektroskopie schon lange. Neu ist allerdings, dass es nun gelungen ist, diese Technologie extrem kompakt auf einem etwa fingernagelgroßen Chip unterzubringen, der speziell für Flüssigkeiten geeignet ist.

Das ist nicht nur eine technologische, sondern auch eine analytische Herausforderung, weil Flüssigkeiten die Infrarotstrahlung viel stärker absorbieren. Realisiert wurden diese Sensoren in Zusammenarbeit mit Benedikt Schwarz vom Festkörperelektronik-Institut und hergestellt im Zentrum für Mikro- und Nanostrukturen, dem hochmodernen Reinraum der TU Wien.

„Wenige Mikroliter Flüssigkeit reichen bei uns für eine Messung aus“, sagt Borislav Hinkov. „Und der Sensor liefert Daten in Echtzeit – viele Male pro Sekunde. Man muss also nicht wie bei anderen Technologien eine Probe entnehmen, sie analysieren und dann vielleicht minutenlang auf ein Ergebnis warten. Man sieht exakt, wie sich die Konzentration verändert und in welchem Stadium sich der untersuchte Prozess gerade befindet.“

Die Kollaboration verschiedener Fachrichtungen machts möglich

Möglich wurde das an der TU Wien durch eine Zusammenarbeit von Elektrotechnik und Chemie: Am Institut für Festkörperelektronik hat man jahrelange Erfahrung in der Herstellung von Quantenkaskadenlasern und -Detektoren. Dabei handelt es sich um winzig kleine halbleiterbasierte Bauteile, die durch ihre Mikro- und Nanostruktur dazu gebracht werden, Infrarotstrahlung mit einer präzise definierten Wellenlänge auszusenden oder zu detektieren.

Die von einem solchen Laser emittierte Infrarotstrahlung durchdringt die Flüssigkeit auf einer Strecke in der Größenordnung von Mikrometern und wird dann vom Detektor auf demselben Chip gemessen. Aus diesen speziellen, kombinierten ultrakompakten Lasern und Detektoren wurde in Zusammenarbeit mit Bernhard Lendl vom Institut für chemische Technologien und Analytik nun ein Messgerät, das sich in ersten Praxistests bestens bewährt hat.

Praxistest: Ein Protein ändert seine Struktur

Um die Leistungsfähigkeit des neuartigen Infrarot-Sensors zu demonstrieren, wählte man eine Reaktion aus der Biochemie: Ein bekanntes Modellprotein wurde erhitzt, dabei verändert es seine Form. Zunächst ist es helixartig aufgewickelt, bei höheren Temperaturen entfaltet es sich zu einer flachen Struktur.

Mit dieser geometrischen Veränderung verändert sich auch das Ausmaß, in dem das Protein Infrarotstrahlung bestimmter Wellenlängen absorbieren kann. „Wir wählten also zwei passende Wellenlängen aus und produzierten entsprechende quantenkaskadenbasierte Sensoren, die wir dann in den Chip integrierten“, sagt Hinkov. „Und tatsächlich zeigt sich: Man kann mit diesem Sensor die sogenannte Denaturierung des Proteins mit hoher Präzision in Echtzeit beobachten.“

Die Technologie ist extrem flexibel. Ganz nach Bedarf kann man die notwendigen Wellenlängen anpassen, man könnte auf dem Chip auch eine deutlich größere Zahl unterschiedlicher Quantenkaskaden-Sensoren unterbringen und somit die Konzentration unterschiedlicher Moleküle gleichzeitig messen. „Damit eröffnen wir ein neues Feld in der chemischen Analytik: Die Echtzeit-Infrarotspektroskopie in Flüssigkeiten“, sagt Hinkov.

Die Anwendungsmöglichkeiten sind extrem vielfältig – sie reichen von der Beobachtung thermischer Protein-Strukturänderungen, über ähnliche strukturändernde Prozesse in anderen Molekülen bis hin zur Echtzeit-Analyse chemischer Reaktionen, etwa in der pharmazeutischen Medikamentenherstellung oder in industriellen Fertigungsprozessen. Überall dort, wo man die Dynamik chemischer Reaktionen in Flüssigkeiten beobachten muss, kann die neue Technik wichtige Vorteile bringen.

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