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Das Geheimnis steckt im Mantel

Antistatisches Kabel für explosionsgefährdete Bereiche
Das Geheimnis steckt im Mantel

Wo Öl und Gas gefördert oder entzündbare Materialien verarbeitet werden, kann ein Funke zur Katastrophe führen. Selbst Kunststoffe, die sich statisch aufladen, sind dort ein Risiko. Lapp hat ein Antistatikkabel entwickelt, das solche Aufladungen – und damit auch blitzartige Entladungen – vermeidet und der Technischen Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 2153 entspricht.

Beim Händeschütteln kann es passieren, ebenso beim Griff an eine Türklinke: Wie ein Nadelstich zuckt ein Blitz in die Handfläche und lässt einen zurückschrecken. Besonders spektakulär ist das Phänomen, wenn man im Dunkeln einen Synthetikpullover über die Haare zieht; dann kann man ein regelrechtes Blitzgewitter beobachten. Dabei treten erhebliche Spannungen auf: Erst über 2000 V nehmen wir die Ladung wahr, beim Laufen über einen Teppichboden in einem beheizten Raum lädt sich die Haut mitunter sogar bis zu 30 000 V auf. Kritisch wird es, wenn explosive Stoffe wie Öl, Gas, aber auch Holz- und Mehlstaub in der Nähe sind. Dann kann so eine elektrostatische Entladung eine Katastrophe auslösen – wie 1937 beim Brand des Luftschiffs Hindenburg, als ein Funke der elektrostatisch aufgeladenen Hülle das Wasserstoffgas im Inneren zur Explosion brachte.

Auch Kabel sind potenzielle Gefahrenherde. Ihr Mantel kann sich durch Reibung aufladen und schlagartig entladen. Um diese Gefahr zu bannen, hat die Stuttgarter Lapp-Gruppe eine Versorgungsleitung mit einem antistatischen Mantel entwickelt. Sie kommt beispielsweise auf Ölbohrplattformen des norwegischen Herstellers Aker Solutions zum Einsatz. Die Zusammensetzung und die Herstellung des Mantelmaterials sind patentgeschützt. Die Lapp-Gruppe ist damit weltweit der erste Hersteller, der ein antistatisches Kabel anbietet.
Vor drei Jahren hat der Technologieführer für Verbindungslösungen schon einmal eine Versorgungsleitung mit besonderen Eigenschaften an Aker Solutions geliefert: Compact OWR Loop. Das armdicke Kabel, das dutzende unterschiedliche Leitungen enthält, ist zwickelfüllend gearbeitet, in seinem Inneren bleiben alle Leitungen an ihrem Platz, auch wenn das Kabel bewegt wird. Gleichzeitig ist es flexibel und langlebig, was Aker Solutions in einer eigenen, 36 m hohen Testanlage überprüft hat. Deshalb kennen die Lapp-Ingenieure die spezifischen Anforderungen an Kabel für den Einsatz auf Ölplattformen sehr genau. So entstand die Idee, ein Kabel zu entwickeln, das besonders beständig gegen Bohrschlamm ist, sich gleichzeitig nicht statisch auflädt und daher auch für explosionsgefährdete Bereiche auf Ölbohrplattformen geeignet ist.
Weniger Widerstand im Kabelmantel
Die Ladungsträger sammeln sich auf Kabeln oder auf anderen schlecht leitenden Gegenständen meist durch Reibungselektrizität. Das hängt von der Ableitfähigkeit ab. Diese sollte möglichst hoch sein, damit die Ladungsträger auf der Oberfläche des Objekts – hier auf dem Kabelmantel – möglichst schnell abgeführt werden können. Die Aufgabe der Lapp-Ingenieure bestand also darin, die Ableitfähigkeit zu steigern, beziehungsweise den Oberflächenwiderstand zu verringern. Ein Stoff oder ein Material ist ableitfähig, wenn der spezifische Widerstand mehr als 104 Ωm und weniger als 109 Ωm beträgt. Für einen Gegenstand oder eine Einrichtung gibt es eine zweite Größe, den Oberflächenwiderstand. Dieser muss zwischen 104 Ω und 109 Ω liegen, gemessen bei 23 °C und 50  % r. F., bzw. zwischen 104 Ω und 1011 Ω liegen, gemessen bei 23 °C und 30 % r .F. Festgelegt ist dies in der TRBS 2153, die sich mit der Vermeidung von Zündgefahren beschäftigt. Zur Erklärung: Die Atex-Richtlinie 2014/34/EU beschreibt den Explosionsschutz auf europäischer Ebene.
Die Umsetzung der Atex-Richtlinie erfolgt in jedem europäischen Mitgliedsstaat in eigenen nationalen Gesetzen und Verordnungen. Auf deutscher Ebene erfolgte dies durch die Explosionsschutzverordnung (11.ProdSV) sowie der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Daraus leiten sich die TRBS (Technische Regeln für Betriebssicherheit) ab. Lapp bewegt sich mit dem neu entwickelten Kabel stets innerhalb dieser Grenzen. Den Beweis liefern umfangreiche Messungen im hauseigenen Testlabor in Stuttgart. Dort lassen sich in einem weiten Bereich harte klimatische Bedingungen simulieren, wie Trockenheit, Feuchte, Hitze und Kälte.
Geheime Zutat
Das Geheimnis des antistatischen Kabels steckt in seinem Mantel. Der besteht aus einem Kunststoff mit einem Additiv, das die Leitfähigkeit erhöht. Die Befürchtung, darunter könnte die elektrische Isolation des Kabels leiden, ist unbegründet. Die Isolation der Leiter erfolgt immer über die Isolierhülle, also den Kunststoff, der die Leiter umhüllt. Der äußere Mantel eines Kabels hat keine isolierende Aufgabe, sondern dient dem mechanischen Schutz, etwa gegen Öl, Chemikalien oder wie in diesem Fall gegen Bohrschlamm sowie bei Biegung, Torsion und Reibung. Worum es sich bei dem Additiv genau handelt, ist Betriebsgeheimnis, insbesondere auch der aufwändige Prozess, in dem das Additiv in der richtigen Menge und Durchmischung dem Kunststoff beigegeben wird.
Das Verfahren ist zwar patentgeschützt, dennoch möchte Lapp die Details nicht an die große Glocke hängen, um den technologischen Vorsprung nicht aufs Spiel zu setzen. Lapp hat mit dem Hersteller des Additivs, einem großen Kunststoffhersteller, eine Exklusivvereinbarung: Nur Lapp darf dieses Material derzeit für Kabel nutzen. Kompliziert war die Entwicklung vor allem, weil es nicht reicht, die oben genannten Voraussetzungen zur Vermeidung von Zündgefahren zu erfüllen, sondern auch die NEK 606, eine besonders strenge Norm, die Eigenschaften von marinen Kabeln und den Schutz gegen Bohrschlamm regelt. Beide Eigenschaften zu vereinen, ist die eigentliche Innovation.
Interessant auch für andere Branchen
Natürlich gab es auch schon sichere Ölbohrplattformen, bevor Lapp das antistatische Kabel entwickelt hat. Gefährdete Bereiche werden eigens geschützt, etwa durch Erdungsbänder an Maschinen oder durch Kleidung und Schuhe, die Aufladungen schnell ableiten. Aber mit dem Kabelmantel haben es Konstrukteure nun merklich leichter, da das Schutzkonzept durchgängig wird und auch der Kabelmantel keine statische Elektrizität mehr führt. Das gilt auch für andere Industriezweige, in denen Explosionsgefahr ein Thema ist. Das ist überall dort der Fall, wo Öl, Gas oder zündfähige Chemikalien im Spiel sind, aber auch bei der Verarbeitung von Mehl in der Lebensmittelbranche. Die antistatische Wirkung des Kabelmantels lässt sich durch metallische Kabelverschraubungen an Schaltschränken wie Skintop Brush noch steigern. Die Ladungsträger auf dem Kabelmantel werden über diese Verbindung abgeleitet, ähnlich wie bei einer Erdung über Metallbänder.
Das Material, das Lapp entwickelt hat, ist universell als Kabelmantel in explosionsgefährdeten Anlagen einsetzbar. Auf Nachfrage ist die Anschluss- und Steuerleitung Ölflex 865P ebenfalls mit diesem ableitfähigen Mantelmaterial lieferbar. Diese Leitung ist beständig gegen Öl- und Bohrschlamm nach NEK TS 606, eignet sich für hohe Beanspruchungen in Energieführungsketten und erlaubt platzsparende Verlegung dank reduziertem Außendurchmesser.

Werner Körner
Leiter Technik & Entwicklung,U.I. Lapp
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