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Fabrikneubau erfolgreich in Betrieb genommen

Voll automatisierte Produktion von Arzneimitteln
Fabrikneubau erfolgreich in Betrieb genommen

Pfizer hat gemeinsam mit dem Unternehmen GEA und der Hochschule Gent ein kontinuierliches Fertigungsverfahren für die Arzneimittelproduktion entwickelt. Hieraus entstand 2015 das Projekt Continuous Manufacturing Technology für den Produktionsstandort Freiburg, das mit GEA und Siemens als Experten für die Steuerung sowie mit zahlreichen weiteren Partnern umgesetzt wurde.

Am Standort Freiburg ermöglichen zwei neue Fertigungsanlagen mit der von Pfizer neu entwickelten Continuous Manufacturing Technology (CMT) eine voll automatisierte Produktion von Arzneimitteln. Das Ziel war eine Reduzierung der Herstellungskosten, robuste und online überwachte Produktionsprozesse sowie ein hinsichtlich der CO2-Emissionen optimierter Fertigungsprozess. Hierzu musste aus der Forschungsanlage eine pharmazeutisch zugelassene Produktionslinie entwickelt werden. Nach nur zwei Jahren Entwicklungs- und Bauzeit wurde die CMT im Mai 2017 in Freiburg in Betrieb genommen. Nach der pharmazeutischen Qualifizierung und Validierung startete im März 2018 die Marktversorgung mit Tabletten und Kapseln aus diesen Linien.

Die kontinuierliche Fertigung in Freiburg umfasst im Wesentlichen folgende Aspekte: Der Materialfluss wird unter enger Lieferanteneinbindung verkürzt. Unter anderem werden dazu Wirk- und Hilfsstoffe in Big Bags angeliefert. Die traditionelle, chargenbezogene Einwaage und stufenweise Fertigung wird durch die kontinuierliche Förderung von Wirk- und Hilfsstoffen mit In-line-Mischung und vollautomatischem Transport zur Tablettierung und Verkapselung ersetzt. Mithilfe der In-line-Mischung, Echtzeit-Analytik und Rückkopplung zur Fördertechnik wird die für Pharmaka erforderliche hohe Dosiergenauigkeit gewährleistet. Eine umfassende Digitalisierung und Vernetzung nach Industrie-4.0-Maßstäben ermöglicht die Erfassung aller relevanten Prozess- und Qualitätsparameter. Herstellungsdokumente sollen mittelfristig durchgängig vollelektronisch erstellt und übermittelt werden. Die Chargengröße wird über die Laufzeit der Anlage definiert und kann so hochflexibel an veränderten Marktbedarf angepasst werden.

Großtechnische Umsetzung

Die Übertragung der CMT aus dem Forschungs- und Entwicklungsmaßstab in den großtechnischen Betrieb erforderte den Bau einer neuartigen Fabrik und die Überarbeitung der kompletten Lieferkette und Einbindung von Lieferanten sowie die Einholung behördlicher Genehmigungen. Der erste Schritt in dem neu zu gestaltenden Prozessfluss ist die Versorgung: Um das manuelle Handling und dadurch Durchlaufzeiten sowie Logistikkosten zu reduzieren, werden Wirk- und Hilfsstoffe künftig in Big Bags angeliefert. Big Bags können ohne weitere Zwischenschritte direkt in der Produktion verwendet werden. Dadurch entfällt zum Beispiel das Umladen von Holz- auf Aluminiumpaletten, wie es zuvor bei Verwendung der Einzelgebinde war. Im Rahmen einer von den kooperierenden Hochschulen betreuten Masterarbeit wurde anhand einer realen Supply Chain von Singapur über Brüssel und Gent bis nach Freiburg untersucht, welche monetären und energetischen Vorteile die Verwendung der Big Bags für den Wertstrom eines bestimmten Wirkstoffs bringt. Einige der ermittelten Vorteile sind:

  • 50 % weniger Lkw-Transporte
  • 80 % weniger Holzpaletten
  • 70 % weniger HBW-Bedarf
  • 33 % weniger CO2-Ausstoß durch Umstellung von Luft- auf Seefracht entlang der Supply Chain

Identifikation der Rohstoffe

In der Versorgungsebene werden Big Bags mit den Rohstoffen über das von Siemens realisierte automatische Regalbediengerät aus dem Hochregal angeliefert und über Big-Bag-Gestelle direkt im Lieferanten-Gebinde bereitgestellt. Als RBG2-Kopfsteuerung dient eine zwischen dem MMCS-Simatic-IT-MES und der Lagermaschinensteuerung sitzende fehlersichere Siemens S7 1500. Diese Steuerung übernimmt alle Aufgaben der feststehenden Komponenten. Dazu zählen zum Beispiel Rollenbahnen, Fördertechnik, Rolltore sowie Konturenkontrolle und Scanner.

Vor der Lagerung müssen alle Wirk- und Hilfsstoffe auf ihre Identität überprüft werden. Die bisher verwendeten Trommeln konnten zu diesem Zweck geöffnet und wieder verschlossen werden. Big Bags würden durch diesen Musterzug zerstört und die Einlagerung der Wirk- und Hilfsstoffe im Gebinde unmöglich gemacht werden. Daher wird ein neues Verfahren für die Identifikation des Rohstoffes eingesetzt. Das Pfizer Material Management Control System (MMCS) wird über Simatic IT MES gesteuert und stellt das Bindeglied zwischen der Prozesssteuerung und dem EBR-System dar. Es stellt neben der Equipment-Verwaltung auch automatisierte Prozessketten und Schnittstellen zu den unterschiedlichen Systemen bereit und zeichnet sich durch eine extrem hohe Verfügbarkeit aus.

Die CMT in Freiburg ist hochgradig digitalisiert, automatisiert und vernetzt. Das schafft die Voraussetzung für ein Monitoring aller relevanten Prozess- und Qualitätsparameter in Echtzeit. Mit PAT wurde eine durchgehende Qualitätsprüfung implementiert, die Daten online bereitstellt. Im Vergleich zur herkömmlichen Batch-Produktion lassen sich Abweichungen daher durch Eingrenzung des zeitlichen Produktionsabschnitts viel exakter lokalisieren. Das Ergebnis: eine effizientere Qualitätskontrolle und weniger Ausschuss. Die erste Phase der CMT-Implementierung im Werk Freiburg wurde mit der Qualifizierung der Big Bags Ende Oktober 2017 abgeschlossen.

Vollautomatische Einwaage

Dem ersten Prozessschritt, also der Versorgung, folgt die Einwaage. Dabei werden die Wirk- und Hilfsstoffe aus den Big Bags dem Produktionsprozess über ein vollautomatisches Fördersystem kontinuierlich zugeführt und entsprechend der Medikamentenzusammensetzung genau dosiert. Hier sind höchste Genauigkeit sowie ein zügiger Wechsel der Big Bags wichtig. Durch die sehr schnelle digitale Messtechnologie können kleinere Dosiertrichter verwendet werden. Dadurch wird unter anderem die Produktrestmenge bei einem Chargenwechsel reduziert. Im Anschluss an die Einwaage lief in dieser Phase der CMT-Implementierung zunächst der herkömmliche Herstellungsprozess weiter. Anfang November 2017 wurden auf diesem Weg drei Validierungschargen eines Blockbusters produziert, die in den Markt gehen konnten.

Kontinuierliche Mischeinheit

Im weiteren Prozessschritt, dem Mischen, vermengt eine neu entwickelte Mischeinheit Wirk- und Hilfsstoffe in Form von Trockengranulat zu einer homogenen Mischung, die anschließend zum Beispiel in einem der zehn auf der Anlage verfügbaren Kapselfüller weiterverarbeitet werden kann. Die Durchsetzleistung des von GEA im Industriemaßstab konstruiert und gefertigten kontinuierlichen Mischers reicht von 5 bis 500 kg/h. In Zusammenarbeit mit Siemens wurde das neue System in das vorhandene Automatisierungssystem des Werks lückenlos integriert. Die Produktionsmenge wird über die Mischkammergeschwindigkeit gesteuert. Blockbuster lassen sich somit auf derselben Produktionslinie herstellen wie kleine Mengen für die klinische Forschung. Die Time-To-Market wird dadurch reduziert. Die Validierung dieser kontinuierlichen Mischtechnik wird voraussichtlich bis Herbst 2018 dauern. In dieser Phase wird die PAT-gestützte Qualitätskontrolle durch händische Proben gespiegelt.

Zahlreiche Partner

Die technische Realisierung wurde mit zahlreichen Partnern durchgeführt. Die Hauptpartner waren GEA, Coperion und Hecht für die kontinuierliche Fertigung, Siemens für die Erstellung des MMCS als zentrale Steuereinheit für die Tablettenproduktion, Automatisierung, Gebäudeleittechnik und Logistik, eine Kooperation aus CCI/HMR/Untsch für die Automatisierung, die Hochschulen Offenburg/Dortmund/Sigmaringen und viele lokale Anbieter zur Unterstützung. Um eine weltweite Verbreitung der neuen Technologie zu unterstützen, hat Pfizer auf eine Patentierung der CMT verzichtet. Somit wurde den Kooperationspartnern die Möglichkeit gegeben, die neuen Technologien auch anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen.

www.prozesstechnik-online.de

Suchwort: phpro0218pfizer


Autoren: Michael Manfred Becker Günter Noss Richard Steiner

Director Global Engineering,

Pfizer

Projektleiter,

Siemens

Business Development Manager,

GEA

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