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Instandhaltung in der Pharmaindustrie im Zeitalter der Digitalisierung

Weniger Papier, mehr Partnerschaften
Instandhaltung in der Pharmaindustrie im Zeitalter der Digitalisierung

Wie verändert die Digitalisierung die Instandhaltung in der Pharmaindustrie? Welche Erwartungen haben Pharmaunternehmen an Zulieferer und Servicepartner? Diese und weitere Themen diskutierte die Redaktion von phpro mit Fachleuten aus allen Bereichen der Wertschöpfungskette. Den ersten Teil dieses Round-Table-Gesprächs finden Sie in der vorherigen Ausgabe der phpro.

Ein großes Anliegen in der Diskussion der Expertenrunde war die Dokumentation für die Komponenten und die Prozesse. Diese wird zum einen in Form von Zertifikaten für die einschlägigen Regularien wie GMP, FDA, USP etc. benötigt, zum anderen hilft sie aber auch dabei, den Generationswechsel in den Betrieben zu erleichtern. So gibt es, das erzählte Dr. Alexander Galloy, bei Bilfinger ein virtuelles Industrialtube, in dem via Video das Wissen der Mitarbeiter konserviert wird – für die folgende Generation der Instandhalter oder auch für Mitarbeiter in weniger entwickelten Industrieländern.

Digitalisierung schafft Transparenz

Naheliegend auf Komponentenebene ist die Kennzeichnung mit einem Code, der den Betreiber zum Abrufen der Dokumentation auf die Datenbank des Herstellers – oder in die Cloud – führt. Dort liegen dann Bedienungsanleitung, PTB-Bescheinigung für den Ex-Schutz, Materialzertifikate zu dem Produkt, Lebenslauf, Messbereiche, Spezifikationen etc. zum Download bereit. Nachteil dieser Lösung ist, dass die Daten der Komponentenhersteller unterschiedlich strukturiert sind. Und das Thema Datensicherheit ist bei diesem Lösungsansatz ebenfalls noch nicht gelöst.

Eine Zukunftsvision entwarf Stephan Bleuel, Sanofi-Aventis, dennoch: „Ich sehe uns in fünf Jahren ganz klar bei einer papierlosen Zusammenarbeit mit dem Hersteller. Die Zertifikate werden nicht mehr als Papier verschickt, sondern bei der eindeutig gekennzeichneten Komponente hinterlegt. Ich sehe auch, dass wir unsere Störungsdokumentation nicht mehr in Papier verewigen oder manuell eingeben, sondern direkt mit dem Foto in die Datenbank einstellen und dass wir die Instandhaltungsmaßnahmen mit Auftrag und den echten Informationen ebenfalls dort automatisch ablegen.“

Das erfordere bei allem Bestreben um Datensicherheit und Wettbewerbsvorteile aber auch eine transparente Kommunikation. Diese sei zudem sowohl für die vorausschauende Instandhaltung als auch für eine zukunftsgerichtete Werkstoffentwicklung Voraussetzung, so Michael Krüger von
C. Otto Gehrckens. „Ich glaube, dass Schwachpunkte der Anlagen häufiger mal die Gummidichtungen, Membranen und dergleichen sind. Ohne Rückkopplung vom
Betreiber können wir aber nicht helfen, die Wartungsintervalle zu verlängern.“

Auch Andreas Eiletz von Eagleburgmann hat Interesse an diesen Daten: „Wenn die Dichtungshersteller die Datensammlungen einsehen dürften, würde man partnerschaftlich noch mehr schaffen. Es geht doch bei den flexiblen und modularen Anlagen der Zukunft darum, die richtige Dichtung am richtigen Ort einzusetzen.“

Verständnis für die Belange der Betreiber äußerte sein Kollege Bernd Fischer: „Ich denke, dass eine transparente Kommunikation massive Unterstützung von allen braucht. Auf der anderen Seite steht aber auch der Schutz von Unternehmens- und Kundeninteressen.“

Als Betreiber glaubt Stephan Bleuel, dass die Digitalisierung eine transparentere Kommunikation fördern wird: „Die Digitalisierung kann helfen, Transparenz zu schaffen. Entwicklungen wird man künftig über Jahre hinweg verfolgen können. Unser aller Ziel ist doch: Verfügbarkeit, Kosten, Einsatzbedingungen und teilweise auch die Qualität der Instandhaltung, durchaus auch der Dienstleister, zu verbessern.“ Und weiter: „Wir brauchen heute und in Zukunft starke Hersteller, vielleicht dann auch stärker vernetzt.“

Outsourcing und Know-how-Transfer

Diese Vernetzung könnte unter anderem über den Industrieservice gewährleistet werden. Lösungen werden hier, so erzählen die Teilnehmer, aber durch die Themen Datensicherheit – für die Fernwartung – und Know-how-Transfer ausgebremst.

Deshalb habe man zum Teil nur noch SIM-Karten an den Maschinen im Einsatz, berichtet Robert Coldewey. „Und selbst das bedurfte vier Wochen interner Diskussion beim Kunden, obwohl wir nicht übers Internet kommunizieren und über die SIM-Karte auch nicht in die Rezepturverwaltung kommen.“ Bei Heinkel Process Technology arbeite man daher in solchen Fällen auch „offline“ mit dem Kunden über Wartungsabkommen, um die Instandhaltung des
Betreibers durch eigenes Know-how zu unterstützen.

Laut dem WVIS-Branchenmonitor 2018 dagegen erwarteten 20 % der Unternehmen des Industrieservices eine deutliche Steigerung des Umsatzanteils aus der Pharmabranche. Im Vorjahr waren dies nur 12 % der Unternehmen gewesen. David Merbecks, WVIS, erläutert diese Zahl: „Ich sehe den Grund dieser Entwicklung darin, dass die Unternehmen sich verstärkt Industrieservices einkaufen, um an spezielles Know-how für Projekte zu kommen. Es besteht nicht nur Interesse an der Beratung, sondern auch an der branchenübergreifenden Erfahrung.“ Und dann führt er darüber hinaus einen weiteren wichtigen Aspekt an: „Ein Trend in der Pharmaindustrie ist eine deutliche Flexibilisierung der Fertigung über modulare Anlagen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Dienstleister diese Module nicht nur betreiben, sondern sie auch planen, bauen und in Betrieb nehmen.“

„Für die betriebsnahe Wartung und Instandhaltung ist unsere interne Kompetenz einfach höher“, widerspricht ihm Stephan Bleuel. „Wir fahren da bei uns eine Mixtur. Aber überall dort, wo Know-how über längere Zeit aufgebaut werden soll, setzen wir eigene Mitarbeiter ein. Denn bei den Wirkstoffanlagen liegt unser wettbewerbsrelevantes Wissen.“

Sanofi sei da kein Einzelfall, beschreibt Nils Blechschmidt, Con Moto Consulting, seine Erfahrungen: „Kernkompetenzen und Grundlastleistungen, die eine hohe Auswirkung auf Compliance bzw. Anlagenzuverlässigkeit haben, übernehmen die Unternehmen meist selbst. Spezialleistungen und Nebenkompetenzen, die günstiger einzukaufen sind, das sind eher die typischen Themen für Dienstleister.“ Und er glaubt, dass bei aller Flexibilisierung in der Pharmaindustrie das Betreibermodell eher auf Dienstleistungen wie Abfüllen und Verpacken beschränkt bleiben wird.

Dem wiederum kann Dr. Alexander Galloy nicht ganz beipflichten: „Wir haben für einen unserer Kunden den kompletten Service übernommen. Der Kunde hat sich so entschieden, weil wir ihm kürzere Produktwechselzeiten seiner Wirkstoffanlagen gewährleisten – und damit eine höhere Effizienz. Außerdem ist eines unserer Produkte das Bilfinger Maintenance Concept. Das ist ein Methodenhandbuch, in das unsere Erfahrung aus verschiedenen Projekten einfließt, sodass die Kunden voneinander profitieren, ohne dass wettbewerbsrelevante Daten ausgetauscht werden müssen.“

Obwohl nach den Erfahrungen von Nils Blechschmidt viele Unternehmen die Full-Service-Variante wieder auf eine prozentuale Abdeckung zurückgefahren haben, betont er auch, dass die Vertragsgestaltung letztendlich über eine funktionierende partnerschaftliche Beziehung entscheidet und auch die Fluktuationsproblematik begrenzen kann: „Wichtig ist, dass der Vertrag ein Gain Sharing enthält, sodass sich der Servicedienstleister an den unternehmerischen Zielen des Kunden messen lässt und aktiv an der Optimierung mitwirkt. Die Partner sollten kooperativ daran arbeiten, die Anlagenperformance zu steigern und die Kosten für die Instandhaltung zu minimieren.“

Lesen Sie hier Teil 1 des Round Table-Gespräches

www.prozesstechnik-online.de

Suchwort: phpro0319roundtable


Autorin: Christine Koblmiller

Fachjournalistin



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