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Der Stoff aus dem die Kapseln sind

Bessere Performance durch reduziertes Cross-Linking
Der Stoff aus dem die Kapseln sind

Gelatine ist ein wichtiger pharmazeutischer Hilfsstoff. Das mengenmäßig wichtigste Anwendungsgebiet pharmazeutischer Gelatine sind Hart- und Weichkapseln. Bei deren Herstellung spielen eine Reihe von Gelatine-spezifischen Eigenschaften wie thermoreversible Sol-/Gelbildung und Filmbildung eine entscheidende Rolle. Gelatine ist ein natürliches Lebensmittel. Somit bieten sich nahezu unbegrenzte Einsatzmöglichkeiten in peroralen Darreichungsformen für Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel.

Autor Dr. Wilfried Babel, Technical Sales Pharma Gelita Autorin Dr. Gabriele Reich, Research Group Leader IPMB, Universität Heidelberg

Je nach Natur des zu verkapselnden Füllgutes kommen Hart- oder Weichkapseln aus Gelatine zum Einsatz (Bild 1). Für flüssige oder pastöse Füllgüter werden meist Weichkapselformulierungen gewählt, während für pulverförmige Produkte Hartkapseln bevorzugt werden. In Gelatinekapseln bleiben Wirkstoffe stabil und sind wirksam vor Licht und Sauerstoff geschützt.
Gelatinekapseln sind geschmacksneutral und leicht zu schlucken. Das macht sie bei Patienten und Konsumenten gleichermaßen beliebt. Ihre vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten in Größe, Form, Farbe und Bedruckung erhöhen den Komfort und die Sicherheit in der Anwendung – Verwechslung ausgeschlossen.
Die Wirkstofffreisetzung erfolgt im Magen-Darm-Trakt nach Öffnung bzw. Zerfall der Kapselhülle. Bei bestimmten reaktiven Füllgutformulierungen und drastischen Lagerbedingungen (hohe Temperatur und Luftfeuchte) kann es bei einigen Gelatinekapseln in Extremfällen zu einer verzögerten Wirkstofffreisetzung kommen, die unter In-vitro-Testbedingungen zur Unlöslichkeit der Kapseln führen kann.
Dabei bildet sich an der Grenzfläche zwischen Kapselhülle und Füllgut eine dünne, wasserunlösliche Schicht (Pellikel genannt), die durch chemische Reaktion von wasserlöslichen Gelatinemolekülen untereinander verursacht wird. Über längerkettige Zwischenstufen führt dies letztendlich zu einem wasserunlöslichen hochmolekularen Netzwerk. Dieser Vorgang wird als Quervernetzung (engl.: Cross-Linking, abgekürzt: XL) bezeichnet.
Bei der Quervernetzung von Gelatine kann man zwei unterschiedliche Reaktionswege beobachten: Self Cross-Linking und chemisch induziertes Cross-Linking. Im ersten Fall kommt es bei erhöhter Temperatur und Luftfeuchte (z. B. +40 °C und 75 % r.F.) zu einer Reaktion von funktionellen Gruppen der Gelatine untereinander. Im zweiten Fall erfolgt die Reaktion zwischen Gelatinemolekülen (über Aminogruppen von Lysin und Hydroxylysin) und niedermolekularen Reaktionspartnern (wie z. B. Aldehyden, vinylogen Verbindungen), die entweder Verunreinigung, Abbauprodukt oder Teil von pharmazeutischen Wirk- und Hilfsstoffen sein können. Dieser Effekt tritt bei ICH-Stabilitätsuntersuchungen (+40 °C/75 % r.F.) ggf. bereits innerhalb weniger Tage auf, kann aber auch bei Raumtemperaturlagerung zu einer Beeinträchtigung der Wirkstofffreisetzung führen.
Für den Hersteller von pharmazeutischen Produkten hat diese Quervernetzungsneigung der Gelatine einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Auswahl und Haltbarkeit von Kapselprodukten, mit allen damit verbundenen Auswirkungen auf Logistik und Profitabilität.
Das RXL-Konzept
In der Pharmaindustrie wird bereits seit geraumer Zeit intensiv daran gearbeitet, wie man diesem Problem begegnen könnte. Zusatzstoffe wie z. B. Glyzin und Zitronensäure einzusetzen zeigte nur bedingte Wirksamkeit und war nur eingeschränkt praxistauglich.
Gelita verfolgte einen anderen Ansatz: Kleine, leicht bewegliche Moleküle sind unter geeigneten Umständen in der Lage, reaktive Gruppen an den hochmolekularen Bestandteilen der Gelatine durch chemische Reaktion zu maskieren. Aus dieser Hypothese wurde ein Konzept erarbeitet, um durch gezielte Variation des Verhältnisses der nieder- und hochmolekularen Bestandteile der Gelatine eine Art Selbstschutz gegenüber Self Cross-Linking und chemisch induziertem Cross-Linking zu geben.
Wesentliches Element des RXL-Ansatzes (Reduced Cross-Linking) ist es, das erforderliche Molekulargewicht im Gelatineherstellungsprozess kundenspezifisch einzustellen.
Der pharmazeutischen Industrie können so Kapselgelatinen für reaktive Füllgüter mit verlängerter Haltbarkeitszeitsdauer zur Verfügung gestellt werden. Damit kann das Anwendungsspektrum für Gelatinekapseln deutlich ausgeweitet werden. Vorversuche mit Weichkapsel-Modellfilmen zeigen signifikant geringeres Cross-Linking.
In ersten orientierenden Laborversuchen wurden glycerinhaltige Weichkapselgelatinefilme hergestellt. Dabei kamen eine alkalische Knochen-Standardgelatine mit 160 Bloom (LB-160) und der entsprechende RXL-Typ (LB-RXL-160) zum Einsatz. Filmstücke wurden einen Monat unter extremen Stressbedingungen, d. h. offen bei +40 °C/75 % r.F. gelagert. Die Auflösegeschwindigkeiten der gelagerten Filmstücke wurden in Wasser von +37 °C (USP Paddle Apparatur Nr. 2) bestimmt. Die Detektion des gelösten Gelatineanteils erfolgte spektralphotometrisch bei 218 nm.
Ein Vergleich der Auflösekinetik von LB- und LB-RXL-Filmen (Bild 2) zeigt, dass das Self Cross-Linking bei Verwendung von RXL-Gelatinen selbst unter diesen drastischen Lagerbedingungen signifikant reduziert werden kann.
Um die Übertragbarkeit des Gelita-RXL-Konzeptes von Modelluntersuchungen an Gelatinefilmen auf reale Kapselprodukte zu verifizieren, wurden vergleichende Verkapselungsversuche an einer Weichkapselmaschine durchgeführt. Dabei kamen handelsübliche LB-Standardgelatinetypen und entsprechende LB-RXL-Typen zum Einsatz. Als Füllgut diente Miglyol 812 zur Untersuchung von Self Cross-Linking und Miglyol 812 mit 1 % Pfefferminzöl zur Untersuchung von chemisch induzierten Quervernetzungsreaktionen. Die Weichkapseln (7.5 oval) wurden 6 Monate unter folgenden Bedingungen gelagert:
  • bei +22 °C/50 % r.F. in geschlossenen Glasflaschen
  • bei +40 °C/75 % r.F. in geschlossenen Glasflaschen
  • bei +40 °C/75 % r.F. in offenen Glasflaschen
In monatlichen Abständen wurden Proben gezogen und die Zeit zur kompletten Freisetzung des Füllgutes (t = 100 % Freisetzung) bestimmt (USP Paddle Apparatur Nr. 2, Wassertemperatur: +37 °C).
Bild 3 zeigt das Freisetzungsverhalten von LB- und LB-RXL-Weichkapseln direkt nach Herstellung und nach 6-monatiger Lagerung unter den o.g. Bedingungen. Die Daten belegen für LB-Standardgelatine-Weichkapseln eine lagerungsbedingte Verzögerung der Miglyolfreisetzung durch Gelatine Self Cross-Linking. Bei Zusatz von Pfefferminzöl im Füllgut ist die lagerungsbedingte Freisetzungsverzögerung durch zusätzlich chemisch induziertes Cross-Linking verstärkt (Bild 4). In beiden Fällen führt die Verwendung von RXL-Gelatine zu einer signifikanten Beschleunigung der Füllgutfreisetzung im untersuchten Zeitintervall.
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