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Nummerieren allein reicht nicht aus

Produktserialisierung geht in die zweite Runde
Nummerieren allein reicht nicht aus

Rund 10 % aller verkauften Arzneimittel weltweit sind Imitate. Das entspricht einem Volumen von 200 Mrd. US-Dollar pro Jahr. Schon seit geraumer Zeit hat die Branche den Kampf gegen die Produktfälschung aufgenommen. Ihre wichtigste Waffe ist die Serialisierung. Da nun auch die Gesetzgebung weltweit immer konkreter wird, ist sie für den nächsten Schritt bereit.

Der Autor: Hans Bijl, Sr. Manager Business Development Life Science, Siemens

Arzneimittelhersteller müssen häufig zusehen, wie ihre Originalprodukte durch unregistrierte, gefälschte und manchmal sogar lebensgefährliche Imitate ersetzt werden. Dies ist nicht nur eine potenzielle Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher, sondern bedroht auch die wirtschaftliche Gesundheit des Unternehmens, die das Originalprodukt herstellt. Die bevorzugte Methode, gegen Fälschungen vorzugehen, besteht in der Absicherung der Lieferkette der einzelnen Arzneimittelpackungen. Wenn die Echtheit einer jeden Medikamentenpackung überprüfbar ist, lässt sich das Risiko der Einnahme von gefälschten Arzneimitteln drastisch reduzieren. Ist darüber hinaus die Rückverfolgbarkeit einer einzelnen Arzneimittelpackung vom Verbraucher bis zum Verpackungsprozess gewährleistet, lässt sich die Lieferkette nahezu vollständig absichern.
Auf dem Weg zur sicheren Lieferkette
Als erster Schritt zur Gestaltung einer sicheren Lieferkette hat sich in den letzten Jahren die Produktserialisierung, d. h. die individuelle Kennzeichnung jeder einzelnen Verpackung mit einem fälschungssicheren Code, etabliert. Mittlerweile nehmen alle großen Pharmaunternehmen die Serialisierung ernst und implementieren entsprechende Maßnahmen. Einsatzgruppen und Projektteams für Tracking und Tracing wurden gebildet und entsprechende Pilotanlagen gebaut. In Fällen, in denen ein Unternehmen bereits betroffene Regionen beliefert (z. B. Frankreich mit CIP13-Kodierung oder die Türkei mit einer Kodierung sowohl für Serialisierung und Aggregation), wurden die entsprechenden Produktionslinien so ausgestattet, dass die einzelnen Produktverpackungen nummeriert werden können.
Leider ist die Gesetzgebung trotz des globalen Charakters der derzeitigen Arzneimittellieferketten sehr uneinheitlich und regional unterschiedlich. In vielen Fällen wird eine entsprechende Umsetzung nur angekündigt, aber dann mehrfach verschoben. Eines der eklatantesten Beispiele hierfür ist Brasilien, wo der lokale Gesetzgeber Anvisa schon im Jahr 2009 lokale Vorschriften (fälschungssichere Labels mit 2D-Barcode) angekündigt hat, die im Januar 2011 in Kraft treten sollten. Nachdem es in Brasilien jedoch Anfang dieses Jahres zu einem Regierungswechsel gekommen ist, verzögerte sich die Umsetzung der angekündigten Vorschriften. Bis heute ist unklar, wann die neue Gesetzgebung inkrafttreten wird.
Sowohl die Europäische Union als auch die USA streben den Einsatz des universellen GS1-Standards für die Codierung der einzelnen Produktverpackungen in Verbindung mit dem Data Matrix Code (2D-Barcode) an, dies ist allerdings erst für 2014 und 2015 geplant. Doch auch wenn Bestrebungen nach einer Standardisierung im Gang sind, hat die EU-Gesetzgebung derzeit nur die Form einer Richtlinie. Sie schreibt der Industrie nicht verbindlich vor, worauf sie sich vorzubereiten hat bzw. wann Serialisierung Pflicht sein wird. Der jüngste diesbezügliche Schritt ist die deutsche Secur-Pharm-Initiative. Auf Grundlage der EU-Ankündigungen hat ein formeller Zusammenschluss aus Vertretern der deutschen Pharmaindustrie, Behörden, Händlern und Apotheken eine spezielle Organisation gegründet und einen Plan für einen umfassenden, durchgehenden Prozess zur Produkt-Nachverfolgung verabschiedet. Die Initiative beruht teilweise auf den 2009 mit dem EFPIA-Pilotprojekt gemachten Erfahrungen, in dessen Rahmen Lieferanten (darunter Siemens) ein ähnliches, wenn auch kleineres erstes Pilotprojekt im Großraum Stockholm realisiert haben. Die neue deutsche Initiative wird bei Erfolg auch für andere europäische Länder wegweisend sein.
Auch der Grad der Serialisierung ist nicht überall gleich. So fordern manche Regionen nur eine Produktserialisierung, die lediglich eine individuelle Nummer auf jeder einzelnen Packung vorsieht, und andere darüber hinaus die sogenannte Aggregation, bei der die hierarchischen Informationen beim Verpacken von Artikeln in Bündeln, Kartons und Paletten entsprechend verlinkt und gespeichert werden müssen. Dies hat Auswirkungen auf die technischen Anforderungen sowohl in Bezug auf die Datenverarbeitung als auch bezüglich der Vernetzung der einzelnen Verpackungsschritte.
Trotz dieser Unterschiede und Unsicherheiten ist Serialisierung inzwischen nicht mehr wegzudenken. Die Aufgabe besteht darin, eine Serialisierungsinfrastruktur aufzubauen, die über die reine Nummerierung der einzelnen Packungen hinausgeht. Ziel ist eine umfassende und durchgehend akzeptierte Behandlung von Packungsdaten, die nicht nur den verschiedenen Serialisierungsanforderungen entspricht, sondern auch die Effizienz der Lieferkette erhöht. Dabei spielen drei Schlüsselelemente eine Rolle.
1. Technische Lösung
Hier lautet die Antwort Standardisierung. Da dies jedoch anscheinend der geforderten Variabilität entgegensteht, benötigt die Industrie eine Lösung, die es ihr ermöglicht, von einer abwartenden zu einer vorbereiteten Haltung überzugehen. Technische Lösungen sollten vorzugsweise auf Standardkomponenten und -funktionen aufgebaut sein und eine größtmögliche Flexibilität aufweisen, um auch auf Anforderungen reagieren zu können, die derzeit möglicherweise noch gar nicht bekannt sind. Flexibilität und Modularität sind die Stichwörter. Nur durch den Einsatz hochstandardisierter, modularer Komponenten (sowohl in der System-Hardware als in der -Software), die eine schnelle und vielseitige Implementierung ermöglichen, kann ein Unternehmen auf harmonisierte, kosteneffektive und effiziente Weise eine Serialisierungsinfrastruktur in seinem Verpackungsprozess einrichten und gleichzeitig auf neue oder veränderte regulatorische Anforderungen reagieren.
2. Organisation
Eine tatsächlich globale Umsetzung erfordert neben der richtigen technischen Lösung auch Lieferanten, die eine solche Implementierung durchführen können. Der Bau einer Pilotlinie ist eine Sache; doch die Realisierung von 60 Linien in vier verschiedenen Regionen mit drei unterschiedlichen Aggregationsebenen in einem zeitlichen Rahmen von nur 18 Monaten erfordert einen völlig anderen Ansatz.
Zudem müssen die mit der Implementierung einer Serialisierung einhergehenden Nebenwirkungen beachtet werden. Die Realisierung einer Serialisierungslösung wirkt sich in den meisten Fällen auf die vorhandenen Verpackungslinien aus. Dies führt dazu, dass das Fertigungsmanagement den Änderungen an der Prozesstechnik und dem möglichen Einfluss auf die Gesamteffektivität der Verpackungslinien kritisch gegenübersteht – ganz abgesehen von den Auswirkungen, die die Umsetzung möglicherweise auf die laufende Produktion haben könnte. Die Zusammenarbeit mit Lieferanten, die mit solchen Überlegungen vertraut sind und die kritischen Bedingungen der Pharmaindustrie kennen, trägt dazu bei, potenzielle Risiken zu minimieren und die Implementierungskosten von Serialisierungslösungen zu senken. Sieht man sich schließlich den globalen Zeitplan für die Implementierung an (wobei die meisten Vorschriften zwischen Ende 2013 und Ende 2015 inkrafttreten werden), ist die weltweite Verfügbarkeit von ausreichenden und qualifizierten Ressourcen ein weiterer problematischer Aspekt.
Angesichts aller Rahmenbedingungen und Herausforderungen sucht die Industrie eher nach Partnern als nach reinen Lieferanten. Sie braucht Organisationen, die Verantwortung für die Realisierung ihrer Serialisierungsplattform zu übernehmen bereit sind – ungeachtet des Standorts, der Größe, der Ebene (Serialisierung oder Aggregation), der eingesetzten Technik oder der Anzahl der Sublieferanten.
3. Kosteneffektivität
Derzeit sieht die Industrie Produktserialisierung noch als eine obligatorische regulatorische Anforderung an, die das Budget belastet. Die direkten Auswirkungen der erforderlichen technischen Maßnahmen sind für den Ertrag des Unternehmens gleich Null. Dies gilt vor allem solange, wie in den nachgeschalteten Phasen (d. h. im Verkauf und bei der Verabreichung von Arzneimitteln) keine Verknüpfung mit der Serialisierung installiert ist. Nur mit Initiativen, mit denen die gesamte Lieferkette bis hin zu den Verkaufs- oder Verabreichungsstellen abgedeckt wird – wie in der vorstehend erwähnten SecurPharm-Initiative – kann es gelingen, die potenziellen Gefahren gefälschter Medikamente in den Griff zu bekommen.
Jedoch gibt es auch hier verschiedene Betrachtungsweisen. Die Serialisierung kann zu einer Optimierung der gesamten Lieferkette beitragen und damit einen direkten Einfluss auf die eingangs erwähnten geschäftlichen Aspekte haben. Eine Studie aus dem Jahr 2005 zeigt, dass die Akzeptanz der Serialisierung als Maßnahme zum Schutz vor Fälschungen besser wäre, wenn sie neben der Einhaltung von Vorschriften auch eine erhöhte Transparenz der Lieferkette bringen würde.
Damit dieses Potenzial genutzt und Serialisierung eher als Chance denn als reine Pflichterfüllung gesehen werden kann, müssen alle vorstehenden Bedingungen erfüllt werden: Eine Standardlösung, basierend auf Standardkomponenten, die jedoch mit höchster Flexibilität und Modularität konfigurierbar sind, verbunden mit der entsprechenden Serviceleistung, um eine wirklich globale Implementierung sowie den notwendigen Support über den gesamten Lebenszyklus zu ermöglichen.
Nur durch die Schaffung von Partnerschaften mit Lieferanten wie Siemens, die die genannten Anforderungen erfüllen, wird die Industrie in der Lage sein, die bevorstehende Serialisierungswelle zu bewältigen – und gleichzeitig die potenzielle Optimierung der Lieferkette auszuschöpfen. Seit die Vorschriften in der Pharmaindustrie in Richtung Produktserialisierung gehen, hat Siemens seine Kompetenz und Produkte genutzt, um eine optimale Lösung für die derzeitigen Anforderungen zu entwickeln. Heute kann das Unternehmen umfassende Lösungen sowohl für Serialisierung als auch für Aggregation anbieten.
prozesstechnik-online.de/php0411420
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