Bei sieben der zehn meistverkauften Arzneimittel 2018 handelt es sich bereits um biopharmazeutische Wirkstoffe, also gentechnisch hergestellte Arzneimittel. Der Anteil wird weiter zunehmen, denn mit biopharmazeutischen Medikamenten lassen sich Krankheiten wie Multiple Sklerose und Blutarmut, aber auch viele Krebsarten und seltene Krankheiten therapieren, die mit chemisch-synthetischen Wirkstoffen nicht behandelbar sind. Der therapeutische Erfolg hat aber einen Preis: Während es sich bei chemisch hergestellten Medikamenten um sogenannte „small molecules“ handelt, die vergleichsweise einfach zu produzieren und in Tablettenform erhältlich sind, bestehen biopharmazeutische Präparate in der Regel aus vielen Hunderten bis Tausenden Atomen. Die Herstellung von Biopharmazeutika ist daher hochkomplex: Sie erfolgt mithilfe von Mikroorganismen in Bioreaktoren, wird von teuren Versuchen nach dem „Trial-and-Error“-Prinzip begleitet und basiert auf Erfahrungswerten. Meiner Meinung nach fehlt es der biotechnologischen Industrie oftmals noch an tiefergehendem Prozesswissen.
Man weiß zwar, dass der Herstellungsprozess funktioniert, aber nicht warum und wie genau er vonstattengeht.
Computergestützte Simulationen sind der Schlüssel zum Prozesswissen und könnten die Prozesskette vom Labor zur Produktion erheblich beschleunigen. Derzeit am Markt verfügbare Simulationsprogramme eignen sich jedoch in der Regel nicht für eine routinemäßige Anwendung. Sie benötigen monatelange Berechnungszeiten, Simulationsexpertise und einen Großrechner. Hier setzt die Forschung an, die wir derzeit an der Technischen Universität Graz duchführen. Ich arbeite an einer neuen, anwendungsfreundlichen und schnellen Simulationssoftware, die die Prozesssimulation in der biopharmazeutischen Industrie etablieren soll. Mein System wird die Simulationszeit von Monaten auf Stunden verkürzen. Die Herstellung von Biopharmazeutika wird dadurch effizienter. Die Firmen benötigen weniger Versuche, um vom Labor in die industrielle Produktion zu kommen und ersparen sich zwischen dreihunderttausend und einer Million Euro.
Basis für die Software ist ein von mir entwickelter Simulationscode für gerührte und begaste Bioreaktoren. Dieses Programm simuliert zum Beispiel die Bewegungen von Mikroorganismen im Reaktor oder die Ausbreitung des aus den Luftblasen gelösten Sauerstoffs. Im Rahmen des Spin-off-Fellowship-Projekts ComBioPro (Computational BioProcess Design) werden künftig weitere Algorithmen in die Software implementiert, mit denen sich die physikalischen und biochemischen Prozesse im Bioreaktor noch genauer und benutzerfreundlicher abbilden lassen. Ziele sind unter anderem die Teilautomatisierung der Auswertung der Simulationsrohdaten sowie die Simulation sehr großer Luftblasen im Reaktor. Anhand der Simulationsergebnisse lassen sich dann rascher Design- und Produktionsentscheidungen treffen.
„Die Prozesssimulation gewährt einzigartige Einblicke in biopharmazeutische Produktionsprozesse. So könnten Unternehmen mehr Projekte in kürzerer Zeit durchführen.“