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Fleischersatzprodukte aus dem Extruder

Hybridmodell erlaubt Produktion texturierter Proteine HMMA und TVP
Fleischersatzprodukte aus dem Extruder

Coperion ist seit über 50 Jahren in der Lebensmittelextrusion tätig. In den Doppel- und Einwellenextrudern werden von Snacks über Cerealien bis hin zu Tierfutter eine Vielzahl an Produkten hergestellt. Aktuell liegen texturierte Proteine im Trend. Ob Hühnchenanaloga oder veganes Hackfleisch, Fleischersatzprodukte machen auch bei Coperion einen großen Teil des Food-Business aus, wie Stefan Gebhardt verrät.

Herr Gebhardt, vegetarische und vegane Ernährung liegen im Trend. Wofür benötigt man hier texturierte Proteinmassen?

Gebhardt: Wer sich bewusst ernähren und wenig oder gar kein Fleisch essen will, muss dennoch auf seine Proteinzufuhr achten. Das führt dazu, dass der Markt der Fleischersatzprodukte stetig wächst. Mit texturierten Proteinmassen lässt sich ein Mundgefühl und Geschmacksprofil wie bei echtem Fleisch erzeugen. Man unterscheidet dabei grundsätzlich zwischen dem Nasstexturat HMMA, High Moisture Meat Analogue, und dem Trockentexturat TVP, Texturised Vegetable Protein. Das TVP-Produkt gibt es schon lange auf dem Markt. Es wurde in der Vergangenheit z. B. als Meatextender, also als Zuführmittel für billigere Burger-Patties eingesetzt. Gut aufbereitet, kann TVP beispielsweise Hackfleisch auch ganz ersetzen. Das TVP wird nach der Produktion trocken gelagert und für die Weiterverarbeitung teilweise erneut mit Wasser versetzt. Die ersten marktreifen Produkte aus dem Nasstexturat HMMA gibt es seit ungefähr acht Jahren und sie sind schwer im Kommen. Nasstexturierte Proteine finden beispielsweise Anwendung in Chicken Chunks; das sind Hähnchenstreifen, die auf Pflanzenproteinen basieren. Das feuchte HMMA ist ein Produkt für die Kühltheke mit einer limitierten Haltbarkeit bis maximal 25 Tage.

Welche Rohstoffe werden für die Fleischersatzprodukte verwendet?

Gebhardt: Soja- und Erbsenprotein oder Mischungen aus diesen beiden machen den größten Anteil aus. Wir haben aber auch schon Weizen-, Kürbis- oder Lupinenproteine verarbeitet. Grundsätzlich eignen sich alle Pflanzenproteine, die in entsprechenden Mengen verfügbar sind, in Pulverform zur Verfügung gestellt werden können und für das Endprodukt geschmacklich interessant sind. Die Proteine sollten zudem kontinuierlich in großen Mengen zu beschaffen sein. Das trifft auf Soja zu, daher wurde dieses Produkt bislang am häufigsten verwendet. Um sich vom reinen Sojaprodukt zu differenzieren, kommen aktuell vermehrt andere Proteine wie Kürbis- oder Algenproteine hinzu. Nicht zu unterschätzen ist dabei, dass sich die Produkte in der Farbe und im Geschmack deutlich unterscheiden. Auch Bissfestigkeit und Faserigkeit sind verschieden. Kürbisprotein beispielsweise ergibt ein dunkles Texturat. Die Farbigkeit kann durch Zuschlagstoffe korrigiert werden. Für eine erhöhte Fasertextur werden kleine Mengen Fasern dazugegeben, z. B. Soja- oder Erbsenfasern, Weizenfasern etc. meist passend zum Grundstoff.

Warum ist gerade die Extrusion für die Herstellung von Fleischersatzprodukten interessant?

Gebhardt: Der Extruder an sich ist eine hervorragende kontinuierliche Mischmaschine. Auch können die Temperaturen im Prozess exakt eingestellt werden. Bei der Texturierung liegen sie teilweise über 100 °C. Durch die kontinuierliche Herstellweise lassen sich große Durchsatzmengen realisieren. Wir setzen auf das eingeführte Maschinenkonzept des ZSK-Food-Extruders. Der Doppelschneckenextruder ist so gebaut, dass man unterschiedliche Stoffe wie Flüssigkeiten, Trockenstoffe und Aromen während des Prozesses an verschiedenen Stellen dazugeben kann oder dass man Dinge aus dem Prozess herausnehmen kann, z. B. flüchtige Bestandteile, Gase usw. Gerade für die texturierten Proteine gibt es viele Zusätze, die über den Extruder oder später im Prozess zugegeben werden, sodass beispielsweise das Hühnchenersatzprodukt nach Hühnchen schmeckt.

Gibt es eine Besonderheit bei der Verarbeitung der Proteine?

Gebhardt: Der Doppelschneckenextruder ZSK Mv Plus eignet sich sehr gut für die Verarbeitung der Proteine. Die Maschine selbst musste hierzu nicht verändert werden. Der besondere Vorteil ist sogar, dass eine Maschine sowohl für die Erzeugung von HMMA als auch von TVP verwendet werden kann. Den Granulieraufsatz für den Trockentexturatbereich hatten wir bereits im Programm, da dieser auch für Snackprodukte und Tierfutter eingesetzt wird. Die Kühldüse für den Nasstexturatbereich haben wir speziell entwickelt, ebenso wie eine Vorrichtung, mit der die Kunden, die beide Verfahren nutzen, schnell zwischen TVP- und HMMA-Aufsatz wechseln können. Dazu wird die Granuliereinrichtung einfach weggeklappt, sodass die Kühldüse an den Ausgang des Extruders angeschlossen werden kann. Die Schneckenkonfiguration kann aus einem Baukasten ausgewählt oder an das Produkt speziell angepasst werden.

Allerdings handelt es sich bei den Proteinen teilweise um sehr feine, klebrige und daher schwierig dosierbare Pulver. Wir bauen daher auf die Dosiereinrichtungen von Coperion K-Tron für den Lebensmittelbereich, die mit solchen Rohstoffen keine Probleme haben. Um eine Brückenbildung oder ein Anlagern an den Geräteoberflächen der Doppelschneckendosierer zu vermeiden, kommen bei den Proteinanwendungen standardmäßig Fließhilfen wie der Actiflow zum Einsatz. Das intelligente Actiflow-Gerät überträgt sanfte Vibrationen auf die Trichterwand und aktiviert so das enthaltene Schüttgut.

Kommen alle Komponenten für den Prozess aus dem Hause Coperion?

Gebhardt: Für das Pulverhandling werden Komponenten von Coperion K-Tron aus der Schweiz verwendet. Die Granulierung bzw. die Kühldüse kommt von uns und die nachfolgenden Produkte, z. B. Trockner werden zugekauft. Der Kunde kann entscheiden, ob er die Komponenten selbst zusammenstellt oder ob wir das gesamte Package liefern.

An welcher Stelle im Gesamtprozess steht die Extrusion?

Gebhardt: Der Extruder ist sozusagen das Herzstück des Prozesses. In einem vorgelagerten Prozess wird aus landwirtschaftlichen Produkten wie Soja oder Erbsen ein Pulver erzeugt. Dazu werden die Pflanzenprodukte gesäubert, entfettet, getrocknet und gemahlen. Das pulverförmige Protein ist dann die Rohware, die über die Dosiereinrichtung in den Extruder gelangt. Der zweite wichtige Bestandteil ist Wasser, für TVP bis etwa 30 % der Rohmasse und für HMMA zwischen 60 und 70 %. Darüber hinaus kann man verschiedene Additive zugeben, beispielsweise Fasern, um eine bessere Texturierung zu erlangen. Die Verweildauer im Extruder beträgt zwischen 30 und 90 s, die Temperatur bis über 100 °C. Das Trockentexturat TVP wird am Ende des Extruders zu Granulat geschnitten und dann meist gekühlt und getrocknet. Das Nasstexturat HMMA kommt nach dem Extruder direkt in die Kühldüse, um die Faserigkeit auszubilden. Anschließend wird der aus der Düse austretende Strang geschnitten. Um ein natürliches Aussehen beipielsweise von Hühnchenfleisch zu erhalten, kann es auch nach dem Extrudieren aus der Düse gerissen werden.

Wie werden die texturierten Proteine weiterverarbeitet?

Gebhardt: Sowohl TVP als auch HMMA sind nur Zwischenprodukte nach der Extrusion, die anschließend geschmacklich verändert und in die entsprechende Endgröße und Form gebracht werden. Manche Produkte werden noch mal aufgekocht, bevor sie weiterverarbeitet werden. TVP kann analog zu Fleischprodukten nach dem Extruder über einen Kutter verarbeitet werden. Aus der Masse werden dann z. B. ‚Fleischbällchen’ geformt.

An welcher Stelle im Prozess werden idealerweise die Aromen zugegeben?

Gebhardt: Wann die Zuschlagstoffe wie Aromen zugegeben werden, ist nicht nur abhängig vom Produktionsprozess, sondern auch von den Eigenschaften der Stoffe. Sind die Aromastoffe temperaturempfindlich, können sie erst nach dem Erhitzen dazugegeben werden, d. h. am Ausgang des Extruders oder danach. Die ZSK Food Extruder sind modular aufgebaut und dadurch extrem flexibel. Wir können an beliebig vielen Stellen Bestandteile zugeben oder herausnehmen. Die Maschinen werden für jeden Prozess speziell konfiguriert. Das Besondere an den Maschinen ist, dass dieselbe Maschine mit zwei Endgeräten ausgestattet und sowohl HMMA als auch TVP produziert werden kann. Im Prinzip müssen Sie nur das Equipment nach dem Extruder tauschen. Wasser und Pulverdosierung können, wenn sie entsprechend ausgelegt sind, für beide Prozesse weiter verwendet werden.

Welche Durchsatzmengen lassen sich im ZSK Food Extruder erreichen?

Gebhardt: Im Laborbereich fangen wir an mit dem ZSK 27 Mv Plus, das bedeutet, ein Extruder mit einem Schneckendurchmesser von 27 mm. Damit kann man etwa 3 bis 5 kg/h HMMA oder 15 bis 20 kg/h TVP produzieren. Im kontinuierlichen Produktionsbetrieb liegt der Durchsatz dann bei rund 500 kg/h für HMMA und bei bis zu 2000 kg/h für TVP. Die größte Maschine hat aktuell einen Schneckendurchmesser von 125 mm.

Wie finde ich heraus, welche Maschine und welches Verfahren für mein Produkt die besten sind?

Gebhardt: Wenn der Kunde das wünscht, machen wir Versuche in unserem Testcenter sowohl mit unterschiedlichen Maschinenkonfigurationen als auch mit unterschiedlichen Rohstoffen.

Welchen Trend nehmen Sie als Nächstes in den Fokus?

Gebhardt: Im Moment ist das Thema Pflanzenproteine und die daraus entstehenden Produkte unser Hauptfokus. Ansonsten gibt es im Lebensmittelbereich viele Prozesse, die von der Batch-Herstellung auf die kontinuierliche Herstellung umgestellt werden könnten. Hier sehe ich noch viel Potenzial für den Extruder als kontinuierliche Misch- und Knetmaschine. Bei größerem Durchsatz lässt sich der Platz für die Produktion nahezu halbieren. Wichtig ist, dass der Kunde dafür bereit ist.

www.prozesstechnik-online.de

Suchwort: Coperion

Halle 4, Stand 306


DAS INTERVIEW FÜHRTE FÜR SIE Daniela Held

Redakteurin


„Der Extruder ist eine hervorragende kontinuierliche Mischmaschine und es gibt noch viele Prozesse, die von der Umstellung auf ein kontinuierliches Verfahren profitieren.“


Der ZSK Mv Plus zeichnet sich durch ein großes freies Schneckenvolumen aus

Kurzcharakteristik:   Doppelschneckenextruder

Der Doppelschneckenextruder ZSK Mv Plus bietet optimale Bedingungen für die Extrusion zahlreicher Lebensmittel- und Tiernahrungsprodukte. Die Baureihe vereint ein großes freies Schneckenvolumen mit hohen Schneckendrehzahlen und einem hohen spezifischen Drehmoment. Sein Verfahrensteil besteht aus mehreren Gehäuseelementen, in denen zwei gleichsinnig drehende Schnecken arbeiten. Die ineinandergreifenden, dicht kämmenden Schnecken mit extrem engem Dichtprofil verhindern, dass strömungsarme Zonen entstehen – über die gesamte Länge des Verfahrensteils. Das Ergebnis sind ein konstant hoher Förderwirkungsgrad und die perfekte Selbstreinigung. Die komplette Baureihe umfasst zahlreiche Baugrößen und ermöglicht damit die Verarbeitung in jedem erforderlichen Durchsatzbereich – vom Labor- bis zum Produktionsmaßstab.


 

Videointerview:

prozesstechnik.tv: Stefan Gebhardt, General Manager Sales and Strategy bei der Coperion GmbH, erläutert die Bedeutung der Extrusion bei der Herstellung von Fleischalternativen. Außerdem beschreibt er Aufbau, Funktionsweise und Vorteile des ZSK-Extruders im Hybrid-Design.

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