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Potenziale von Industrie 4.0 für Messgeräte nutzen

Aktueller Stand und zukünftige Entwicklung
Potenziale von Industrie 4.0 für Messgeräte nutzen

Vor rund zehn Jahren wurde der Begriff Industrie 4.0 auf der Hannover Messe erstmals an die Öffentlichkeit getragen. Seitdem sind für die Prozessindustrie zahlreiche Lösungsansätze entstanden. Endress+Hauser erschließt mit einem entsprechenden Programm zusammen mit Anwendern und Partnern das Potenzial von Industrie 4.0 für die Nutzung von Messgeräten. Was ist in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie heute bereits möglich und wo geht die Reise hin?

 

Ein moderner Produktionsbetrieb verfügt, abhängig von Größe und Branche, über ca. 50 bis 2000 Messstellen, um seine Produktionsprozesse zu messen, zu steuern, zu automatisieren und sicher zu machen. Die Messgeräte können heute schon neben den eigentlichen Messwerten weitere Daten und Informationen liefern, die aber nach Feststellung von Endress+Hauser zu 97 % nicht genutzt werden. Die Ursachen dafür sind u. a. die fehlende Konnektivität, um die Daten aus den Geräten herauszubekommen und der hohe Engineeringaufwand, den es bedarf, um diese zu interpretieren.

Hier setzt das Industrie 4.0 Programm von Endress+Hauser an, indem es aufeinander abgestimmte intelligente Prozesssensoren, Cloud Apps, Schnittstellen und Konnektivitäts-Komponenten kombiniert und in praxisorientierte Lösungspakete übersetzt. Besonders relevant für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie sind beispielsweise die Lösungspakete für den Anlagenüberblick, die Anlagenüberwachung und das mobile Asset Management.

So werden Sensoren smart

Das Industrie 4.0 Programm macht die Daten der smarten Feldgeräte verfügbar. Doch wodurch wird ein Feldgerät zu einem „smarten Sensor 4.0“? Hier spielen Kommunikationskonzepte eine wichtige Rolle. Integrierte Webserver ermöglichen bereits heute eine direkte Bedienung und einen Datenaustausch mit einem Laptop. Der Kommunikationsstandard OPC UA erlaubt herstellerübergreifend die Einbindung von Mess- und Zustandsdaten in nachgelagerte Geschäftsprozesse. Auch das Produktportfolio an Geräten mit Ethernet-basierten Feldbussen wächst stetig.

Ein weiteres Kriterium, das einen Sensor zum smarten Sensor macht, sind geräteinterne Prüffunktionen. So bieten Messgeräte mit Heartbeat Technology Diagnose-, Verifikations- und Monitoringfunktionen, die mit datenbasierten Meldungen und Warnhinweisen Mehrwerte schaffen und eine vorausschauende Wartung ermöglichen. Besonders hilfreich zur Führung stabiler Prozesse in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie sind zusätzliche Informationen zur Gasblasen-, Schaum oder Belagsbildung. Beispielsweise können die Radar-Füllstandsmessgeräte Levelflex und Micropilot Schaumbildung zuverlässig erkennen.

Die Messgeräte nutzten die geräteinternen Daten auch zur permanenten Selbstüberwachung. So ist eine Verifikation ohne Prozessunterbrechung möglich. Als dokumentierte Prüfung kann sie auch herangezogen werden, um Prozesse zu triggern, für die z. B. die exakte Zudosierung von Rezepturbestandteilen essenziell für die Produktsicherheit ist – die Produktion läuft hier erst weiter, wenn das Gerät sich verifiziert hat.

Ein weiteres Beispiel für einen smarten Sensor ist das selbstkalibrierende Thermometer Itherm Trustsens. Dieses kalibriert sich beim Unterschreiten einer bestimmten Temperatur vollautomatisch selbst und gewährleistet dadurch die permanente Sicherheit von kritischen Produktionsprozessen.

Somit stehen Lebensmittel- und Getränkeherstellern zahlreiche Möglichkeiten offen, smarte Sensorik über alle Messparameter in die Produktionsanlagen zu verbauen, an die Daten der Feldgeräte zu gelangen und mit verschiedenen Lösungspaketen direkt von der digitalen Technik zu profitieren.

Anlagenüberblick

Bisher waren eine intensive Recherche und ein hoher manueller Aufwand erforderlich, um installierte Messgeräte einer Anlage für die Lebensmittel- oder Getränkeproduktion zu erfassen. Hinzu kam die mühselige Pflege der Dokumentation der installierten Feldgeräte. Indem die einzelnen digitalen Tools aus dem IIoT-Ökosystem Netilion kombiniert werden, lassen sich die installierten Assets effizient verwalten.

Die kostenlose Scanner App Netilion vereinfacht die manuelle Erfassung der installierten Basis (Hard-und Software). Die wesentlichen Daten des Feldgeräts lassen sich über einen QR-Code oder einen RFID-Chip einscannen. Zusätzliche Informationen wie die Lokalisierung der Messstelle können schnell und mühelos festgelegt werden. Mithilfe des Edge Device werden die Messgeräte sogar automatisch erfasst. Die Plug-and-play-Lösung lässt sich schnell installieren und stellt eine sichere Datenverbindung zum Netilion Hub her. Alle Änderungen an der installierten Basis werden fortlaufend automatisch erfasst. Dashboards in Netilion Analytics erleichtern die schnelle Auswertung der installierten Feldgerätebasis. Das ermöglicht eine hohe Transparenz. Entscheidungen können zukünftig aufgrund valider Daten schneller und sicherer getroffen werden. Hier werden auch Informationen über die Verfügbarkeit der Geräte angezeigt. Bei einem ausgemusterten Gerät wird auf Anhieb das geeignete Nachfolgeprodukt empfohlen. In Netilion Library ist die Dokumentation der erfassten Geräte jederzeit verfübar. Hier entsteht ein digitaler Zwilling der Messstelle, der die historischen Lebenszyklusdaten und -dokumente aus dem Entwicklungs- oder Herstellungsprozess beinhaltet.

Anlagenüberwachung

Bei kritischen Ausfällen kommt es auf kurze Reaktionszeiten an. Eine zeitaufwendige Interpretation von Fehlermeldungen und das Suchen nach der relevanten Behebungsmaßnahme sind teuer. Dagegen vereinfacht eine automatische Interpretation der Geräte-Diagnoseinformation den Wartungseinsatz.

Die Gerätewartung wird dank integrierter Lösungen und klarer Handlungsempfehlungen sehr effizient. Die Ermittlung des Gerätestatus und seine Einstufung nach NE107 ist dank Heartbeat Technology in den Feldgeräten präzise. Das Edge Device leitet den Status und die Fehlerdiagnose über eine sichere Datenautobahn an den Onlinedienst Netilion Health weiter. Auf diese Weise sind alle Informationen zentral verfügbar. Der Onlinedienst Netilion Health unterstützt den Anwender mit über 25 000 Gerätediagnosen. Er zeigt zu den einzelnen Statusmeldungen den Diagnosecode, die Ursache und Handlungsempfehlungen an. Die mühsame Fehlerinterpretation entfällt. Jede Fehlermeldung kann schnell und zielgerichtet bearbeitet werden. Dank der durchgängigen Zustandsüberwachung und der Übersicht nach NE107 lassen sich Wartungsmaßnahmen analysieren und optimieren.

Mobiles Asset Management

Die Zeiten, in denen Dokumente gesucht und manuell abgelegt werden mussten, sind dank Netilion Library vorbei. Wird zudem Netilion Library mit dem Tablet PC Field Xpert SMT7x kombiniert, vereinfacht sich nicht nur die Dokumentation der Instandhaltung, sondern auch die Wartung selbst.

Field Xpert und Netilion Library erzielen eine papierlose Wartung und Pflege über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Mit dem Field-Xpert-Industrie-Tablet ist die Konfiguration von Geräten unterschiedlicher Hersteller über verschiedene Schnittstellen möglich. Dazu gehören auch die WLAN- oder Bluetooth-Schnittstellen der Feldgeräte – und dies auch im Ex-Bereich. Durch die Anbindung des Field Xpert an den Onlinedienst Netilion Library wird automatisch ein digitaler Zwilling angelegt. Dabei werden die in Netilion erfassten Feldgeräte mit spezifischen Dokumenten wie Betriebsanleitungen oder technischen Informationen aus den Herstellerdatenbanken verknüpft. Endress+Hauser stellt dazu die Datensätze von über 40 Millionen installierten Feldgeräten zur Verfügung. Dank der Verlinkung zwischen Field Xpert und Netilion ist ein nahtloser Wechsel vom Konfigurationsmenü zur Gerätedokumentation oder umgekehrt möglich. Das Tablet hält die Wartung und Dokumentation der Feldgeräte über ihren kompletten Lebenszyklus hinweg im Blick. Geräteberichte und Bilder vom Messgerät werden automatisch im Netilion Library Account abgelegt. Im Offline-Modus werden Wartungstätigkeiten auch ohne Internetanbindung nachverfolgbar aufgezeichnet.

Datensicherheit sichergestellt

Das Thema Sicherheit spielt eine zentrale Rolle, die über Erfolg und Misserfolg der Digitalisierung in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie entscheidet. Daher hat Endress+Hauser das IIoT-Ökosystem Netilion nach den höchstmöglichen industriellen Sicherheitsanforderungen für Cloud-Computing zertifizieren lassen. Auch die eingesetzte Bluetooth-Kommunikation zwischen Feld- und Mobilgerät weist eine deutlich höhere Sicherheitsstufe als Wireless HART oder ein WiFi-Router mit WPA2 auf, wie das Fraunhofer Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit (AISEC) bestätigt.

Zusammenfassung und Ausblick

Für die erfolgreiche Realisierung von Industrie 4.0 in der Prozessautomatisierung sind smarte Sensoren unabdingbar. Viele Innovationen bei Hard- und Software haben die Wirkung von Feldgeräten im Bereich der Informatisierung steigern können. Zwar ist Industrie 4.0 in der Lebensmittel- und Getränkebranche noch lange nicht flächendeckend umgesetzt. Doch es liegen schon viele interessante Lösungsansätze vor, Pilotprojekte werden erfolgreich umgesetzt und einzelne Anlagen sind schon intelligent vernetzt.

In der Lebensmittel- und Getränkebranche wird das Projekt Industrie 4.0 mosaikartig zusammenwachsen. Viele Einzelelemente sind nicht neu, jedoch bedarf es weiterhin vieler kluger Köpfe und Innovationstreiber, die das Potenzial zur Reife bringen. Daher sind große Anstrengungen zur Aus- und Weiterbildung sowie ein Ausbau des Kenntnisstandes über Anforderungen und Nutzen von digitaler Kommunikation in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie genauso wichtig wie technische Innovationen.

Endress+Hauser (Deutschland) GmbH+Co. KG, Weil am Rhein


Autor Tim Schrodt

Branchenmanager Lebensmittel,

Endress+Hauser Deutschland


Forschung und Praxis:  Cyber-physische Systeme

Einen weiteren Beitrag zur Digitalisierung kann Messtechnik in cyber-physischen Systemen (CPS) liefern. Die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe arbeitet u. a. mit Unterstützung von Endress+Hauser an einem Projekt, das eine Kurzzeiterhitzungsanlage (KZE) für Getränke als CPS betreibt. In der heutigen Praxis wird der Erhitzungsprozess mit einem stark idealisierten Steuerungsmodell und hohen Sicherheitszuschlägen gefahren, was zulasten von Ressourcen und Produktqualität geschieht. Als Lösungsansatz für eine optimierte KZE-Steuerung wird während der Produktion das Produkt mittels Online-Analysemesstechnik vor und nach der Erhitzung charakterisiert und die Heißhaltetemperatur und -zeit mittels cloudbasierter Datenbank auf den potenziellen Schadmikroorganismus individuell an das Produkt angepasst. Dadurch erhält das Produkt die maximale mikrobiologische Sicherheit bei minimaler thermischer Belastung.

In der Praxis findet man z. B. in einer süddeutschen Molkerei solch ein CPS in der Überwachung der Brauchwassereinleitung in den benachbarten Fluss. Dabei werden die Menge und Temperatur des einzuleitenden Wassers erfasst und mit Informationen aus dem Internet zu Pegelstand und Abfluss dokumentiert. Das System versendet automatisch die Berichte an das Wasserwirtschaftsamt.

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