Seit 20 Jahren wird das Thema Feldbus in der Prozessindustrie diskutiert. Am Anfang stand der große Hype, am Ende doch eher Ernüchterung. Die Marktdurchdringung der Feldbusse beträgt heute – nach 20 Jahren – gerade einmal 10 % plus ein paar Zerquetschte und gilt damit eigentlich als Fehlschlag. Das wird nicht jeder so sehen, bei der Namur war man sich aber einig: So etwas darf nicht nocheinmal passieren. Mit APL bietet sich jetzt eine zweite Chance, die Digitalisierung in der Prozessindustrie auf allen Ebenen voranzubringen. Was braucht es dazu? Drei Dinge: APL als Datenautobahn, FDI zur Gerätebeschreibung und Profinet Profil 4.0 bzw. EthernetIP als Kommunikationsprotokoll. Auf diese Basiskonfiguration hat sich die Namur jetzt festgelegt. Das Ziel: Die Digitalisierung bis in die Feldebene zu schaffen und das so einfach wie möglich. Auf dem Weg dorthin sind noch einige Hürden wie beispielsweise die Versionsverwaltung der Software oder das Netzwerkmonitoring zu nehmen. Und sicherlich sind auch noch einige Dinge zu definieren. Aber das Basis-Rüstzeug ist vorhanden und damit die neue Technologie startklar für erste Pilotprojekte wie bei der BASF. Was die Zukunft bringt, ist unklar, beispielsweise der Einsatz von OPC UA in der Prozessführung oder NOA im Gerät. Doch eins ist für Felix Hanisch klar: „Wenn wir es diesmal nicht hinbekommen, wird HART der einzige digitale Standard in der Prozessindustrie auf Jahre bleiben.“ Deshalb hat man sich mit der Profibus Nutzerorganisation auch einen Partner für die Verbreitung von APL und dem anderen Rest ins Boot geholt.
Sattes Vortragsprogramm
An den Plenumsvorträgen nahmen rund 300 Interessierte teil. Den Vortragsreigen eröffnete Felix Hanisch mit seinem Jahresbericht. Moderner und zeitgemäßer möchte sich die Namur in Zukunft präsentieren, um junge Elektrotechniker und Ingenieure anzusprechen. Dazu wird es demnächst einen neuen Webauftritt der Namur geben und auch das Logo erhält ein modernes Outfit.
Hanisch verabschiedete auch Dr. Bernd Beßling aus dem Namur-Vorstand in den verdienten Ruhestand. Den Posten des BASF‘lers übernimmt Tobias Schlichtmann, ebenfalls BASF.
Den Anfang der Fachvorträge machte Dr.-Ing. Andreas Schüller mit dem Thema „Warum sind standardisierte Informationsmodelle der Schlüssel für eine erfolgreiche Digitalisierung?“. In den letzten Jahren ist das Thema „Informationsmodelle“ immer mehr in den Fokus gerückt. In seinem Vortrag versuchte er die Zuhörer dahingehend fit zu machen, dass sie zukünftig bei Themen wie Digitalisierung und Verwaltungsschale mitdiskutieren können. Gleichzeitig weckte er Verständnis dafür, warum bei Digitalisierungsprojekten so viel Zeit in ein sinnvolles Informationsmodell gesteckt werden sollte.
Nachhaltige Automatisierung
Energieeffizienz, CO2-Neutralität und Nachhaltigkeit standen anschließend im Vortrag von Felix Buss und Stefan Krämer (beide Bayer) im Vordergrund. Sie beschäftigten sich mit den Anforderungen an Automatisierung und Digitalisierung in Zeiten der Energiewende. Vor allem in der Prozessindustrie kann hierzu ein Beitrag mit den Schwerpunkten der Reduktion der CO2e-Emissionen auf Netto-Null und der Ressourceneffizienz geleistet werden. In ihrem Vortrag beleuchteten sie das Thema Nachhaltigkeit, zeigten an Beispielen, wie man den CO2-Ausstoß bewertet und ihn unter anderem durch Energiesparmaßnahmen reduzieren kann. Allerdings äußerten sie auch, dass die Automatisierung von Anlagen mit den möglichen Effizienzpotenzialen es nicht alleine schafft, diese Ziele zu erreichen. Ein großer Teil des Weges zur CO2-Neutralität wird durch Neuanlagen und neue Synthesewege gegangen werden müssen.
Startschuss für APL
Sven Seintsch (Bilfinger Engineering & Maintenance) beleuchtete dann noch den Fortschritt bei APL, der als physikalische Schnittstelle für Feldgeräte unmittelbar vor der Einführung steht. Erste erfolgreiche Tests bei Anwendern haben bereits stattgefunden. „Wesentlicher Erfolgsfaktor des zukünftigen Kommunikationsmediums in der Feldebene wird neben der physikalischen Schnittstelle aber die Funktionalität, Einfachheit und Benutzerfreundlichkeit des Gesamtsystems sein“, so Seintsch. Die hierfür notwendigen Anforderungen hat der AK 2.6 in verschiedenen Positionspapieren und Namur-Empfehlungen veröffentlicht, und mit Herstellern und Organisationen diskutiert. Dabei wurden sowohl bevorzugte Topologien, Kommunikationsprotokolle, Geräteintegration sowie die zukünftigen Anforderungen an die Anwendung von APL-Geräten in der funktionalen Sicherheit betrachtet.
Namur auf der Achema 2022
Auch auf der Achema 2022 wird die Namur vertreten sein, um für APL und den anderen Rest zu werben. So werden MTP und NOA ebenfalls mit von der Partie sein. Mögliche Anlaufstellen auf der Messe sind der Digital Hub sowie Automation im Dialog. Ende Februar soll es auf jeden Fall noch ein eigenes Event zu MTP geben. Bitte schon mal vormerken. (br)