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Grüner Wasserstoff aus Down Under

Grüner Wasserstoff aus Down Under
Australische Sonne für Deutschland

Im Vergleich zu vielen anderen Regionen der Erde ist Deutschland nicht gerade von der Sonne verwöhnt – auch wenn der badische Wein damit wirbt. In Australien scheint die Sonne in vielen Regionen doppelt so häufig wie bei uns. Damit ist das Land ideal geeignet, erneuerbaren Strom aus Sonnenenergie zu erzeugen und diesen in Form von grünem Wasserstoff (GH2) nach Deutschland zu transportieren.

 

Mit durchschnittlich 1650 Sonnenstunden gilt das Jahr 2021 bei uns als sonnenscheinreich. Ein Blick in den Norden Afrikas, relativiert das Ganze: Im Vergleich kommt beispielsweise Marokko auf etwa 3200 Sonnenstunden pro Jahr. Absoluter Spitzenreiter ist allerdings ein Ort in den USA. Die knapp 100000 Einwohner der Stadt Yuma in Arizona können über 4000 Stunden Sonne im Jahr genießen. Falls Sie also den Bau einer Solaranlage planen, wäre Yuma eine gute Adresse. Wenn Sie allerdings grünen Wasserstoff produzieren möchten, haben Sie ein Problem: In dem ariden Klima konkurrieren Sie mit der Wasserversorgung für Mensch und Tier.

Grüner Wasserstoff

Zur grünen Wasserstoffproduktion benötigt man grundsätzlich drei Dinge: eine grüne Energiequelle (z.B. Wind- oder Sonnenenergie), einen Elektrolyseur und natürlich Wasser. Aber nicht irgendeine Brühe, die aktuellen Elektrolyseure benötigen sehr sauberes Süßwasser, um via Elektrolyse dieses in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen zu können. Viele Standorte auf der Erde sind sonnig oder windig oder beides, die Wasserstofferzeugung scheitert aber häufig am nicht vorhandenen Wasser. Die Elektrolyse aus Meerwasser wäre eine Alternative, liegen doch viele sonnenscheinreiche Gebiete wie Namibia an der Küste. Leider zerfrisst das bei der Elektrolyse von Salzwasser entstehende Chlor die Elektroden in Nullkommanix. Zwar gibt es erste Erfolge, die Elektroden zu inertisieren, von einem großtechnischen Einsatz sind die Forscher allerdings noch weit entfernt.

Wasserstoffdiplomatiebüros

Deutschland hat mittlerweile einige aussichtsreiche Kandidaten für die Lieferung von Wasserstoff ausgemacht und dort sogenannte Wasserstoffdiplomatiebüros errichtet. Hört sich etwas sperrig an, wird aber von der deutschen Rechtschreibung so abgedeckt. Wasserstoffdiplomatiebüros gibt es beispielsweise in Nigeria und Saudi-Arabien. Auch in der Ukraine wurde Anfang des Jahres ein Büro eröffnet, aus bekannten Gründen bietet sich dieses Land derzeit nicht als Wasserstofflieferant an. Aufgabe der Wasserstoffdiplomatiebüros ist es, den Dialog mit strategischen Partnerländern auszubauen. Dabei geht es z.B. um den Aufbau des internationalen Wasserstoffmarktes und wie die Zusammenarbeit vertieft werden kann, um dessen Chancen zu nutzen.

Australien im Fokus

Große Hoffnungen setzt unsere Politik auf Australien. Die Bundesrepublik und Australien hatten im Juni 2021 auf dem G7-Treffen ein Wasserstoff-Abkommen unterzeichnet, um „den Import von nachhaltig produziertem Wasserstoff in großen Mengen zu ermöglichen.“ Dementsprechend haben einige deutsche Unternehmen bereits Verträge mit australischen Unternehmen geschlossen: Covestro hat Anfang des Jahres mit Fortescue Future Industries (FFI) einen Vertrag über die Lieferung von 100000 t Wasserstoff abgeschlossen, Eon vor Kurzem gar über 5 Mio. t Wasserstoff. FFI hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 15 Mio. t pro Jahr grünen Wasserstoffs zu produzieren. Im darauffolgenden Jahrzehnt soll die Produktion dann auf 50 Mio. t pro Jahr ansteigen. Der Kontinent könnte sich zum größten Wasserstofflieferanten weltweit entwickeln und damit wegbrechende Kohleexporte kompensieren.

Australien liefert Sonne nach Deutschland

FFI-Chairman Dr. Andrew Forrest und Covestro-Vorstandsvorsitzender Dr. Markus Steilemann gaben gemeinsam ihre Absichtserklärung über die Lieferung von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten, einschließlich grünem Ammoniak, bekannt. Laut der Absichtserklärung werden FFI und Covestro an einer Liefervereinbarung arbeiten, nach der FFI Covestro mit dem Äquivalent von bis zu 100 000 t GH2 pro Jahr beliefern soll. Mit dieser Vereinbarung könnte Covestro grauen Wasserstoff und seine Derivate durch GH2 ersetzen und somit seine Treibhausgasemissionen um bis zu 900 000 t CO2 pro Jahr reduzieren. Die Lieferungen sind für die Produktionsstandorte in Asien, Nordamerika und Europa vorgesehen und könnten 2024 beginnen.

„Die Zusammenarbeit unterstreicht, welche Kraft grüner Wasserstoff hat, um die Dekarbonisierung energieintensiver Industrien weltweit zu beschleunigen“, sagt Forrest. „Wir freuen uns darauf, mit Covestro und mit Deutschland zusammenzuarbeiten, damit es zum weltweiten Vorreiter bei der Dekarbonisierung, grünem Wasserstoff und Ammoniak wird.“

Dr. Markus Steilemann, Vorstandsvorsitzender von Covestro, ergänzt: „Grüner Wasserstoff und seine Derivate spielen für die chemische Industrie eine wichtige Rolle – sowohl als alternativer Rohstoff als auch als Quelle für saubere Energie. Der Übergang zur Nutzung von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten ist ein wesentlicher Schritt bei unseren Bemühungen, nachhaltigere Produkte anzubieten, die wiederum die CO2-Bilanz unserer Kundenbranchen verringern.“

Weg von russischem Gas

Mit dem Energiekonzern Eon hat FFI einen zweiten Partner aus Deutschland gefunden, der Wasserstoff in großem Stil nach Deutschland und Europa bringen will. Die Partnerschaft fällt in eine Zeit, in der Europa seine Energieabhängigkeit von Russland so schnell wie möglich verringern will. 5 Mio. t pro Jahr an erneuerbarem Wasserstoff entsprächen etwa einem Drittel der Heizenergie, die Deutschland bisher aus Russland importiert hat. Auch hier sollen erste Lieferungen des grünen Wasserstoffs sollen Deutschland bereits 2024 erreichen, kündigt Eon-Vorstand Patrick Lammers an: „Wir verlieren keine Zeit.“ Eon habe die Netze und die Kunden für den grünen Energieträger, FFI könne ihn aus erneuerbaren Energien gewinnen und dann gen Europa verschiffen, so der Eon-Vorstand.

Habeck sieht Wettlauf um Wasserstoff

Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle bei den Plänen der Bundesregierung für eine Beschleunigung der Energiewende in Deutschland. „Der Wettlauf um die Produktion und den Transport von grünem Wasserstoff im großen Maßstab hat Fahrt aufgenommen“, sagt Wirtschaftsminister Robert Habeck: „Die Vereinbarung zwischen Eon und FFI ist ein wichtiger Schritt.“ Beide Unternehmen seien nun in der „Pole Position“, um die deutsche Industrie mit grünem Wasserstoff zu beliefern.

Wasserstoffbrücke rund um den Globus

Eon und Covestro haben jetzt den Anfang gemacht und eine Wasserstoffbrücke von einem Ende des Globus zum anderen geschaffen. Weitere Unternehmen werden mit Sicherheit folgen. „Wir erwarten eine schnell wachsende Nachfrage nach grünem, erneuerbarem Wasserstoff, vor allem bei unseren mittelständischen Industriekunden in den Regionen, die wir beliefern“, ergänzt Lammers. Australiens Sonne kann also kommen.


Dr. Bernd Rademacher

Redakteur

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