Bei Endress+Hauser läuft es wie geschmiert. Das Geschäftsjahr 2021 hat die eigenen Erwartungen übertroffen und auch der Start in 2022 ist rekordverdächtig. Der Spezialist für Mess- und Automatisierungstechnik glänzt bei Auftragseingang, Umsatz, Gewinn und Beschäftigung mit neuen Bestmarken. Zwar dämpft der Krieg in der Ukraine die Hoffnungen, die gute Entwicklung fortsetzen zu können, doch sieht sich das Unternehmen für ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld gut gerüstet.
2,6 Mio. Messgeräte lieferte Endress+Hauser 2021 aus. „Unsere Kunden haben uns in hohem Maße vertraut“, sagte CEO Matthias Altendorf auf der Bilanzpressekonferenz in Basel. „Sie konnten sich nach Ausbruch der Pandemie auf uns verlassen. Und wir waren ein verlässlicher Partner, als die Nachfrage wieder angezogen hat.“ Trotz angespannter Beschaffungsmärkte und Logistikketten stellte das Unternehmen weltweit die Materialverfügbarkeit sicher und lieferte mit hoher Termintreue aus.
Wachstum breit abgestützt
So konnte Endress+Hauser 2021 nicht nur an die Vor-Corona-Zeit anknüpfen, sondern wichtige Kennzahlen deutlich verbessern. Der Nettoumsatz stieg um 11,7 % auf 2,879 Mrd. Euro. In Asien und Amerika entwickelten sich die Verkäufe dynamisch, in Europa solide. Afrika lag im Plus, nur im Nahen Osten ging das stark von Öl und Gas abhängige Geschäft zurück. China vergrößerte seinen Vorsprung als umsatzstärkster Absatzmarkt vor den USA und Deutschland.
Der Auftragseingang lag 2021 noch einmal gut fünf Prozentpunkte über dem Umsatzwachstum. Der Firmenchef sieht darin Nachholeffekte, ebenso eine Belebung der Nachfrage in fast allen Branchen. In der Prozessmesstechnik sorgten moderne Analyseverfahren sowie die Digitalisierung der Industrie für Impulse. Im Laborgeschäft, das 2020 von der Nachfrage nach PCR-Diagnostik beflügelt worden war, konnte die Tochterfirma Analytik Jena mit Produkten zur chemischen Analyse verstärkt wachsen.
Ausbildungsoffensive und Nachhaltigkeitsfokus
Ende 2021 arbeiteten weltweit 15 117 Menschen für das Familienunternehmen, 663 mehr als vor Jahresfrist. Vor allem in der Produktion wurden neue Stellen geschaffen. Nahezu alle Auszubildenden erhielten nach Abschluss ihrer Lehre ein Stellenangebot. Endress+Hauser will das Engagement in der Ausbildung noch einmal deutlich verstärken und die Zahl der Auszubildenden, Studenten und Praktikanten in den nächsten Jahren verdoppeln. Derzeit hat das Unternehmen rund 600 offene Stellen im Angebot.
Im unabhängigen Nachhaltigkeits-Audit von EcoVadis verbesserte sich Endress+Hauser um vier auf 76 Punkte. Damit bewegt sich das Unternehmen nun im obersten Prozent der Vergleichsgruppe. Auf Gruppenebene wurde zudem die Position eines Corporate Social Responsibility Officers geschaffen. Die neue Verantwortliche soll die Nachhaltigkeitsstrategie weiterentwickeln und ihre Umsetzung vorantreiben.
Viele Innovationen, hohe Investitionen
Von den über 70 Produktinnovationen des vergangenen Jahres stehen viele in Verbindung mit dem Thema Digitalisierung. 213,4 Mio. Euro, rund 7,4 % des Umsatzes, wandte Endress+Hauser 2021 für Forschung und Entwicklung auf, 9,4 % mehr als im Jahr zuvor. 258 Erstanmeldungen bei Patentämtern in aller Welt zeugen von der Innovationskraft der Firmengruppe. Das Schutzrechte-Portfolio umfasst insgesamt 8600 aktive Patente und Patentanmeldungen.
Endress+Hauser stemmte 2021 Investitionen von 192,8 Mio. Euro (6,4 % weniger als im Vorjahr). Gerade bezogen werden neue Gebäude – Kosten hierfür etwa 60 Mio. Euro – im schweizerischen Reinach. Noch im Gange sind die Arbeiten an den Fertigungsstandorten Gerlingen und Waldheim in Deutschland sowie Aurangabad in Indien. Eines der größten neuen Vorhaben in naher Zukunft ist die Erweiterung der Produktion im deutschen Maulburg. Hier werden rund 75 Mio. Euro investiert.
Gewinn wächst überdurchschnittlich
Die Wechselkurse hatten 2021 nur einen geringen Einfluss, heißt es im Bericht von Finanzchef Dr. Luc Schultheiss, den krankheitsbedingt Altendorf vortrug. Der Wertverlust des Euro kostete 0,5 Prozentpunkte Umsatz. Zwar stiegen die Ausgaben für Material, Logistik und Personal, doch blieben die Kosten für Geschäftsreisen, Kundenbetreuung und Messeauftritte aufgrund der Coronavirus-Pandemie unter dem Niveau früherer Jahre. Dadurch wuchs der betriebliche Aufwand insgesamt unterdurchschnittlich; das Betriebsergebnis (EBIT) stieg um 28,8 % auf 434,0 Mio. Euro.
Auch weil die Finanzanlagen im vergangenen Jahr eine gute Rendite erwirtschafteten, verbesserte sich das Ergebnis vor Steuern (EBT) um 37,4 % auf 463,8 Mio. Euro. Die Umsatzrendite (ROS) kletterte um drei Zähler auf 16,1 %. Aufgrund einer niedrigeren Steuerrate wuchs das Ergebnis nach Steuern um 40,0 % auf 356,8 Mio. Euro. Die Eigenkapitalquote erreichte 79,1 %, ein Plus von 2,1 Prozentpunkten. Das Familienunternehmen ist praktisch frei von Bankschulden.
Krieg in der Ukraine überschattet Ausblick
Endress+Hauser startete mit einem rekordhohen Auftragsbestand ins laufende Jahr; im ersten Quartal lag der Auftragseingang über Plan. Die Firmengruppe hatte 2022 mit Wachstum im oberen einstelligen Prozentbereich gerechnet. Doch jetzt ist ungewiss, ob dieses Ziel erreichbar ist. „Russlands Angriff auf die Ukraine hat alles verändert“, sagte Matthias Altendorf. „Er bringt Leid über Millionen Menschen und trifft viele Gesellschaften zu einer Zeit, da die Pandemie noch lange nicht überwunden ist.“
Endress+Hauser stoppte mit Beginn der Invasion alle Lieferungen nach Russland. „Wir werden die Sanktionen in vollem Umfang einhalten“, betonte der Firmenchef. „Zugleich stehen wir gegenüber Mitarbeitenden und Kunden in Russland in der Verantwortung.“ 182 Menschen arbeiten im dortigen Sales Center. Unternehmen, die die Zivilgesellschaft versorgen und nicht unter die Sanktionen fallen – etwa in der Lebensmittelindustrie, den Life Sciences oder der Wasser- und Abwasser-Branche – will die Firmengruppe weiter beliefern.
Starker Zusammenhalt bei Endress+Hauser
„Wichtig ist nicht, ob wir unter allen Umständen unsere finanziellen Ziele erreichen – sondern dass wir in dieser Situation unsere Kunden weiterhin bestmöglich unterstützen“, bekräftigte Verwaltungsratspräsident Dr. h. c. Klaus Endress. Verwaltungsrat und Gesellschafterfamilie vertrauten den Menschen und dem Management der Firmengruppe. „Wir werden im Unternehmen zusammenhalten und für unsere Mitarbeitenden da sein. Gemeinsam werden wir gut durch diese herausfordernde Zeit kommen und weiter ein verlässlicher Partner für unsere Kunden sein.“ Endress kündigte zudem einen altersbedingten Wechsel im Verwaltungsrat an: Hans-Peter Endress scheidet aus dem Verwaltungsrat aus. Seine Aufgaben übernimmt Sandra Genge (44). (br)