Herr Dr. Mathes, wann keimte in Ihnen zum ersten Mal der Gedanke auf, die Achema-Präsenzveranstaltung im Jahr 2021 nicht einfach ausfallen zu lassen, sondern durch ein digitales Format zu ersetzen?
Dr. Mathes: Als sich erstmals abgezeichnet hat, dass wir über eine Verschiebung der Achema nachdenken müssen, war klar, dass der ursprüngliche Termin nicht einfach sang- und klanglos verstreichen sollte. Die globale Prozessindustrie sieht sich vielen Themen gegenüber, die sie intensiv beschäftigen, und sie braucht unbedingt den internationalen Austausch. Diese Gelegenheit möchten wir bieten – und wenn die Welt nicht nach Frankfurt kommen kann, dann kommt die Achema eben in die Welt. Wir haben uns schon seit längerem mit digitalen Formaten als Ergänzung zur Messe beschäftigt. Darauf konnten wir zurückgreifen und so direkt mit dem Format „Achema Pulse“ an die Öffentlichkeit gehen
Wie war die Resonanz der Aussteller?
Dr. Mathes: Wir haben für die frühzeitige Entscheidung, die Achema zu verschieben, sehr viel Lob bekommen. Gleichzeitig haben wir gespürt, wie wichtig die Möglichkeit zum Austausch in den Branchen nach einem Jahr praktisch ohne Messen ist. Die Resonanz der Aussteller gibt uns recht – wir haben aktuell schon Anmeldungen aus über 30 Ländern, und die ersten Erfahrungen beim Media Preview Day für die Fachpresse haben gezeigt, dass das Konzept mit der Mischung aus Ausstellerangeboten und einem hochkarätigen Programm für alle – Aussteller und Teilnehmer – aufgeht.
Wie ist die Veranstaltung aufgebaut?
Dr. Mathes: Je nach Betrachtung ist die Achema Pulse eine sehr lange Veranstaltung oder eine sehr kurzlebige Social-Media-Plattform für die Prozessindustrie: Wir öffnen die Plattform am 31. Mai 2021. Ab dann stehen für vier Wochen die Angebote der Aussteller zur Verfügung – Informationen zu Produkten und Lösungen, Videos und andere Dokumente – und man kann miteinander über die Kommunikationskanäle in Kontakt treten. Das bietet allen Teilnehmern genug Zeit, sich mit dem gesamten Angebot für die Prozessindustrie auseinanderzusetzen. Am 15. und 16. Juni 2021 bringen wir die Community dann für zwei Tage unmittelbar zusammen. Wir bereiten ein Feuerwerk an Themen vor: Allein von drei Live-Bühnen in Frankfurt werden wir Diskussionen und Vorträge streamen. Hier geht es um die großen Trends der Prozessindustrie, wir lassen aber ganz bewusst auch Vision auf Praxis treffen. Dazu gibt es ein virtuelles Kongressprogramm, das alle Themen abdeckt, die auch sonst auf der Achema zu finden sind. Wer sich im vielfältigen Angebot nicht entscheiden kann, hat dann noch bis Ende Juni die Möglichkeit, sich die Inhalte auch im Nachgang noch einmal anzuschauen.
Welche Sessions können Sie besonders empfehlen?
Dr. Mathes: Das zu beantworten, fällt wirklich schwer – es gibt so viele großartige Themen. Die Highlight-Sessions zu den Themen chemisches Recycling, Wasserstoff, biologische Produktionssysteme und künstliche Intelligenz mit herausragenden internationalen Rednern sind sicher für alle Teilnehmer besonders spannend. Aber auch „Lessons learned“ aus dem Aufbau der Impfstoffproduktion, die Themen modulare Produktion, klimaneutrale Produktion, 5G und Process Security oder übergreifende Fragen zur Arbeitswelt, etwa der Umgang mit Diversity, betreffen uns letztlich alle. Und dann kommt es natürlich auf die Interessen des Einzelnen an: Wollen Sie tief in bestimmte Fragen der Produktaufbereitung eintauchen, interessieren Sie Neuigkeiten aus der Rührtechnik, beschäftigen Sie sich grundlegend mit Konzepten für modulare Anlagen oder wollen Sie sich mit anderen über Fragen der Prozessanalytik austauschen? Sie finden für jedes Interessengebiet die Session, die genau Sie anspricht.
Welches Thema ist aus Ihrer Sicht am drängendsten in der Prozesstechnik?
Dr. Mathes: Mit unseren Fokusthemen Digital Lab, Modular and Connected Production und Product and Process Security haben wir ein Schlaglicht auf drei Bereiche gesetzt, die die gesamte Prozessindustrie nicht nur beeinflussen, sondern mittelfristig auch prägen werden. Dazu kommen mit Digitalisierung und Circular Economy zwei weitere Themen, die unsere Branchen nachhaltig verändern. Auf der Achema 2022 bekommen sie eigene Bereiche, in der Achema Pulse nehmen sie auch schon breiten Raum ein. Auch die Wasserstoffthematik wird die Branche nachhaltig beeinflussen.
Welchen Anteil an internationalem Publikum erwarten Sie?
Dr. Mathes: Wir haben derzeit Aussteller aus über 30 Ländern. Fast 60 % der Aussteller kommen von außerhalb Deutschlands – eine Quote die den ohnehin hohen Internationalitätsgrad der Achema sogar noch knapp übersteigt – die Visibilität der Achema Pulse ist also international hoch. Berücksichtigt man noch, dass man erstmals ohne Reiseaufwand mit der Community in engen Austausch treten kann, erwarten wir einen ebenso hohen Internationalitätsanteil auf Teilnehmerseite, wie wir es von der Achema gewohnt sind.
Ist die Achema Pulse in dieser Form eine einmalige Veranstaltung?
Wir waren schon vor der Verschiebung der Achema der Auffassung, dass die Zukunft einer Kombination aus virtuellen und physischen Formaten gehört. Beide haben ihre Stärken, beide brauchen wir in einer so dynamischen und gleichzeitig weltweit aktiven Branche. Deshalb ist die Achema Pulse als Ergänzung unseres Portfolios aus Achema und Achemasia gekommen, um zu bleiben – auch über das Jahr 2021 hinaus.
Dechema e.V., Frankfurt am Main
Achema Pulse: Internationaler Dialog für die Prozessindustrie
Automatisierung, Modularisierung, Digitaliserung, künstliche Intelligenz sind aktuell die Schlagwörter in der Prozessindustrie. Außerdem ist das Thema Wasserstoff als alternative Energie- und Rohstoffquelle zur Einhaltung der Klimaziele in aller Munde. Und nicht zuletzt spielt bei allen Prozessen in der chemisch-pharmazeutischen Industrie die Sicherheit eine große Rolle. Alle diese Themen bildet die Achema Pulse im Live-Programm am 15. und 16. Juni 2021 ab. Zu den herausragenden Programmpunkten gehören die Highlight-Sessions mit Vordenkern und Praktikern, aber auch Vorträge und Diskussionen, die die brandaktuellen Fragen unter die Lupe nehmen. So diskutiert beispielsweise Robert Feldmann von Microsoft mit Industrieexperten, welche Rolle künstliche Intelligenz für die Prozess- und Produktentwicklung spielt. Darüber hinaus steht der Einsatz von KI in der Biotechnologie auf dem Programm.
Stimmen zum Thema Wasserstoff kommen u. a. von Lisjs Groenendaal von Shell und Ronnie Belmans von der Katholischen Universität Leuven. Treten wir in ein Zeitalter der Wasserstoffwirtschaft ein? Wie lässt sich die nötige Elektrolyseleistung aufbauen, und wie spielt Wasserstoff mit anderen Technologien und mit anderen Branchen zusammen? sind hier die drängendsten Fragen.
Welche Erfahrungen sich aus der aktuellen Impfstoffentwicklung und dem Aufbau großskaliger Impfstoffproduktionen auf die Beschleunigung von Forschung, Entwicklung und Produktion übertragen lassen, diskutieren Entwickler, Produzenten, Zulieferer und Anlagenbauer, die im Hintergrund an diesen Prozessen beteiligt waren. Der Vortrag „Wo liegen Chancen und Grenzen der neuen Biofabriken?“ beleuchtet neue Bioproduktionssysteme. Und nicht zuletzt wird unter die Lupe genommen, wie Diversity und Gender Equality fest in der Wirtschaft verankert werden können.
Daneben locken ein dreisträngiges, anwendungsorientiertes Konferenzprogramm und zahlreiche Satellitenworkshops die Teilnehmer in die virtuellen Diskussionsräume. Themenschwerpunkte wie das Lab of the Future, die modulare und flexible Produktion oder Process Security und Safety nehmen ebenfalls breiten Raum ein. Gleichzeitig bildet sie den Auftakt für die neuen Bereiche „Ditigal Hub“ und „Circular Innovation Zone“, die auf der Achema 2022 neue Stakeholder-Gruppen in den Fokus rücken werden. Auch die Aussteller werden mit eigenen Streams und Workhops auf der Achema Pulse aktiv sein.
DAS INTERVIEW FÜHRTE FÜR SIE Daniela Held
Redakteurin
„Wir haben uns schon seit längerem mit digitalen Formaten als Ergänzung zur Messe beschäftigt. Daher wird die Achema Pulse auch über das Jahr 2021 hinaus bleiben. “