Ein Motorausfall kann sehr teuer werden. Im Fall eines Erdölförderers in Algerien mussten wegen eines überlasteten Motors gleich zwei Kompressoren stillstehen, die zur Gasinjektion genutzt werden – um den Lagerstättendruck aufrechtzuerhalten. Dadurch sank die Förderquote rapide ab. Ein Ersatzmotor musste dringend herbeigeschafft werden. Motoren dieser Größenordnung – Achshöhe 800 mm, Nennleistung 7900 kW, Gesamtgewicht 33 t – sind allerdings nicht auf Abruf verfügbar, sondern werden in der Regel auf Anfrage gefertigt. Ein Neubau dauert bestenfalls sechs Monate – die Umsatzeinbußen wären erheblich gewesen. Eine Internet-recherche führte den Betreiber zu dem Berliner Unternehmen Menzel Elektromotoren, das ständig eine Vielzahl von vorgefertigten Komponenten vorhält und große Industriemotoren auch kurzfristig nach Bedarf montiert. Der Mittelständler ist durch seinen riesigen Lagerbestand extrem flexibel und kann für alle gängigen Anwendungen schnell Lösungen bereitstellen.
Arbeit unter Hochdruck
Damit der Gasverdichter im Bohrfeld schnell wieder Druck erzeugen konnte, hat das Menzel-Team unter Hochdruck auch am Wochenende an dem Auftrag gearbeitet. Von der Bestellung bis zur Auslieferung vergingen nur drei Wochen. Parallel flog ein Mitarbeiter nach Algerien und nahm in der Anlage alle notwendigen Details auf, da in den letzten Jahren schon zwei Motoren mit gleichem Schadensbild ausgefallen waren. Der Kunde stellte diverse Unterlagen inklusive Maßbild des ausgefallenen Motors zur Verfügung. Menzel hatte einen 3-Phasen-Käfigläufermotor mit den passenden Leistungsmerkmalen aus eigener Fertigung auf Lager vorrätig. Die Drehrichtung wurde geändert und die Lüfter wurden getauscht. Zeitgleich wurden das Wellenende gekürzt und auf den passenden Durchmesser abgedreht und gewünschte Bohrungen eingebracht. Sodann wurde der Rotor neu gewuchtet.
Menzels hauseigene Schweißerei leistete in diesem Projekt ganze Arbeit. Die Fertigung eines Stützrings für die beim Anwender vorhandene Kupplungsverschalung erforderte höchste Maßgenauigkeit, um öl- und gasdichte Passung zu gewährleisten. Die Kühlart wurde zu Luft-Luft-Kühlung (IC 616) geändert – meist wird diese Art von Motoren mit einem Luft-Wasser-Wärmetauscher versehen. Der passende Luft-Luft-Kühler und ein zusätzliches Fremdlüfter-Aggregat waren ebenfalls auf Lager vorrätig. Die Schweißerei fertigte einen Zwischenrahmen für die Luftführung im geschlossenen Kühlkreislauf. Der vorrätige Stator hat eine Typenleistung von 14 MW – hinsichtlich geänderter Kühlart, reduzierter Spannung und Explosionsschutzanforderungen wurde diese auf 7,9 MW herabgesetzt. Zum einen ist die Rückkühlung eines Luft-Luft-gekühlten Motors nicht so hoch wie bei einer Luft-Wasser-Kühlung. Zum anderen hat Menzel für die Anwendung die Spannung auf 5500 V heruntergesetzt. Die Motorleistung ist nun leicht überdimensioniert; dafür ist der neue Motor allerdings auch effizienter als der alte. Eine wichtige Kundenspezifikation war auch, dass der Ersatzmotor ohne bauliche Anpassungen auf das bestehende Fundament gesetzt wird. Menzel schweißte dafür einen weiteren Rahmen in der richtigen Höhe und mit passend vorbereitetem Bohrbild.
Explosionsgeschützte Ausführung
Der Einsatz in der Erdölindustrie erforderte eine explosionsgeschützte Ausführung. Der Motor wurde mit der Ex-Schutzart non-sparking ausgelegt und hat die Kennzeichnung II3G Ex nA IIC T3 Gc für den Einsatz in der Gas-Ex-Zone 2 erhalten. Die Schutzart Ex nA entspricht der neu eingeführten Ex ec und wird parallel zu dieser weiter vergeben. Eine Zusatzvorgabe des Auftraggebers war, dass der Motor vor dem Starten mit Stickstoff gespült wird. Dafür installierte Menzel einen zusätzlichen Schaltkasten sowie Spülanschlüsse und sah geeignete Dichtungen vor. Die Vorspülung mit einem nicht zündfähigen Gas gewährleistet, dass auch bei sehr hohen Anlauftemperaturen keine Zündgefahr besteht. Vor Auslieferung führte Menzel wie üblich Routineprüfungen im eigenen Lastprüffeld durch. Der umgebaute Motor bringt mit Kühler, Fremdlüftern und Sonderklemmenkasten über 33 t auf die Waage. Damit war dies eins der größten Projekte, die der Motorbauer bisher in seiner fast 100-jährigen Firmengeschichte ausgeführt hat.
Unerwartete Schwierigkeiten
Menzel bietet seinen Kunden auf der ganzen Welt auch die Inbetriebnahme sowie Wartung und Service an. Die Betreuung durch einen erfahrenen Inbetriebsetzungsingenieur, der Probleme diagnostizieren und effiziente Lösungen anbieten kann, erwies sich in diesem Fall als fundamental, um die Anwendung zügig wieder in Gang zu setzen. Beim Hochfahren zeigten sich unerwartete Schwierigkeiten. Der Motor beschleunigte nur bis zur halben Nenndrehzahl und musste dann abgeschaltet werden, um ein Überhitzen zu vermeiden. Die Ursache lag in falschen Berechnungsgrundlagen. Der Kunde hatte keine ausreichenden Informationen über den angetriebenen Kompressor bereitgestellt. Insbesondere Angaben zum Gegenmoment fehlten. Angebot und Beauftragung erfolgten anhand eines angenommenen Werts, der sich in der Praxis als zu niedrig herausstellte. Die Herausforderung war, den Kompressor aus dem Stillstand auf Betriebsgeschwindigkeit zu bringen. Anschließend läuft die Maschine im Dauerbetrieb und wird planmäßig nur alle paar Monate zur Überprüfung abgeschaltet. Der Inbetriebsetzungsingenieur führte Messungen während der Hochlaufversuche durch. Anhand der Anlagenwerte konzipierte er eine pragmatische Lösung für den Hochlauf mit einer Sonderschaltung und holte dafür die Genehmigung des Netzbetreibers ein. Der Anlauf wird mit einem induktiven Näherungsschalter überwacht. Es sind Zeiten zum Erreichen der halben und vollen Drehzahl von 1490 min-1 festgesetzt. Werden diese überschritten, schaltet der Motor automatisch ab. In dieser neuen Konfiguration wurde die Anwendung erfolgreich in Gang gesetzt und läuft nun zuverlässig – die nächste Service-Abschaltung ist erst für Februar 2020 geplant.
Martin Wagner, Projektleiter Hochspannungsantriebe bei Menzel, rechnet fest mit einem Folgeauftrag: „Aktuell erwägt der Kunde die Bestellung eines Reservemotors, um schnellen Ersatz parat zu haben, sollte noch einmal ein Motor in dieser Applikation ausfallen. Diesen werden wir dann anwendungsspezifisch neu fertigen. Dabei legen wir den Motor genau auf die Lastpunkte aus, sodass er einen noch besseren Wirkungsgrad erzielt.“
Menzel Elektromotoren GmbH, Berlin