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Arbeitsschutz scheitert oft auf der operativen Führungsebene

Hintergründe und Möglichkeiten der Verbesserung
Arbeitsschutz scheitert oft auf der operativen Führungsebene

In der betrieblichen Praxis stehen viele Chemieunternehmen heute vor der gleichen Situation: Die Investitionen in Schutzeinrichtungen und Persönliche Schutzausrüstung (PSA) führen nicht mehr dazu, dass Arbeitsunfälle und unsichere Situationen weniger werden. Der Grund hierfür liegt in der Regel nicht an der Qualität von Schutzeinrichtungen und PSA, sondern an der Sicherheitskultur und dem Verhalten der Menschen im Unternehmen.

Neben dem Management besitzt insbesondere die operative Führungsebene um Meister, Schichtführer oder Teamleiter aufgrund ihrer Nähe zu den Mitarbeitenden eine wichtige Rolle im Arbeitsschutz. Gerade auf der operativen Führungsebene ergeben sich allerdings nahezu regelmäßig Schwachstellen.

Eine fehlende Zeit für Maßnahmen im Arbeitsschutz oder auch fehlende Standards führen oftmals dazu, dass operative Führungskräfte ihrer Verantwortung nicht nachkommen bzw. nachkommen können. Immer wieder kann jedoch auch festgestellt werden, dass Teamleiter, Schichtführer und Meister dem Arbeitsschutz einen zu geringen Stellenwert geben, weil die Produktion zu jeder Zeit Vorrang hat, auch bei unsicheren Situationen. Die Folge sind dann Arbeitsunfälle und unsichere Situationen, die stagnieren und nicht weniger werden.

Ein Beispiel für die Relevanz von operativen Führungskräften im Arbeitsschutz ergibt sich bei der Manipulation von Maschinen im betrieblichen Alltag. Eine Umfrage der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e. V. hat ergeben, dass in den letzten rund zehn Jahren lediglich weniger als 10 % der Manipulationen reduziert werden konnte. Besonders erschreckend ist, dass laut dieser Umfrage in den Unternehmen, in denen Manipulationen stattfinden, mehr als 50 % der Führungskräfte dieses Verhalten dulden.

Diese Situation unterstreicht, wie wichtig die Rolle der operativen Teamleiter, Schichtführer und Meister in der betrieblichen Praxis ist. Es braucht Führungskräfte, die als Vorbild agieren und auf sichere Prozesse, Strukturen und Verhaltensweisen achten. Das große Problem ist allerdings, dass diese Aufgaben viel zu selten wahrgenommen werden. Die meisten operativen Führungskräfte wollen sich zwar für Sicherheit einsetzen, es fehlt ihnen jedoch sehr oft am Können. Die meisten Teamleiter, Schichtführer und Meister haben vielleicht eine Schulung zur rechtlichen Verantwortung und Haftung im Arbeitsschutz erhalten, allerdings folgte keine Weiterbildung für die wirksame Umsetzung dieser Verantwortung in der betrieblichen Praxis.

Zielgerichtete Trainings

Damit die operativen Führungskräfte in den Unternehmen ihrer rechtlichen Verantwortung im Arbeitsschutz möglichst wirksam und effektiv nachkommen können, braucht es zunächst eine umfassende Befähigung. Hierbei ist es nicht damit getan, in einem Tagesseminar zu erklären, wie alles im Idealfall abläuft und in der betrieblichen Praxis schauen dann Teamleiter, Schichtführer und Meister wieder in die Röhre.

Es braucht vielmehr begleitende Trainings, bei denen die operativen Führungskräfte in Begleitung von internen oder externen Experten unterstützt werden. Solche Trainings müssen beinhalten, wie beispielsweise die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen ablaufen sollte und wie Mitarbeitende so unterwiesen werden, dass am Ende auch ein Lernerfolg vorhanden ist und nicht nur die Zeit abgesessen wurde.

Auch das korrekte Durchführen von Sicherheitsrundgängen und das Verhalten dabei muss trainiert werden: Statt beispielsweise nur den Zeigefinger zu erheben, macht es mehr Sinn, in den Dialog zu gehen, um wirklich herauszufinden, was die Gründe hinter einem leicht verstellten Fluchtweg oder dem nicht getragenen Chemikalienschutzhandschuh sind. Es braucht hierbei die Mühe und den Willen, verstehen zu wollen, warum unsichere Handlungen entstanden sind. Insbesondere durch den Einsatz von systemischen Methoden wird oftmals schnell erkannt, dass vorausgehende Bedingungen, wie beispielsweise Chemikalienschutzhandschuhe, die nach Verbrauch nur schwer neu zu bekommen sind, fehlen.

Führungskräfte als Vorbilder

Teamleiter, Schichtführer und Meister sind so nah an den Mitarbeitenden, dass sie stets im Fokus stehen und auch eine Orientierung für das Umfeld bieten. Umso wichtiger ist es, dass Führungskräfte stets als Vorbild agieren. Wenn in einer Produktionshalle das Tragen von Schutzbrillen eine Pflicht ist, ist es unabdingbar, dass Führungskräfte keine Ausreden für das Tragen der Schutzbrille suchen. Ebenso wichtig ist es, dass andere Führungskräfte oder Mitarbeitende angesprochen werden, wenn sie sich nicht an Regeln halten.

Viel zu oft verzichten Führungskräfte darauf, weil sie gerade im Stress sind und von Termin zu Termin eilen. Das Ausbleiben von Feedback bei unsicherem Verhalten signalisiert allerdings Zustimmung zu diesem Handeln und sollte unterlassen werden. Ebenso wichtig ist es auf der anderen Seite, sicheres Verhalten aktiv zu loben.

Zeit für Sicherheit schaffen

Ohne Zweifel kosten präventive Maßnahmen in der Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden Zeit, was zunächst einen Mehraufwand darstellen kann, obwohl in dessen Folge wieder weniger Zeit für die Nachbereitung von Arbeitsunfällen und unsicheren Situationen anfällt. Die Aussage nach der fehlenden Zeit für Sicherheit mag in gewissen Teilen sicherlich eine Frage der Priorisierung von täglichen Aufgaben sein. Es ist allerdings auch der Fall, dass seitens des Managements nicht die erforderliche Erwartungshaltung gegenüber den operativen Führungskräften definiert worden ist. Umso wichtiger ist es für Unternehmen, ein gemeinsames Verständnis über die gegenseitige Erwartungshaltung zu finden.

Im zweiten Schritt lässt sich über die personellen und zeitlichen Anforderungen sprechen, die sich aus der Erwartungshaltung ergeben. Hierbei sind es sogar nicht zwangsläufig personelle Aufstockungen, sondern einfach prozessuale Anpassungen, die zu mehr Zeit für Sicherheit führen können.

Beteiligung von Mitarbeitenden

Bei der Gestaltung von sicheren und gesunden Arbeitsprozessen und -bedingungen sollten sich Teamleiter, Schichtführer und Meister das Wissen von Mitarbeitenden zu Nutze machen. Hierdurch wird bei der Beschaffung oder Anpassung von Prozessen, Arbeitsmitteln oder Persönlicher Schutzausrüstung nicht nur die Fehlerwahrscheinlichkeit reduziert, sondern auch die Akzeptanz nachhaltig gesteigert.

Eine Möglichkeit ist die Bildung von ständigen und flexiblen Arbeitsschutzgremien. Hier sollten Führungskräfte zusammen mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit und gegebenenfalls Betriebsrat und Betriebsarzt prüfen, welche Mitarbeiter in den Gremien mitwirken können. Die Führung der Gremien sollte durch Vertreter des Managements oder operativen Führungskräften geleitet werden.

Eine besondere Hilfestellung im täglichen Arbeitsablauf sind Sicherheitsbeauftragte, die sowohl engagiert als auch gut qualifiziert sind. Teamleiter, Schichtführer und Meister sollten im eigenen Interesse bei der Auswahl nicht die Mitarbeitenden nehmen, die sprichwörtlich nicht bei drei auf den Bäumen waren, sondern die, die wirklich Interesse an einem gelebten Arbeitsschutz besitzen. Engagierte und qualifizierte Sicherheitsbeauftragte sind nicht nur weitere Augen für Sicherheit in der Fläche, sondern können die Führungskräfte auch bei der Umsetzung der eigenen Aufgaben unterstützen.

Aus Fehlern lernen – besser werden

Kommt es im Unternehmen zu Arbeitsunfällen und unsicheren Situationen, sind es in erster Linie die operativen Führungskräfte, die damit konfrontiert werden. Im Sinne einer lernenden Organisation ist es von großer Bedeutung, dass Führungskräfte den Mehrwert an einem offenen Umgang mit Arbeitsunfällen und unsicheren Situationen erkennen und entsprechend handeln. Hierzu gehört, dass den Mitarbeitenden gegenüber keine Schuldzuweisungen gemacht werden, sondern dass der Fokus vielmehr auf die Suche nach Lösungen zur Vermeidung von Wiederholungen gelegt wird.

Wandelwerker Consulting GmbH, Wuppertal


Autorin: Anna Ganzke

Geschäftsführerin

Wandelwerker Consulting

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