Die seit 1. Juli 2003 verbindliche Atex-Richtlinie für explosionsgefährdete Bereiche schließt auch nicht-elektrische Betriebsmittel wie Pumpenaggregate ein. Auf Basis der bewährten Chemie-Membranvakuumpumpen wurden jetzt Pumpen mit Atex-Zulassung entwickelt. Zusammen mit den Ex-Vakuummessgeräten ist nun ein vollständiges Programm für die Vakuumerzeugung und -messung im Ex-Bereich verfügbar.
Dr. Jürgen Dirscherl
Zahlreiche chemische Prozesse wie Eindampfen, Destillieren und Trocknen werden vorteilhaft unter Vakuum durchgeführt. Gerade im chemischen Labor und in kleineren Anlagen hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten die Chemie-Membranvakuumpumpe, bei der alle medienberührten Komponenten aus chemisch beständigen Materialien aufgebaut sind, durchgesetzt. Viele Lösemittel sind bei Atmosphärendruck brennbar und besitzen einen hohen Dampfdruck, können also explosionsfähige Gemische mit Luft bilden. Obere und untere Explosionsgrenze nähern sich mit abnehmendem Druck an und treffen sich bei einem gasabhängigen Unterdruck (Vakuum). Unterhalb dieses Grenzvakuums ist keine Zündung möglich. Häufig wird argumentiert, dass aus diesem Grunde Explosionsschutz unter Vakuumbedingungen unkritisch sei. Dies gilt jedoch keinesfalls für die Verdichtung auf höhere Drücke – insbesondere Atmosphärendruck – innerhalb der Vakuumpumpe.
Chemie-Membranpumpen bieten Dank ihrer hohen Chemikalienbeständigkeit, Ölfreiheit, Fehlen gleitender Oberflächen und der hermetischen Abdichtung des Schöpf-raumes gegen den Antriebsbereich hervorragende Voraussetzungen für die Vermeidung von Zündquellen. In der Tat sind dem Autor keine von Chemie-Membranvakuumpumpen verursachten Explosionen bekannt, obwohl solche Pumpen in der Praxis häufig für das Abpumpen von zündfähigen Gemischen eingesetzt werden, ohne dafür explizit zugelassen zu sein.
Bis zur europäischen Atex-Richtlinie 94/9/EG gab es keine verbindlichen Vorschriften für derartige nicht-elektrische Betriebsmittel. Die auf dem Markt erhältlichen Ex-Membranpumpen hatten zwar Ex-geschützte Motoren, waren jedoch meistens nicht zum Pumpen explosionsfähiger Gemische zugelassen. Abhilfe bestand schon immer durch Inertisieren des Prozessvolumens. Die Atex-Richtlinie schließt auch nicht-elektrische Betriebsmittel, also auch das Pumpenaggregat, ein. Dies und die weitreichenden Normanforderungen bringen umfangreiche konstruktive Anpassungen mit sich, die zwar mit großen Kosten verbunden sind, für den Kunden jedoch erhebliche sicherheitstechnische Vorteile ergeben. Anwender und Hersteller schweben nun nicht mehr in einer technischen wie rechtlichen Grauzone.
Anwendungen von Ex-Chemie-Vakuumpumpen
Während für große Produktionsanlagen bzw. Technikumsbereiche eine Ex-Bewertung übliche Praxis ist, werden chemische Labore und kleinere verfahrenstechnische Anlagen in dieser Hinsicht nicht immer beurteilt. Der Übergang von reinen Forschungsgeräten zu Technikumsanlagen und Mini-Plants ist inzwischen fließend. Hauptkriterium für die Ex-Einstufung ist meist die verwendete Lösemittelmenge: 1 bis 2 l Lösemittel pro Versuch werden häufig als Grenze angesehen. Es muss berücksichtigt werden, dass eine Ex-Einstufung erhebliche Mehrkosten bei Betrieb wie auch für die Gerätebeschaffung verursacht.
Typische Einsatzbereiche für Ex-geschützte Chemie-Membranvakuumpumpen sind das Eindampfen von Proben in großen Rotations- oder Parallelverdampfern, Vakuum-Trockenschränke mit ihren oft erheblichen Lösemittelmengen sowie Mini-Plants und Technikumsanlagen. Inwieweit auch chemische Labore, die mit größeren Lösemittelmengen umgehen, als Ex-Zonen eingestuft werden, wird sich zeigen.
Vakuumpumpen und -pumpstände mit Atex-Zulassung
Die seit vielen Jahren bewährten Chemie-Membranpumpen von Vacuubrand weisen durch ihre hochpräzise geführte Flachmembran deutliche Vorteile bezüglich kontrollierter Kompression auf. Sie wurden einer Sicherheitsanalyse unterzogen und gemäß den anwendbaren Normen bewertet. Daraus wurden zahlreiche Maßnahmen abgeleitet: Der Motor ist druckgekapselt mit integriertem, selbsthaltendem Überstrom- und Übertemperaturschutz. Dadurch ist ein direkter 230 V/50 Hz–Einphasenanschluss möglich. Die Membranpumpenköpfe werden aus antistatischen, verstärkten Fluorkunststoffen, z.T. mit metallischem Versteifungskern, hergestellt. Hinter der PTFE/Elastomer-Arbeitsmembran ist eine Sicherheitsmembran angeordnet. Das Kurbelgehäuse sowie der Raum zwischen den Membranen muss mit Inertgas gespült werden (nur für Gerätekategorie 2 im Außenraum). Die Verbindungen der Zylinder bestehen aus z. T. antistatischen Fluorkunststoffen sowie Edelstahl. Der optionale Gasballast ist als Inertgasanschluss ausgeführt. Darüber hinaus gibt es Überdruckventile intern und am Auslass. Die Inertgasanschlüsse benötigen nur geringen Gasfluss, dies hält die Betriebskosten in Grenzen. Am Inertgasauslass kann ein Gasdetektor zur Membranrisswarnung angeschlossen werden.
Die Chemie-Membranvakuumpumpen (Bild 1) wurden gemäß EN 13463-1 bewertet und getestet. Sie werden für Gerätekategorie 2 mit Temperaturklasse T3 (Oberflächentemperatur max. 200 °C) im Schöpf-raum zugelassen. Diese Temperaturklasse genügt für die meisten Lösemittel und Gase. Weitere Ex-Ausführungen von Vacuu-brand-Chemie-Membranpumpen mit höherem Saugvermögen auch für größere Testanlagen bzw. Miniplants sowie Pumpstände mit integriertem Abscheider und Emissionskondensator sind in Vorbereitung (Bild 2). Bei Pumpständen ist aufgrund der freistehenden Glasteile anwenderseitig ein Stoß- und Splitterschutz, beispielsweise durch Einbau in einen Schrank oder Abzug, vorzusehen.
Eine Zulassung für Gerätekategorie 1 wäre nur durch eine zusätzliche druckfeste Kapselung der Pumpe sowie durch Flammsperren am Ein- und Auslass möglich. Gerade Flammsperren können aber bei Kontakt mit aggressiven oder kondensierenden Medien sehr problematisch sein und müssen bei Bedarf vom Anwender applikationsspezifisch ausgewählt werden. Zusammen mit den bekannten Ex-Vakuummessgeräten ist jetzt ein vollständiges Programm für die Vakuumerzeugung und -messung in explosionsgefährdeten Bereichen gemäß Atex verfügbar.
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