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Beschleunigter Hochlauf von Wasserstoffprojekten

Ausrüstungsmodule und Anlagen entlang der gesamten Wertschöpfungskette
Beschleunigter Hochlauf von Wasserstoffprojekten

Wasserstoff ist ein zentrales Element in der Energiewende und wird zukünftig in großen Mengen benötigt. Axel Lorenz, CEO Process Automation, Siemens, erklärt, welchen Stellenwert das Thema Wasserstoff für Siemens hat und wie das Unternehmen seine Kunden entlang der gesamten Wasserstoffwertschöpfungskette unterstützt.

Welchen Stellenwert hat das Thema Wasserstoff für Siemens?

Axel Lorenz: Wasserstoff ist für Siemens von hoher Bedeutung. Der rapide ansteigende Bedarf an sauberen Energiequellen macht Wasserstoff zu einem zentralen Element in der Energiewende. Seine Fähigkeit, Energie in großen Mengen zu speichern, macht ihn als nachhaltige Alternative zu fossilen Brennstoffen interessant. Zudem diversifiziert grüner Wasserstoff den Feedstock für die Industrie mit geringeren CO2-Emissionen. Weltweit wächst ein großes Wasserstoffökosystem heran, in dem wir ein wichtiger Player sein möchten. Wir bedienen mit unserem Portfolio Prozess-OEMs, EPCs und Endkunden beim Bau und Betrieb von Ausrüstungsmodulen oder ganzen Anlagen entlang der Wasserstoffwertschöpfungskette.

Mit welchen Technologien kann der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft beschleunigt werden?

Lorenz: Um den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu beschleunigen, spielen digitale Zwillinge eine Schlüsselrolle – also virtuelle Abbilder realer Systeme, die in Echtzeit aktualisiert werden, um Produktionsanlagen, Transportinfrastrukturen und Speichersysteme für Wasserstoff zu modellieren und zu optimieren. Diese Technologie ermöglicht es, Betriebsbedingungen zu simulieren, Engpässe zu identifizieren und den Wartungsbedarf vorherzusagen, was zu einer erheblichen Effizienzsteigerung der gesamten Wasserstoffwertschöpfungskette führt. Parallel dazu ist die intelligente Nutzung erneuerbarer Energiequellen entscheidend. Prozessleittechnik, die Nutzung digitaler Zwillinge und KI-gestützte Vorhersagetools optimieren auf diese Weise die Energieerzeugung und -nutzung, was eine nahtlose Integration in das Energiesystem ermöglicht.

Die Entwicklung der nächsten Generation von Elektrolyseuren ist ein weiterer kritischer Faktor. KI-basierte Design- und Simulationstools treiben hier die Innovation, machen Elektrolyseure effizienter und kostengünstiger und tragen so zur Skalierung der Wasserstoffproduktion bei. Automatisierung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie verbessert nicht nur die Effizienz in Produktion, Transport und Lagerung von Wasserstoff, sondern trägt auch dazu bei, Kosten zu reduzieren und Sicherheitsrisiken zu minimieren. Der Einsatz von Sensoren und IoT-Technologien, kombiniert mit Datenanalytik, optimiert die Betriebsabläufe und ermöglicht eine vorausschauende Wartung.

Welche Komponenten bietet Siemens für die Wasserstoffwertschöpfungskette?

Lorenz: Siemens verfügt über ein umfangreiches Portfolio für die gesamte Wertschöpfungskette der Wasserstoffwirtschaft, insbesondere auch für die Automatisierung und Digitalisierung von Produktionsanlagen. Dazu zählen unter anderem Software zur Erstellung eines digitalen Zwillings für den Prozess, die Produktion sowie den Betrieb und die Wartung: von Anlagendesign und Simulation über das Engineering bis zur Steuerung und Überwachung. Hinzu kommt unser gesamtes Portfolio für Prozessleittechnik, Prozessinstrumentierung und -analytik, industrielle Kommunikation sowie für Energiemanagement.

Darüber hinaus entwickelt Siemens Smart-Grid-Lösungen für Wasserstoffanlagen, die die Integration mit erneuerbaren Energien erleichtern und die Zuverlässigkeit der Stromversorgung der Anlage gewährleisten. Dazu gehören Elektrifizierung, Netzautomatisierung, Nutzung der Wasserstoffanlage für Demand-Response-Programme, Stromqualität und verbesserte Netzsicherheit.

Wie unterstützt Siemens die Kunden bei Wasserstoffprojekten?

Lorenz: Wir unterstützen unsere Kunden in allen Projektphasen: Bei der Finanzierung, mit technischem Know-how, Engineering-Services, digitalen Tools und durch Beratung – von der Planung bis zur Inbetriebnahme und dem Betrieb.

Zu welchem Zeitpunkt im Projektverlauf kann man Siemens einbeziehen?

Lorenz: Mit Siemens Financial Services haben wir einen starken Partner für Projektfinanzierungen. Es bietet sich daher an, Siemens so früh wie möglich in Projekte einzubeziehen. Vor allem bei Greenfield-Projekten sind wir im nächsten Schritt in der Designphase von Anlagen involviert und unterstützen unsere Kunden von Anfang an mit unseren Tools für Simulationen und digitale Planung zur Optimierung von Prozessdesigns.

Welche Aufgaben übernimmt der digitale Zwilling für Planung und Betrieb von Wasserstoffanlagen?

Lorenz: Digitale Zwillinge führen Daten aus allen Lebenszyklusphasen und aus allen Funktionen und Ebenen einer Anlage zusammen und helfen so, die Leistung der entsprechenden Komponenten zu verstehen, zu verwalten und vorherzusagen. Sie liefern damit die Grundlage für fundierte datenbasierte Entscheidungen. Die Effizienz der Produktion lässt sich mit einem digitalen Zwilling um bis zu 20 % steigern. Ein Beispiel: Mit der Siemens-Software gProms kann das Design und der Betrieb der Elektrolyse-Wasserstoffproduktion optimiert werden, indem sie das Wissen über inhärent komplexe chemische und physikalische Prozesse erfasst. Dadurch wird die Entscheidungsfindung in allen Phasen der Projektabwicklung und Anlagenoptimierung unterstützt. Das ermöglicht einen schnelleren Weg zum optimalen Systementwurf, eine systematische Erkundung des Entscheidungsraums trotz seiner Komplexität, die Ermittlung eines wirtschaftlich optimalen Entwurfs, eine schnelle Bewertung der Tragfähigkeit von Design-Entscheidungen und eine präzise Quantifizierung der mit Design- und Betriebsentscheidungen verbundenen Risiken.

Welche Vorteile bietet die Simulation in diesem Kontext?

Lorenz: Durch den Einsatz von Simulationsmodellen, die den realen Anlagenbetrieb nachbilden, können Ingenieure und Betreiber Anlagenentwürfe optimieren, bevor physische Komponenten gebaut oder modifiziert werden. Dieser Ansatz ermöglicht es, potenzielle Probleme frühzeitig zu identifizieren und zu beheben, was zu einer Verkürzung der Entwicklungszeiten und einer Reduzierung der Kosten führt.

Gibt es mehr Anfragen für Greenfield oder Brownfieldanlagen?

Lorenz: Wenn es um grünen Wasserstoff geht, handelt es sich heutzutage ausschließlich um Greenfield-Anlagen. Das ist vor allem in Europa besonders, wo wir es in der Prozessindustrie in den allermeisten Fällen mit Brownfield-Anlagen zu tun haben.

Welcher Anlagentyp dominiert dabei?

Lorenz: Im Gegensatz zu den seit Jahrzehnten etablierten Verfahren zur Erzeugung von zumeist grauem Wasserstoff handelt es sich bei den neuen Technologien zur Herstellung von grünem Wasserstoff in der Regel um modulare Greenfield-Anlagen, die aus unterschiedlichen Package Units bestehen. Um eine nahtlose Interoperabilität dieser unterschiedlichen Systeme zu gewährleisten, muss ein offenes und flexibles Automatisierungskonzept implementiert werden. Genau das bieten wir an mit der Kombination aus unserem Prozessleitsystem Simatic PCS 7 oder Simatic PCS neo, der Engineering-Software Comos, der Simulationsplattform Simit, und gProms. Mit Simatic PCS neo haben wir zudem einen neuen Ansatz für die Orchestrierung von Prozessmodulen eingeführt, die mit verschiedenen Automatisierungssystemen ausgestattet sind: Module Type Package (MTP) – ein von der Namur vorangetriebener Standard, der Lieferanten, Endkunden usw. abdeckt. MTP bietet die gemeinsame Sprache zur Beschreibung der Eigenschaften von Prozessmodulen unabhängig von Hersteller und Technologie.

Welche Rolle spielt die Offshore-Wasserstofferzeugung?

Lorenz: Siemens stellt Steuerungstechnologien für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung, die für die Wasserstoffproduktion genutzt werden können, unter anderem auch für Offshore-Windkraftanlagen. Auch bei der Offshore-Wasserstofferzeugung sind wir ein gefragter Partner, da unsere Produkte nicht nur die global notwendigen Zulassungen für Onshore-Erzeugung haben, sondern auch die notwendigen Offshore-Zertifizierungen.

Wie sehen Sie den Markt für Power-to-X? Wird der Umweg über grünen Ammoniak oder grünes Methanol unser Versorgungsproblem in Europa lösen können?

Lorenz: Power-to-X-Technologien, einschließlich der Umwandlung von grünem Wasserstoff in Ammoniak oder Methanol, bieten erhebliche Potenziale, um zur Lösung des Versorgungsproblems in Europa beizutragen. Die erfolgreiche Integration dieser Technologien in das europäische Energiesystem hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Fortschritte bei der Produktion und Speicherung von grünem Wasserstoff, die Weiterentwicklung der erforderlichen Infrastruktur und die Schaffung eines günstigen regulatorischen Umfelds. Siemens ist etwa bei innovativen Projekten für die Produktion von Methanol oder nachhaltigen Kraftstoffen aus einer Mischung von Wasserstoff und CO2 involviert, gleiches gilt für Projekte zur H2-Versorgung für Ammoniak-, Stahl- und Glaswerke. Zudem unterstützen wir Betreiber von Wasserstofftankstellen mit Automatisierungs- und Cloud-Kontrolllösungen. Auch hier unterstützen wir unsere Kunden mit dem Prozessleitsystem Simatic PCS 7 oder Simatic PCS neo inklusive Peripheriesystemen zur Orchestrierung der Package Units, Steuerungen wie der S7–1500, Prozessinstrumentierung, Prozessgasanalysatoren, dem Sinamics-DC-Stromrichter oder mit explosionsgeschützten Motoren Simotics XP. Dazu kommen auch hier unsere Softwarelösungen für den digitalen Zwilling.

Wie sieht es mit der Schulung des Bedienpersonals aus?

Lorenz: Ständige Schulungen sind essenziell für den Anlagenbetrieb, vor allem in der Produktion von grünem Wasserstoff, für die es kein Personal mit jahrzehntelanger Erfahrung gibt. Auch hierfür kann ein durchgängiger digitaler Zwilling des Anlagenbetriebs einen Beitrag leisten, etwa für ein sogenanntes Operator Training System (OTS). Mit einem solchen System lässt sich die tägliche Arbeit inklusive von Was-wäre-wenn-Szenarien in einer sicheren Umgebung trainieren, wichtiges Wissen lässt sich bewahren und neues Personal kann geschult werden. Mit der Kombination aus einem Prozessleitsystem wie Simatic PCS 7 oder Simatic PCS neo, SIMIT und gPROMS kann ein High-Fidelity OTS erstellt werden, das sich genau wie die reale Anlage verhält und eine ganzheitliche und realistische Sicht auf das Anlagenverhalten bietet. Über das OTS kann das Bedienpersonal sogar schon virtuell geschult werden, wenn die Anlage noch im Bau ist, sodass es praktisch vom ersten Tag an mit der Anlage vertraut und einsatzbereit ist.

www.prozesstechnik-online.de

Suchwort: Siemens

Halle 11.0, Stand E3


Das Interview führte für Sie: Daniela Held

Redakteurin


„Um den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu beschleunigen, spielen digitale Zwillinge eine Schlüsselrolle.“

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