Herr Sonnborn, bei Levaco ist ein neues Prozessleitsystem im Einsatz. Wofür und in welcher Umgebung kommt es zum Einsatz?
Die Überwachung von Pumpen in industriellen Prozessen ist weit mehr als eine reine Schutzmaßnahme für das Pumpenaggregat. Neben der präventiven Wartung und...
Thomas Sonnborn: Die Implementierung erfolgte im Rahmen eines größeren Umbaus eines Reaktors. Man kann sich einen solchen Reaktor wie einen großen Kessel vorstellen, in dem die chemischen Zwischenprodukte entstehen. Konkret geht es hier hauptsächlich um Entschäumer und Tenside, also Komponenten, die Produkte wasserlöslich machen. Für diesen Reaktor wird jetzt Simatic PCS neo als übergeordnetes Leitsystem, das den Prozess steuert, eingesetzt. Wir wollen gut für die Zukunft gerüstet sein. Es hat ein veraltetes System ersetzt, das überwiegend mit Binärsignalen gearbeitet hatte und viele Bedienschritte noch manuell erfolgen mussten. So wurden zum Beispiel bisher Ventile per Hand umgeschaltet.
Sie haben sich konkret für dieses Prozessleitsystem entschieden – warum?
Sonnborn: Ausschlaggebend für die Entscheidung war die Ausrichtung des Systems auf die Digitalisierung. Wir wollten mit der neuesten Technik mitgehen und einen Fuß in der neuen Welt haben. Denn wir sprechen hier von einem webbasierten Leitsystem – mit allen Vorteilen: Man hat beispielsweise Zugriff auf alle Informationen von mehreren Standorten aus und kann auch die Visualisierung standortunabhängig aufrufen. Diese Transparenz ist ein echter Fortschritt.
Bitte erläutern Sie, warum die Entscheidung für Siemens gefallen ist.
Sonnborn: Das war insofern eine pragmatische Entscheidung, als wir durch das Prozessleitsystem Simatic PCS 7 bereits Erfahrungen mit der guten Vor-Ort-Betreuung durch Siemens gemacht haben. Und da 70 % unserer Anlage bereits mit Simatic PCS 7 läuft, sind unsere Programmierer und Elektriker schon auf Siemens-Hard- und -Software geschult.
Stephan Wolf: Man muss dazu auch sagen, dass die IO-Ebene mit ihren Hardware-Komponenten die gleiche ist wie bei Simatic PCS 7, sodass eine effiziente Umstellung der restlichen Anlage von Simatic PCS 7 auf Simatic PCS neo jederzeit möglich ist.
Sonnborn: Genau – das macht uns flexibel und hält alle Chancen für die Zukunft offen.
Sie haben jetzt erste Erfahrungen mit dem neuen Leitsystem gesammelt – welche Vorteile konnten Sie im Betrieb bei Levaco bisher feststellen?
Sonnborn: Da möchte ich vor allem die Visualisierung ansprechen: Es gibt mehr Einstellungsmöglichkeiten und sehr genaue, gute Visualisierungen, wie beispielsweise Kurvendiagramme. Besonders das schnelle Zoomen und die Vielzahl der konkreten Symbole, beispielsweise für den Temperaturfühler, machen das Bedienen leichter.
Ein ganz wichtiger Aspekt gegenüber dem zuvor in der Anlage verbauten, veralteten Automatisierungssystem ist: Mit Simatic PCS neo haben wir die Macht über die Anlage zurückerlangt – durch Transparenz. Denn das Leitsystem erlaubt uns, in die Anlage hineinzusehen, zuvor war das eine Black Box. Jetzt kann man eingreifen und die Prozesse verändern und optimieren. Durch zahlreiche Grundfunktionen haben wir viel mehr Möglichkeiten – ob es beispielsweise um die Temperatur oder die Dosierung geht. Was früher von Hand eingestellt werden musste, erfolgt nun automatisch, wie zum Beispiel die Öffnung von Ventilen, um eine definierte Temperatur zu erreichen. Jetzt gibt man einfach einen Sollwert ein – und die Anlage regelt das dann.
Das klingt nach großen Veränderungen mit viel Potenzial.
Sonnborn: Absolut.
Wie wirken sich diese Verbesserungen auf die Performance der Anlage aus?
Sonnborn: Die Möglichkeiten zur schnellen Feinjustierung wirken sich positiv auf die Qualität aus. Die ist natürlich besser geworden. Außerdem sind die Prozesse deutlich sicherer. Denn mit den neuen Sicherheitsbetrachtungen wurden die Prozesse optimiert, zum Beispiel indem Handapparaturen gegen Automatikapparaturen ausgetauscht wurden. Vieles ist auch schneller geworden, nicht zuletzt durch die neuen Rechner. In der Gesamtbetrachtung hat sich die Performance damit auf jeden Fall verbessert.
Was würden Sie als wichtigste Eigenschaft des neuen Systems bezeichnen?
Sonnborn: Kurz gesagt: Mit Simatic PCS neo sind alle Informationen auf jedem Rechner verfügbar und man hat Einblick in die ganze Anlage. Das reicht bis hin zur Fernwartung. Seit wir den Fernwartungszugriff auf unsere Anlage realisiert haben, können wir sehr komfortabel und sicher standortunabhängig auf die benötigten Informationen zugreifen. Auch das ist ein großer Schritt und bringt viele Vorteile mit sich.
Lassen Sie uns in der Chronologie noch einmal einen Schritt zurückgehen und einen Blick auf die Implementierung der neuen Anlage werfen. Können Sie diese Phase kurz skizzieren?
Sonnborn: Im Rückblick betrachtet war es ein komplexer Umbau mit hohen Anforderungen – manchmal ein steiniger Weg, und zwar für beide Seiten – für Siemens und für uns. Auch wir mussten unsere Hausaufgaben machen und die ganzen Prozesse und Grundfunktionen neu durchdenken und im Detail beschreiben. Aber es hat sich gelohnt. Am Ende haben wir ein entsprechend besseres Ergebnis. Und es war ein Invest in die Zukunft. Auf dieser Basis kann die kontinuierliche Weiterentwicklung aufsetzen.
Aber konkret zur Implementierung: Zuerst baute man das System bei Siemens auf und testete live die einzelnen Schrittketten und Grundfunktionen. Nach erfolgreichem Test erfolgte der Aufbau bei Levaco. Nachdem alles vor Ort verkabelt war, haben wir im nächsten Schritt die Prüfung der Grundfunktionen via IO-Test vorgenommen. Im Anschluss an diese Phase wurde in wenigen Wochen die alte Anlage abgerissen, die neue aufgebaut – und ging direkt produktiv. Dieses sportliche Timing haben wir auch erfolgreich umsetzen können.
Können Sie etwas näher auf den Aspekt der Zusammenarbeit eingehen?
Sonnborn: Ja gerne, die Zusammenarbeit funktionierte sehr gut. Wir standen immer in sehr engem Austausch mit den Programmierern und dem Projektleiter und haben den aktuellen Stand diskutiert: Ob es um die Verkabelung oder den Status der Soft- und Hardware ging. Und wir haben immer ein direktes Feedback zu unseren Wünschen und Vorstellungen erhalten, zum Beispiel beim Entwurf der Grundfunktionen. Es gab viele Gespräche – gleich um was es ging – wir hatten jederzeit einen Ansprechpartner bei Siemens. Das hat wirklich sehr gut geklappt.
Auf die Implementierung folgte die Startphase: Wie haben Sie die Einarbeitung in Simatic PCS neo empfunden?
Sonnborn: Als Simatic PCS 7 Kenner war es für uns sehr einfach. Sehr schnell hat sich eine Routine eingestellt. Speziell für die Programmierung planen wir allerdings, noch einen Lehrgang zu belegen.
Haben Sie schon erste Erfahrungen im täglichen Betrieb bei Nachjustierungen und Änderungen? Wie gut lassen sich diese im neuen Prozessleitsystem realisieren?
Wolf: Wir kommen sehr gut mit dem System klar, sodass wir Änderungen problemlos umsetzen können.
Sie gehören mit der ersten freigegebenen Version 3.0 zu den sogenannten ‚early adopters‘. Auf welche nächsten Features freuen Sie sich besonders?
Sonnborn: Zwei Features würden mir einfallen: Die Integration einer fehlersicheren Steuerung und die Realisierung von Batch-Prozessen. Wie wir wissen, ist beides aber bereits auf gutem Wege und wird in den nächsten Versionen kommen.
Richten wir noch einen Blick in die Zukunft – welche langfristige Perspektive sehen Sie für diese Anlage?
Sonnborn: Mit dieser Anlage sind wir für die nächsten Jahrzehnte gut aufgestellt, wenn wir sie entsprechend aktualisieren.
Wenn Sie zum Abschluss noch ein kurzes Fazit ziehen: Wem würden Sie das webbasierte Leitsystem empfehlen?
Sonnborn: Wer eine gute Visualisierung möchte und wer viele Clients hat, profitiert klar von Simatic PCS neo: Ohne einzelne Clients konfigurieren zu müssen, kann man das webbasierte System schnell, einfach und kostengünstig starten.
Herr Sonnborn, Herr Wolf, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Siemens AG, Nürnberg
DAS INTERVIEW FÜHRTE FÜR SIE Daniela Held
Redakteurin
„Wir wollen mit dem webbasierten Leitsystem einen Fuß in der digitalisierten Welt haben.“