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Open Automation ist die Zukunft

Nachhaltige Prozesse mit herstellerunabhängiger Automatisierungstechnik
Open Automation ist die Zukunft

Schneider Electric strebt eine optimale Nutzung von Energie und Ressourcen an, sowohl für das eigene Unternehmen als auch für die Kunden. Der Schlüssel dazu liegt in der Automatisierung und Digitalisierung der Prozesse. Open Automation sei für das französische Unternehmen der einzige und schnellste Weg in diese Zukunft, erklärt Jessica Bethune, Vice President Industrial and Process Automation DACH bei Schneider Electric.

Frau Bethune, welche Bedeutung hat die „Open Automation“ für Schneider Electric?

Jessica Bethune: Für uns als Schneider Electric ist Open Automation quasi der einzige Weg in die Zukunft. Mit dieser Technologie können wir unsere Kunden in die Lage versetzen, ihre Infrastrukturen und ihre Anlagen auf die Zukunft auszurichten und effizienter und flexibler zu gestalten. Und das bedeutet auf lange Sicht Standortsicherung, Resilienz sowie nachhaltiges Arbeiten und Wirtschaften.

Sie sagen Open Automation und Nachhaltigkeit gehören zusammen. Wie lassen sich vorhandene Ressourcen besser nutzen?

Bethune: Es fängt mit dem großen Thema Energie an. Wenn ich meine Anlage auf Basis der Daten zu Energieverbrauch, Energienutzung und Energiekosten steuern kann, dann ermöglicht das zum einen ein extrem energieeffizientes Arbeiten und zum anderen spare ich Geld, weil ich die Anlagen dann auf Hochtouren laufen lassen kann, wenn der Energiepreis günstiger ist. Dasselbe gilt für die Rohstoffe, die ich für die Produktion benötige. Ressourceneffizienz bedeutet aber auch, die Arbeitskräfte, die ich in meiner Produktion habe, so einzusetzen, dass sie Mehrwert generieren können und sich nicht an repetitiven Aufgaben festhalten müssen. Also im Kern mit minimalem Input maximalen Output zu generieren.

Wie wirkt sich die Nutzung offener Automatisierungslösungen konkret auf den Anlagenbetrieb aus?

Bethune: Der Anlagenbetrieb wird einfacher und flexibler. Bisher sind die Automatisierungslösungen weitestgehend proprietär. Die Software einer Mess-, Regel- oder Automatisierungskomponente ist mit der Hardware gekoppelt. Das bedeutet, bei Veränderung der Anlagen oder Veränderung der Prozesse, ist es schwierig, die entsprechenden Veränderungen auch in der MSR-Struktur umzusetzen. Es beginnt damit, dass die Software umprogrammiert werden muss bis hin zum Worst Case, dass Komponenten komplett getauscht werden müssen, um mit veränderten Anforderungen Schritt zu halten. Durch eine offene Infrastruktur, durch die Entkopplung von Software und Hardware, erlauben wir es unseren Kunden, schneller agieren zu können. Modular und interoperabel sind die Schlagworte, um Prozesse und Produktion schnell anzupassen.

Welche Rolle spielt Schneider Electric in diesem Zusammenhang?

Bethune: Schneider Electric setzt sich seit Jahren für einen herstellerunabhängigen und softwarezentrierten Automatisierungsansatz ein und ist Gründungsmitglied der Universalautomation.org. Die Non-Profit-Organisation ist eine Kooperation aus Unternehmen, Herstellern, OEMs, Start-ups und Universitäten und möchte mit der von ihr verwalteten Technologie (einer auf IEC61499 basierenden Runtime Execution Engine) die Nutzung eines offenen Automatisierungskonzepts ermöglichen.

Wie will Universalautomation.org dieses Ziel erreichen?

Bethune: Es gibt sehr viele Automations- und Digitalisierungstechnologien auf dem Markt. Das Problem ist aber, wie wir diese Technologien schnell und einfach integrieren und migrieren. Ziel von Universalautomation ist es, heterogene Umgebungen auch im Brownfield auf einfache und schnelle Weise zu digitalisieren und dafür müssen Technologien unterschiedlicher Hersteller miteinander kommunizieren. Der Schlüssel zu dieser herstellerunabhängigen Welt ist für Universalautomation die Norm IEC 61499. Sie kann als wesentlicher Baustein für die Entwicklung einer offenen industriellen Automatisierungsumgebung dienen, in der Softwareanwendungen über Hardwareplattformen verschiedener Hersteller hinweg portabel sind. Gerade die mittelständischen Unternehmen können mit solchen offenen Automatisierungslösungen einfacher in der Digitalisierung fortschreiten, was ihnen große Wettbewerbsvorteile verschafft. Da Universal Automation an den richtigen Stellen Komplexität stark reduziert, braucht es bei diesem Ansatz auch deutlich weniger Fachpersonal für repetitive Arbeiten. Und das ist aus unserer Sicht ein wesentlicher Punkt für den Standorterhalt Deutschland.

IEC 61499, MTP und O-PAS sind alles Ansätze für die Standardisierung der Anlagenautomation. Warum diese Vielfalt?

Bethune: Die oben erwähnten Standards bzw. Technologien sind keine Konkurrenz, sondern ergänzen sich, um Anwender mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen in die Lage zu versetzen, modular zu arbeiten. Bei Universalautomation geht es nicht darum einen weiteren, konkurrierenden Standard zu entwickeln, sondern grundsätzlich um die Entkopplung von Software und Hardware. Es geht darum, dass die Mitgliedsunternehmen auf einer gemeinsamen Runtime-Engine basierend auf dem IEC 61499-Standard Schnittstellen konfigurieren können, die einen Datenaustausch z. B. über O-PAS oder NOA ermöglichen. Auf diese Weise muss die Software für eine Applikation nur einmal geschrieben werden und kann dann über eine Art App-Store auf die jeweilige Hardware geladen werden. Das erhöht die Effizienz und Flexibilität. Schneider Electric beispielsweise hat mit Ecostruxure Automation Expert ein solches IEC-61499-fähiges Engineering-Tool auf dem Markt.

Wie beurteilen Sie die Zukunft des MTP-Standards?

Bethune: MTP wird sich für die Automation modularer Anlagen durchsetzen. Es braucht aber tatsächlich auch das gesamte Ökosystem, dass dies in der Praxis funktioniert. Wenn MTP zum Standard wird, wie die Namur fordert, ist ein echtes Plug & Produce mit einzelnen Assets wie Rührsystemen, Fördersystemen etc. möglich. Die übergeordnete Software zur Steuerung der Prozesse könnte dann z. B. das softwarebasierte, industrielle Automatisierungssystem Ecostruxure Automation Expert sein. Wir als Hersteller von Automatisierungslösungen genauso wie der Maschinen- und Anlagenbau und die Logistik sind nun gefordert, uns auf diese Datenpakete zu einigen und einen entsprechenden Austausch stattfinden zu lassen.

Wo stehen die Hersteller bei der Entwicklung offener Prozessautomatisierungslösungen?

Bethune: Am Anfang, auch wenn Ecostruxure als Plattform schon viele Jahre im Einsatz bei Kunden ist. Diese Plattform wird stetig um Funktionen ergänzt, für die Prozessindustrie sind das vor allem Hochverfügbarkeit, Redundanz und Sicherheit. Ein schönes Beispiel ist aktuell die Zusammenarbeit mit Phoenix Contact. Ecostruxure Automation Expert kann jetzt nahtlos mit der PLCnext Technology von Phoenix Contact eingesetzt werden. Beide Systeme setzen auf die Runtime-Technologie von Universalautomation.org, basierend auf dem IEC 61499-Standard. Benutzer haben nun die Möglichkeit, ihre Anwendungen mit Ecostruxure Automation Expert zu entwickeln und auf PLCnext-Steuerungen bereitzustellen.

Sind die Anwender grundsätzlich offen für die Implementierung dieser Technologie?

Bethune: Ja, auch die Anwender zeigen sich zunehmend offen für herstellerunabhängige Automatisierung. So sind wir mit dem offenen Automatisierungskonzept sowohl in Demonstrationsanlagen, z. B. bei BASF und GEA, als auch im industriellen Maßstab im Einsatz. Die aktuellen Großprojekte kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht im Detail benennen. Bei den Anwendern geht es u. a. darum, Kreislaufwirtschaft und Recycling in neuen Produktionsanlagen in Deutschland möglich zu machen. Mit unserem IEC61499-basierten Engineering-Tool kann schon bei der Planung und Konstruktion neuer Anlagen vom ersten Spatenstich an durchgespielt werden, wie effizient die Anlagen und Prozesse sind. Um diesen Vorteil zu nutzen und dann auch im Betrieb flexibel agieren zu können, werden viele Neuanlagen von Anfang an mit moderner Digitalisierungstechnik und leistungsfähiger Software ausgestattet.

Und wie sieht es bei bestehenden Anlagen aus? Wir haben in Deutschland ja einen großen Altbestand.

Bethune: Hier geht es darum, Stück für Stück die alten Anlagen zu digitalisieren. Aber angesichts heterogen gewachsener Strukturen und proprietärer Systeme ist das natürlich schwierig. Und da zeigen sich sofort die Vorteile einer herstellerunabhängigen Herangehensweise – auch wenn es in unserem Fall ja vorrangig um Automatisierung und nicht um Digitalisierung geht. Aber Universal Automation schafft mit der Abkehr von proprietären Systemen einfach eine ideale Grundlage für durchgängige digitale Vernetzung. Gerade in der Prozessindustrie, in der es auf sichere und kontinuierliche Prozesse ankommt, schaffen wir damit deutlich bessere Voraussetzungen, um künftig sinnvoll und mit dem richtigen Tempo modernisieren zu können. Gerade die energieintensive Prozessindustrie steht hier in den kommenden Jahren vor der großen Aufgabe, von Wasserstoff bis KI anspruchsvolle neue Technologien implementieren zu müssen. Unternehmen die Digitalisierung nicht als Kernkompetenz begreifen, werden über kurz oder lang in den komplexen Lieferketten und Ökosystemen keine Rolle mehr spielen. Daher wird sich die Frage, ob man im Brownfield ein Retrofit will, einfach nicht mehr stellen. Es ist ein Muss.

Welche Vorteile bietet die Standardisierung?

Bethune: Durch Standardisierung erreichen wir Skalierbarkeit der digitalen Technologien. Für uns bei Schneider Electric ist das eine elementare Voraussetzung dafür, um die so wichtige digitale Transformation zu beschleunigen und attraktiver zu machen. Wenn wir es als Industrie endlich schaffen würden, uns bei grundlegenden Dingen – wie Datenkommunikation – auf eine gemeinsame und standardisierte Sprache zu einigen, ließen sich Themen wie Migration und Integration erheblich vereinfachen und Komplexität würde reduziert. Wenn wir heute schon über das Potenzial von KI und Metaverse sprechen, dann müssen wir uns zugleich auch fragen, wie wir solch mächtigen Softwarelösungen Daten bestmöglich zur Verfügung stellen können. Hier stehen wir aus meiner Sicht noch ganz am Anfang – auch, weil es uns an Standardisierung mangelt.

Gibt es das industrielle Metaverse schon und was ist darunter zu verstehen?

Bethune: Ja, im Kleinen ermöglicht es Kunden die Überwachung oder Steuerung einer Anlage aus der Ferne. Die Software generiert eine virtuelle Realität, über die ich mir Daten aus einer Anlage in Echtzeit anschauen, Prozesse steuern oder Wartungs- und Instandhaltungsprozesse durchführen kann. Auch Konstruktion und Design von Anlagen und Prozessen können bereits im Rahmen des Metaverse erfolgen. Zukünftig ist nach meinem Verständnis aber eine viel weiter reichende Integration und Vernetzung gemeint. Dass also tatsächlich ein virtueller Raum oder sogar eine Art Treffpunkt entsteht, der deutlich über eine Maschine oder Anlage hinausgeht. In diesem Raum sind dann auch andere Gewerke oder Abteilungen eines Unternehmens oder vielleicht sogar verschiedene Teilnehmende an einem übergreifenden Ökosystem virtuell präsent. Metaverse hat in diesem Sinne also nicht nur eine technische, sondern auch eine kaufmännische und soziale Funktion. Und auch hierfür bereiten wir mit Universal Automation schon jetzt den Boden.

Welche Komponenten bietet Schneider Electric außerdem für die Open Automation?

Bethune: Grundsätzlich ist unser Ansatz, alle Produkte, die wir entwickeln, auf Basis des Standards IEC 61499 zu entwickeln. Es wird kein Produkt bzw. Bauteil mehr geben, das nicht in irgendeiner Form intelligent ist und entsprechend auch den Datenaustausch über standardisierte Schnittstellen sicherstellt. Produkte am Markt werden ausgetauscht, nachgerüstet oder weiterentwickelt.

Inwieweit treiben die Wünsche der Kunden die Entwicklung?

Bethune: Wir brauchen nichts herstellen, das für unsere Kunden nicht relevant ist. Daher sind wir im kontinuierlichen Austausch, arbeiten eng mit Namur zusammen und sind aktiv im ZVEI. Natürlich versuchen wir bei Schneider Electric hier und da an dem Gegebenen zu rütteln und unseren Kunden zu sagen: ,Eure Anlage wird euch in der Zukunft nicht mehr alle Bedarfe abdecken, wenn ihr nicht diese oder jene Technologie nutzt’.

Wie geht Schneider Electric mit Sicherheitsaspekten bei der Umsetzung von Open Automation um?

Bethune: Cybersecurity muss gewährleistet sein. Auch wenn wir von offenen Systemen sprechen, dürfen unberechtigte Dritte nicht zugreifen. Neben funktioneller Cybersecurity bieten wir unseren Kunden die 24/7-Überwachung ihrer OT-Umgebung im Remote-Zugriff an. Wir überwachen, ob es eine Aktivität auf der Softwareebene oder auf der OT-Ebene gibt, die nach einem unberechtigten Zugriff aussieht und setzen die entsprechenden Gegenmittel direkt in Aktion, ein sogenanntes securitybasiertes Alertmanagement

Schneider Electric geht als Unternehmen selbst in puncto Nachhaltigkeit voran. Welche Maßnahmen werden hier durchgeführt?

Bethune: Alles wovon wir sprechen, setzen wir in unseren Produktionsstandorten selbst um, von Energieeffizienz, Ressourceneffizienz bis hin zur Biodiversität. Wir elektrifizieren mit grüner Energie wo wir können, um unseren CO2-Fußabdruck so klein wie möglich zu halten. Von der Elektrifizierung des Fuhrparks bis hin zur Zusammenarbeit mit unseren größten 1000 Zulieferern, Partnergesellschaften. etc. versuchen wir die Dekarbonisierung unserer Prozesse voranzubringen, um die Ziele, die wir uns selbst gesetzt haben zu erreichen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Schneider Electric als eines der ersten Unternehmen überhaupt bereits 2005 einen sehr detaillierten Nachhaltigkeitsreport veröffentlich hat. 2021 wurden wir dann von Corporate Knights zum nachhaltigsten Unternehmen gekürt und konnten sogar den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2022 gewinnen.. Ein besonders schönes Beispiel dafür, was mit klugem Energiemanagement möglich ist, ist der ca. 5,5 Hektar große Euref-Campus in Berlin. Schneider Electric ist einer der Ankermieter und Haupttechnologiegeber. Durch ökologisch und ökonomisch nachhaltige Lösungen erfüllt dieser Campus bereits seit 2014 die Klimaziele der Bundesregierung für 2045.

Schneider Electric GmbH, Ratingen


DAS INTERVIEW FÜHRTE FÜR SIE Daniela Held

Redakteurin


„Herstellerunabhängige Automatisierung ist für uns der einzige Weg in die Zukunft.“

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