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Testanlage für Wasserstoff-Elektrolyse-Stacks

Systemoffenheit der Automatisierung als Erfolgsfaktor für die Wasserstoffwirtschaft
Testanlage für Wasserstoff-Elektrolyse-Stacks

In Einem sind sich alle Prognosen einig: Mit dem Umbau hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft wird der Bedarf an grünem Wasserstoff deutlich steigen. Die gute Nachricht ist, dass sowohl Know-how als auch innovative Produkte für diesen Wandel vorhanden sind. Das zeigt das Beispiel einer automatisierten Testanlage zur Optimierung von Elektrolyseuren.

 

Bereits kurz nach der vierten, der digitalen, Revolution befindet sich die deutsche Wirtschaft erneut im Umbruch. Die Ziele: Der konsequente Einsatz regenerativer Energien, eine durchgängige Elektrifizierung von Produktion und Mobilität sowie der Aufbau einer neuen Wasserstoffwirtschaft. Studien zeigen einen gigantischen Bedarf an Wasserstoff aus regenerativ erzeugtem Strom nur allein für Deutschland. Milliardenschwere Förderprogramme auf EU- und Landesebene sollen den Auf- und Ausbau der Wasserstoffindustrie nun ankurbeln – denn es muss schnell gehen, um die Klimaziele zu erreichen und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Als Sogwirkung erwarten Wirtschaftswissenschaftler zusätzliche private Investitionen von fast neun Milliarden Euro.

Der Wettbewerb ist eröffnet

Anhand der zu erwartenden riesigen Produktionsmengen und der gigantischen Größe des Marktes wird jetzt auch an den Feinheiten der Elektrolyse-Stacks, dem Herzstück der Wasserstoffproduktion, gefeilt. Jeder Hersteller will die Qualität und Ausbeute seiner Anlagen steigern und diese gleichzeitig so günstig wie möglich gestalten. Doch wie bewertet man in einem komplexen System mit hunderten Parametern die Auswirkung einer einzigen vermeintlich unbedeutenden Änderung?

Einer, der sich mit der Performance-Ermittlung von Elektrolyseuren auskennt, ist Jörg Bürkle. Der Geschäftsführer der Bürkle Anlagenbau GmbH aus Stuttgart begann seine Tätigkeit im Bereich Wasserstofftechnik beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart. Vor mehr als zehn Jahren startete dort seine Grundlagenarbeit zu diesem Thema: „Als Teil unserer Forschung haben wir gelernt, was nötig ist, um unterschiedliche Parameter eines Elektrolyseurs beurteilen zu können“, berichtet Bürkle.

Um der zunehmenden Nachfrage aus der Wirtschaft begegnen zu können, gründete Bürkle 2017 ein Gewerbe, aus dem rund fünf Jahre später die heutige Bürkle Anlagebau GmbH wurde. Das junge Team von Bürkle Anlagenbau baute damals wie heute Teststände, die messtechnisch in der Lage sind, Qualitätsfortschritte und Verbesserungen zu ermitteln. Angesichts der anlaufenden Massenproduktion traf das auf sehr großes Interesse bei den einschlägigen Produzenten und Betreibern von Wasserstoffelektrolyseuren.

Fragen über Fragen

Auf dem Weg zur Produktion einer kommerzielle PEM- oder AEM-Zelle (mehr zu den konkurrierenden Verfahren: siehe Kasten) sind viele produktionstechnische Fragen zu beantworten: Welche Materialien stehen zur Auswahl? Welche Produktionsverfahren sind sinnvoll? Welche geometrischen Eigenschaften oder Produktionsrückstände wirken sich auf den Betrieb aus? Wie reagieren Materialien unter dem späteren Produktionsdruck von 30 bar? Im Labor erarbeitete Material- und Verfahrensalternativen zur Beantwortung dieser Fragen werden auf dem Testständen von Bürkle mit verschiedenen Stromstärken zykliert getestet, um zu ermitteln, wie sich die Bauteile unter Stress verhalten. Normlastprofile werden abgefahren; und solche Profile, die denen von typischen erneuerbaren Energiequellen entsprechen.

„Unser System erfasst alle relevanten Messgrößen. Es ermittelt, ob angeforderte Temperaturen erreicht und gehalten werden oder Temperaturschwankungen auftauchen. Wir geben gezielt Druckschwankungen auf oder halten den Druck je nach Wunsch unserer Kunden konstant“, sagt Bürkle. Elektroimpedanzspektroskopische Messungen geben den Experten unter anderem Auskunft darüber, ob sich Zellen mehr kapazitiv oder induktiv verhalten. „Über die Betrachtung von Phasenverschiebungen können wir Aussagen treffen, ob ungewollte Widerstände im Bereich des Massentransports, des Wassers oder des Gases entstehen. Auch kann es sein, dass erhöhte Widerstände in der Membran bei der Ionenleitung existieren oder durch Kontaktstellen im Zellstapel aufgetreten sind“, erklärt Bürkle. Zudem erfassen die Anlagen die Gasreinheit an Anode und Kathode, um sicherzustellen, dass kein Sauerstoff im Wasserstoff enthalten ist und umgekehrt. Eine aus Ex-Schutz-Gründen unerlässliche Sicherheitsmaßnahme.

Komplexe Anlage aus einem Guss

Diese umfangreichen Messungen und, damit einhergehend, die Bereitstellung der digitalen Ergebnisse, wären ohne eine durchgängige Automatisierung nicht möglich. Dabei war es eine große Herausforderung, die notwendige Sensorik einzubinden: „Wir benutzen viele verschiedene Sensoren, von denen einige auch von Kundenseite geliefert werden und experimentell sind, also keine Standardsignale besitzen. Trotzdem muss die Anlage für die Anwender aus einem Guss daherkommen“, erläutert Bürkle. Um beide Anforderungen unter einen Hut zu bringen, setzen die Automatisierer auf Steuerungen von Wago. „Mit dem Open-Source-Ansatz von Wago können wir jedes noch so exotische Signal einbinden“, so Bürkle.

Bei Wago hat er – damals wie heute – Benjamin Böhm als Partner an seiner Seite. Der Global Industrie Manager von Wago blickt auf viele Jahre Tätigkeit im Energiesektor zurück und hat viele Kunden mit anspruchsvollen Automatisierungsvorhaben begleitet. Ein Projekt wie dieses sticht aus Böhms Sicht jedoch hervor: „Dekarbonisierung betrifft prinzipiell jede Branche. Dem Thema Wasserstoff fällt dabei eine besondere Rolle zu. Hier sehen wir einen starken Hebel, um mit unseren Automatisierungslösungen einen großen Nutzen für eine nachhaltigere Zukunft zu leisten“, so Böhm.

In den Testständen von Bürkle Anlagenbau sind die meisten Messwerte direkt in die Wago-Steuerung eingebunden. Das Team musste nur wenige Signale zuvor verstärken bzw. umwandeln, um den Endanwendern saubere Daten zu liefern. Mit der Flexibilität der Wago-Lösung kann Bürkle zudem bei spezifischen Kundenwünschen punkten: „Wir erhalten immer wieder spezielle Anfragen und müssen in der Lage sein, auch diese zu programmieren“, so Bürkle. Beispielhaft berichtet er von einem Anwender, der Messdaten direkt von der Steuerung in seinen proprietären Datenpool geschickt haben wollte. Zwischengeschaltete Computer waren unerwünscht, weil sie eine Schwachstelle bilden. „Der Kunde war perplex, wie schnell wir seine Anforderung direkt aus der Wago-Steuerung umsetzen können“, so der Geschäftsführer.

Systemoffenheit als Erfolgsfaktor

Die von Bürkle beschriebenen Anforderungen sieht Böhm stellvertretend für viele andere: „Gerade beim Thema Wasserstoff zahlt sich unsere Offenheit bei Protokollen und Schnittstellen aus.“ Er betreut für Wago nicht nur Testanlagen wie die von Bürkle, sondern begleitet Kunden aus den unterschiedlichsten Bereichen der Wasserstoffwirtschaft. „Alle diese Anwender erwarten, dass die unterschiedlichsten Datenquellen integriert werden und ihre individuellen Systeme saubere Daten von der Steuerung erhalten“, so Böhm. Und stolz fügt er hinzu: „Am meisten motiviert mich, dass wir als Team mit unserem Know-how unseren persönlichen Beitrag dazu leisten, dass die in Zukunft benötigten riesigen Mengen grünen Wasserstoffs auch wirklich produziert werden.“

WAGO GmbH & Co. KG, Minden


Autor: Frank Jablonski

Freier Journalist


Wasserstoff:   Produktionstechnik

In einer Elektrolysezelle liegt eine externe Spannung an, die über der Zersetzungsspannung von Wasser (zwischen 1,6 und 2 V) liegen muss, um beschleunigt durch katalytisch wirkende Elektroden Wasserstoff und Sauerstoff zu produzieren. Grundsätzlich gibt es verschiedene Verfahren, um Wasserstoff zu produzieren. Dazu gehört die alkalische Elektrolyse (AEL), in der Anode und Kathode in einer Kalilauge schwimmen und durch ein Diaphragma getrennt sind. Wenn der Elektrolyt ein fester keramischer Werkstoff ist, der die beiden Halbzellen trennt, spricht man von einer Festoxidelektrolyse. Sie arbeitet sehr effizient bei hohen Temperaturen von 500 bis 850 °C. Die Proton-Exchange-Membran-Elektrolyse (PEM) gehört zu den sauren Verfahren. In einer solchen Zelle trennt ein Elektrolyt aus einer dünnen Polymermembran Anode von Kathode. Da sie ein gutes Lastwechselverhalten besitzt, eignet sie sich für Anwendungen, in denen schwankende regenative Quellen den Strom bereitstellen, ist aber aufgrund von kostspieligen Edelmetallen teurer.

Die Anion-Exchange-Membran Elektrolyse (AEM) gleicht von den verwendeten günstigeren Materialien der AEL, allerdings werden hier analog zur PEM sehr dünne Membranen verwendet, welche die Effizienz steigern. Diese AEM ist aber noch im Entwicklungsstadium.

Wenn mehrere Zellen zu einem Stack kombiniert werden sollen, müssen sie mithilfe von Bipolarplatten voneinander getrennt werden. Diese stellen den elektrischen Kontakt zwischen Anode und Kathode her, müssen aber gasdicht sein. Zusammen mit der Gasdiffusionslage, der Katalysatorzusammensetzung und der Membran sind sie wesentliche Elemente für die produzierte Gasmenge, den Wirkungsgrad und die Lebensdauer einer Zelle.

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