Boundless Automation war das Schlagwort beim Emerson Exchange EMEA 2024 in Düsseldorf. Emerson lud führende Automatisierungsexperten aus aller Welt ein, gemeinsam eine neue Ära der Produktivität einzuläuten. Der Schlüssel hierzu – eine softwaredefinierte Automatisierungsarchitektur zur Integration von intelligentem Feld, Edge und Cloud. Begleitet wurde der Kongress von einer umfangreichen Ausstellung, auf der die neuesten Emerson-Produkte zu sehen waren.
- Welchen Nutzen bringt Boundlesse Automation?
- Hierarchische Netzwerke aufbrechen
- Edge-Lösung schafft direkten Zugang zu Betriebsdaten
- Digitaler Stellungsregler mit Embedded Edge Computing
- Aus der Praxis: Modernisierung von Olefin-Produktionsanlagen
Lal Karsanbhai Präsident und CEO von Emerson eröffnete den Emerson Exchange 2024. „Unser Business ist es, mit der besten Technologie Ihr Problem zu lösen“, versprach Karsanbhai. Mit der zunehmenden Intelligenz der Feldgeräte werden immer mehr Daten generiert. Um diese für die mehr Effizienz der Prozesse, für die KI und nicht zuletzt für Cybersecurity nutzen zu können, müssen sie über alle Unternehmensbereiche hinweg zugänglich gemacht werden. „Befreit die Daten!“ proklamierte Karsanbhai in Düsseldorf, „unsere Vision ist es, die Grenzen für die Daten zu überwinden. Unsere Lösung heißt Boundless Automation, eine Technologie, die Datensilos aufbricht, Daten freisetzt und die Leistungsfähigkeit der Softwareprodukte erhöht.“
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Welchen Nutzen bringt Boundlesse Automation?
Viele Unternehmen ringen darum, den vollen Nutzen aus ihren Bemühungen um die digitale Transformation zu ziehen. Oft scheitern sie an den Grenzen der heutigen hierarchischen Automatisierungsarchitektur. In jeder Ebene von den Feldgeräten über die Steuerungseben bis zur Prozessleitebene und der darüberliegenden Cloud entstehen Daten, die die allerdings nicht einfach über diese Grenzen hinweg eingesehen oder ausgetauscht werden können. Eine Lösung dieser streng hierarchischen Strukturen sind Technologiepakete für funktionelle Bereiche wie Produktionsabschnitte, Sicherheit oder neuerdings auch Nachhaltigkeit, die aber gleichermaßen zu Inseln fragmentierter Daten, sogenannten Datensilos, führen. Infolgedessen bleiben die von der digitalen Transformation in Aussicht gestellten neuen Geschäftseinblicke oft unerreichbar.
Boundless Automation ist eine Vision und gleichzeitig eine umsetzbare Strategie vor, um mehr Rechenleistung dorthin zu bringen, wo sie benötigt wird, und die Blaupause für eine moderne industrielle Informationsverarbeitung zu schaffen. Hierzu gehören der flexible Einsatz von Software im gesamten intelligenten Feld sowie eine moderne softwaredefinierte Edge und die Cloud. Alle drei Bereiche werden durch eine vereinheitlichende Datenstruktur verbunden, die dazu beiträgt, den Kontext der Daten zu erhalten, ihre Nutzbarkeit zu verbessern und die Sicherheit zu erhöhen.
Hierarchische Netzwerke aufbrechen
Emersons softwaredefinierte Automatisierungsarchitektur bricht hierarchische Netzwerke auf und kontextualisiert Daten sowohl für Menschen als auch für die künstliche Intelligenz (KI). Peter Zornio, CTO bei Emerson, erklärte die Vorzüge der Technologie folgendermaßen: „Die Architektur von Emersons Boundless Automation wird Barrieren und Datensilos im intelligenten Feld, in der Edge und in der Cloud aufbrechen. Die Integration dieser unterschiedlichen Systeme in eine einheitliche Datenstruktur bietet neue Erkenntnisse und hilft den Unternehmen, ihre Betriebsabläufe in den Bereichen Produktion, Zuverlässigkeit, Sicherheit, Nachhaltigkeit und Personal zu optimieren.“ Dabei kommen den drei Bereichen Feld, Edge und Cloud verschiedenen Aufgaben zu:
- Intelligentes Feld:
Ein intelligentes Feld wird den Zugang zu mehr Daten aus verschiedenen Quellen und einer größeren Vielfalt von Anwendungen vereinfachen. Mit intelligenteren Geräten und neuen Verbindungstechnologien wie 5G und APL können Kunden sowohl die Konnektivität von jedem Ort der Welt als auch die Integration in die neue Architektur optimieren. - Edge:
Der neue OT-Edge schafft eine moderne, sichere Datenverarbeitungsumgebung mit geringer Latenz, die neue Software-Tools und verwertbare Daten möglichst nah an den Nutzer bringt. Diese verbesserte Edge-Umgebung schafft eine Plattform für IT- und OT-Kollegen, die mehr als je zuvor innovativ zusammenarbeiten können. - Cloud:
Die Cloud wird komplexe betriebliche und technische Funktionen vor Ort und im gesamten Unternehmen unterstützen, indem sie unbegrenzte analytische Rechenleistung, unternehmensweite Zusammenarbeit, attraktive Lebenszykluskosten sowie bedarfsgerechten Support und Service bietet.
Edge-Lösung schafft direkten Zugang zu Betriebsdaten
Emersons Edge-Lösung heißt DeltaV Edge. Diese integrierte Softwarelösung erweitert die Fähigkeiten der DeltaV-Automatisierungsplattform. Wertvolle Daten, die aus intelligenten Geräten, Maschinen und Systemen gewonnen werden, unterstützen unternehmensweite Analytik. Die OT-Daten sind jedoch häufig in verschiedenen System- und Netzwerkebenen eingeschlossen, was sinnvolle Zusammenhänge nicht erkennen lässt. Die DeltaV-Edge-Umgebung erweitert die Horizonte des Prozessleitsystems durch Schaffung einer sicheren Datenautobahn, auf der Anwender kontextbezogene Daten nahtlos und direkt mit Cloud- und Unternehmensanwendungen austauschen können. Gleichzeitig kann ein integriertes Experimentierfeld – eine Testumgebung (eine sogenannte Sandbox) für kritische Innovationsaufgaben wie die Erstellung von Dashboards, die Ausführung von Anwendungen und das Training von KI-Tools – verwendet werden.
Ein einzelner, verschlüsselter, ausschließlich ausgehender Datenstrom unterstützt autorisierte Anwender beim konstanten Zugriff auf Daten nahezu in Echtzeit, ohne dass diese auf das Leitsystem zugreifen – was ein bei herkömmlichen kundenspezifischen Lösungen häufig auftretendes Risiko darstellt. Nutzer können Visualisierungs-, Analytik- und Alarmmanagementanwendungen sowie Simulationen digitaler Zwillinge und andere Anforderungen mit den kontextbezogenen Daten ausführen, die in der DeltaV Edge verfügbar sind. OT-Teams können sicher sein, dass die von ihnen genutzten, umfassenden Daten stets ein präzises Replikat auf aktuellem Stand sind sowie die aktuellen Betriebsbedingungen vollständig widerspiegeln.
Die DeltaV-Edge-Umgebung nutzt offene, gängige Protokolle wie OPC UA, um kontextbezogene Daten bereitzustellen. Gleichzeitig erstellen standardmäßige Application Programming Interfaces wie die Representational State Transfer-Architektur (REST API) und Scripting-Tools wie Python ein virtuelles Experimentierfeld, in dem Nutzer ihre Anwendungen entwickeln und ausführen können.
Digitaler Stellungsregler mit Embedded Edge Computing
Der digitale Stellungsregler Fisher Fieldvue DVC7K verfügt über Advice-at-the-Device-Technologie mit eingebettete Datenverarbeitung und Analytik, die Rohdaten in entscheidungsrelevante, lokal am Gerät verfügbare Informationen umwandeln. Zudem ist das Gerät bluetoothfähig. Dadurch kann das Wartungspersonal die Daten kabellos auf einem Smartphone, einem Tablet oder einem Computer empfangen, ohne dass sie in einer Messwarte der Anlage anwesend sein müssen. Diese Stellungsreglertechnologie verbessert die Performance, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit sowohl von Auf/Zu- als auch Regelventilen und dadurch die der gesamten Prozessanlage oder -einheit.
Digitale Stellungsregler sind als Zubehörgeräte für Regel- und Auf/Zu-Ventile erhältlich, um die lokale Analyse von Ventildaten, digitale Kommunikation mit Hostsystemen und andere Merkmale zu ermöglichen. Wenn ein Stellventil beispielsweise nur langsam auf Hubbefehle reagiert, ist dies häufig ein frühes Anzeichen von auftretenden Problemen. Der DVC7K erkennt diesen Zustand, benachrichtigt das zuständige Personal und gibt Empfehlungen für Korrekturmaßnahmen. Der Stellungsregler nutzt dazu in Echtzeit verfügbares und fest in die Konstruktion integriertes Edge Computing, um Probleme analysieren und entscheidungsrelevante Informationen bereitstellen zu können. Dies bildet die Grundlage für Echtzeit-Einblicke in den Zustand von Ventilen durch lokale Analyse von Daten mithilfe der integrierten Diagnosefunktionen. Wenn die Analyse ein Problem offenlegt, wird eine Warnmeldung erstellt, die sowohl am Gerät als auch aus der Ferne angezeigt werden kann. Alle Warnmeldungen enthalten empfohlene Maßnahmen zur Behebung des Problems.
Bisher mussten von digitalen Stellungsreglern erfasste Daten zur Verarbeitung und Aufbereitung für die Anzeige an ein Hostsystem übertragen werden. Die intelligenten Funktionen dieses neuen Systems machen die Daten nun jedoch verfügbar, ohne dass die Software eines Hosts erforderlich ist. Alle Informationen können auf dem lokalen Benutzeroberfläche des DVC7K angezeigt oder nach der Übertragung über ein verkabeltes digitales Netzwerk an einen Host wie ein Prozessleit- oder Assetmanagementsystem auch remote genutzt werden.
Das lokale Benutzeroberfläche stellt mittels LEDs einen Überblick über den Ventilzustand bereit, und Anwender können vom Startbildschirm des Interface aus weitere detaillierte Informationen anzeigen. Emerson Secure Bluetooth ermöglicht aus bis zu 9 m Entfernung Zugriff auf einen oder mehrere digitale Stellungsregler von einem beliebigen Bluetooth-fähigen Gerät wie einem Smartphone oder Tablet. Das Anlagenpersonal kann diese Informationen also lokal, in der Nähe des Geräts oder remote verwenden, um Einblick in den Zustand von Ventilen zu erhalten.
Aus der Praxis: Modernisierung von Olefin-Produktionsanlagen
Lyondellbasell hat Emerson ausgewählt, um die Leitsysteme und Software am Unternehmensstandort Wesseling in Deutschland zu modernisieren. Die Implementierung fortschrittlicher Automatisierungstechnik wird dazu beitragen, die Betriebsabläufe eines Ethylen-Crackers und einer Butadien-Produktionsanlage zu verbessern. Die digitalen Tools und Projektengineering-Dienstleistungen von Emerson werden die reibungslose Durchführung der im Jahr 2024 geplanten Abschaltung der Anlage unterstützen.
Der Standort Wesseling von Lyondellbasell ist die größte Fertigungsanlage des Unternehmens in Europa. Lyondellbasell standardisiert seine Leitsystemtechnik im Rahmen eines globalen Modernisierungsprogramms. Emerson wurde für das Projekt ausgewählt, nachdem das Unternehmen zeigen konnte, dass es in der Lage ist, alle Hardware- und Software-Upgrades während der zweiwöchigen Abschaltzeit zu implementieren.
Dabei werden das DeltaV-Prozessleitsystem und die DeltaV-Live-Software von Emerson eingesetzt, um den Ethylen-Cracker sicher und effizient zu betreiben, wobei die AMS Device Manager Software des Unternehmens die Inbetriebnahme und die laufende Wartung der Feldinstrumente unterstützen wird. DeltaV Live bietet moderne Benutzerinterfaces, die das Management der Anlage vereinfachen, Bedienern die schnellere Identifizierung von Problemen ermöglichen und die Produktivität der Mitarbeiter maximieren werden.
Im Laufe des gesamten Projektes kommen zudem virtuelle DeltaV-Systeme zum Einsatz, um Entwicklung, Tests und Schulungen zu unterstützen. Eine Bedienerschulung mithilfe der Mimic-Prozesssimulationssoftware von Emerson wird es Bedienern ermöglichen, sich bereits vor der Inbetriebnahme mit dem neuen Leitsystem vertraut zu machen.
Eine Reihe digitaler Tools, die Modernisierungsprojekte von Systemen rationeller gestalten, wird einen entscheidenden Beitrag zur Einhaltung des Zeitplans leisten. Dazu gehört die Emerson Revamp-Software, die Algorithmen für künstliche Intelligenz (KI) nutzt, um die Aufgabe zur Identifizierung von vorhandenem Steuerungssystemcode zu automatisieren, der bei der Erstellung der DeltaV-Systemkonfiguration verwendet werden soll, was Fehler vermeidet und die Entwicklungszeit reduziert. Cloud-basierte Tools werden die gemeinsame Projektplanung und -ausführung unterstützen sowie die Design-, Entwicklungs- und Testphasen rationalisieren. Gleichzeitig wird eine Reihe digitaler Tools den Anschluss vorhandener E/A an das neue Leitsystem vereinfachen.
Autorin: Daniela Held