Das Gejammere über zu hohe Preise ist so alt wie die Menschheit. Seit wir Handel treiben, Waren produzieren oder Dienstleistungen anbieten läuft immer das gleiche Spiel: Der Eine möchte möglichst viel für seine Ware haben und der andere möglichst wenig dafür bezahlen. Am Ende einigt man sich wie auf dem Basar auf einen Preis, mit dem beide Seiten leben können. So funktionierte Wirtschaft lokal und im Kleinen.
Dann kam die Globalisierung. Eine schöne neue Welt, die auf einmal den weltweiten Handel ermöglichte und die weltweite Produktion von Waren. Plötzlich stehen völlig unterschiedliche Regionen, Märkte und Philosophien miteinander in Konkurrenz – auf einmal stellt sich die Frage nach dem Standort. Wo sind die Bedingungen am günstigsten? Wo habe ich die besten oder billigsten Arbeitskräfte? Werde ich als Unternehmen unterstützt? Die Standortfrage hat viele Facetten: Umweltauflagen, Energiekosten, Personalkosten usw. Die Liste ist lang und wird neuerdings wieder durch einen billigen Preis für Industriestrom ergänzt. Und führt in Deutschland immer häufiger zu der Frage: Bin ich hier noch richtig?
Die Lage in Deutschland ist ernst…
Seit Beginn des Ukraine-Krieges sind die Preise für Energie drastisch gestiegen. Besonders betroffen sind energieintensive Unternehmen der Prozessindustrie. Sie produzieren vor allem Güter und Ausgangsstoffe für deutsche Schlüsselbranchen wie die Automobilindustrie oder den Maschinenbau. Allein 2022 erzielten die energieintensiven Industrien eine Wertschöpfung von rund 241 Mrd. Euro und beschäftigten etwa 2,4 Mio. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Unternehmen sind damit für rund ein Fünftel der gesamten Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe verantwortlich. Wenn diese Unternehmen Abwanderungsgedanken hegen, sollten wir uns Sorgen machen. Das sieht auch der VCI so. In einem Positionspapier heißt es: „Die internationale Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Industriezweige ist aktuell in einigen Bereichen nicht mehr gegeben und in fast allen Sektoren akut bedroht.“
…aber nicht hoffnungslos
Über Strompreise wird diskutiert, seit ich denken kann. Jetzt scheint bei vielen Unternehmen allerdings eine Grenze erreicht zu sein, wo klare Lösungen her müssen. Genau das scheint aber das Problem zu sein. In der Ampelkoalition kann man sich nicht so recht einigen, wie die Klausurtagung in Meseberg gezeigt hat. Die Grünen und Wirtschaftsminister Habeck möchten möglichst schnell einen Industriestrompreis, die FDP und Finanzminister Lindner sind gegen einen subventionierten Strompreis. Und Kanzler Scholz hat ebenfalls klar zu verstehen gegeben, dass es so etwas nicht geben wird. Womit wir wieder auf dem Basar wären. Schließlich hat man sich doch auf ein Milliardenpaket geeinigt, um die deutsche Wirtschaft anzukurbeln.
„Die Ergebnisse der Klausurtagung in Meseberg gehen in die richtige Richtung, reichen aber bei Weitem noch nicht aus“, sagt Tanja Gönner, BDI-Hauptgeschäftsführerin und kritisiert die Veranstaltung: „Das Ausbleiben von jeglichem Instrument, das in der aktuell schwierigen Lage Stromkostenbelastungen reduziert, ist fatal. Die Bundesregierung darf sich bei diesem Problem nicht wegducken. Wettbewerbsfähige Energiekosten sind ein bedeutender Standortfaktor und müssen für besonders energieintensive Unternehmen erhalten bleiben. Ein Paket für den Wirtschaftsstandort Deutschland muss daher für alle Verbraucher die Senkung der Stromsteuer auf das EU-Mindestniveau vorsehen, befristet einen Preis für Industriestrom für besonders energieintensive Unternehmen enthalten und die Verlängerung eines Energiesteuer-Spitzenausgleichs erneut sicherstellen.“
Der Strompreis muss runter
Eines ist also klar: Der Strompreis muss in Deutschland runter, damit der Standort für energieintensive Unternehmen attraktiv bleibt. Dabei möchte der BDI keine Dauer-Subventionen, sondern ein umfassendes Konzept für dauerhaft bezahlbare und sichere Energie. Ein Vorschlag von Tanja Gönner und vielen anderen wäre, die Stromsteuer zu senken. Sie liegt aktuell in Deutschland bei 2,05 Cent pro Kilowattstunde. Die EU schreibt jedoch lediglich einen Mindeststeuersatz von 0,1 Cent pro Kilowattstunde vor. Damit kassiert unser Staat locker mal das 20-fache des in der EU üblichen Satzes. Insgesamt belasten staatliche Abgaben, Umlagen und Steuern nach Angaben des BDI den Strompreis mit über 12 Cent je KWh.
Der Stromverbrauch ist somit eine gute Einnahmequelle für den Staat. Er finanziert damit den Umstieg auf erneuerbare Energien und die Dekarbonisierung, indem er den Bau von Solar- und Windkraftanlagen subventioniert. Leider ist das, wie wir alle wissen, ein zähes Ringen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien geht viel zu langsam voran. Statt der notwendigen fünf Windräder pro Tag bauen wir gerade mal zwei. So wird das nichts. Vor allem die Bürokratie steht dem Ausbau im Wege. Hier will und muss die Bundesregierung Abhilfe schaffen. Denn der schnelle Ausbau hat enorme Vorteile: Der grüne Strom ist billig. Und: Je schneller wir ans Ziel kommen, desto schneller fallen teure Subventionen Weg, die wir über den Strompreis refinanzieren. Bis es soweit ist, gilt es eine Brücke zu bauen – mit staatlich gefördertem (wie auch immer das aussieht) Industriestrom für energieintensive Unternehmen.
Was meinen Sie? Sollten energieintensive Unternehmen mit einem billigen Industriestrom unterstützt werden? Schreiben Sie mir eine Mail an bernd.rademacher@konradin.de oder nutzen Sie das unten stehende Formular. Ich bin auf Ihre Antworten gespannt.
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