Die Förderung von Öl oder Gas ist komplex, zeit- und kostenintensiv. Das gilt insbesondere in Explorations- und Transportregionen, wo Niedrigtemperaturen geografisch gegeben sind, z. B. in Alaska, Kanada oder Russland. In diesen Regionen ist Tieftemperaturbeständigkeit eine essenziell wichtige Voraussetzung. Ein absoluter Grenzbereich für Elastomerdichtungen in diesem Anwendungsgebiet.
Alle Bohrungen haben eins gemeinsam: Die Anforderungen an das verwendete Material und die zum Einsatz kommenden Komponenten sind extrem. So müssen beispielsweise Bohrköpfe hohen Bohrschlammdruck, Vibrationen, starken Druckschwankungen und aggressiven chemischen Substanzen standhalten. Bei einer Tiefenbohrung (Downhole Drilling) müssen die Materialien hohen Drücken bei gleichzeitig hohen Temperaturen von bis zu 200 °C widerstehen können. Wenn in diesen Bereichen ungeeignete Elastomerdichtungen eingesetzt werden, z B. in den Ventilsteuerungen für die Motoren oder Auslösemechanismen und Messgeräte, kann das eine ganze Maschineneinheit beschädigen und die Förderung muss gestoppt werden. Zusätzliche Probleme sind, dass der Bohrkopf und die gesamte Antriebstechnik während der Bohraktivität nur sehr begrenzt beobachtet werden können und ein Austausch der Dichtungen bei Bohrtiefen von über 2500 m nicht so einfach möglich ist.
Da ein Produktionsstopp mit laufenden Plattform- und Crew-Kosten von ca. 200 000 Euro pro Tag (in manchen Fällen sogar bis zu 500 000 Euro täglich) fatale Folgen hat, ist absolute Zuverlässigkeit auch unter Extrembedingungen bei den eingesetzten Komponenten ein Muss.
Neben der Exploration sind der Transport, die Lagerung und die Verarbeitung von Öl und Gas bzw. die nachgelagerte Produktion chemischer und petrochemischer Erzeugnisse typische Anwendungsgebiete für Elastomerdichtungen. Als wichtige, da sicherheitsrelevante Komponenten werden sie in in den Antriebsmotoren der Bohrköpfe, in Gasfiltern, Ventilen, Verrohrungen, Armaturen, Pumpen oder Kompressoren eingesetzt.
Explosive Dekompression
Viele Betreiber in der Öl- und Gasindustrie sowie Hersteller der Zulieferbauteile haben häufig Leckageprobleme mit Elastomerdichtungen, insbesondere bei Druckabfall. Davon sind in erster Linie Dichtungen betroffen, die gegenüber gasförmigen Medien abdichten müssen, wenn das Gas von einem hohen Druckniveau innerhalb von kurzer Zeit auf ein niedriges absinkt. Dieser Vorgang ist dann die Ursache für die Beschädigung der Elastomerdichtung, die beispielsweise durch Blasenbildung an der Oberfläche visuell leicht zu erkennen ist. Dieses Phänomen ist als explosive Dekompression bekannt.
In Anwendungen mit explosiver Dekompression dürfen ausschließlich nur speziell für diesen Bereich konzipierte und getestete Elastomere zum Einsazt kommen, da der Widerstand herkömmlicher Elastomerdichtungswerkstoffe gegenüber den hier auftretenden Kräften nicht ausreichend ist. Die sogenannten AED- oder RGD-Dichtungswerkstoffe (Anti-Explosive-Decompression oder Rapid Gas Decompression) widerstehen dagegen diesen harten Bedingungen. Elastomerdichtungen können die Beständigkeit gegenüber explosiver Dekompression mit dem Test nach Norsok M-710 Rev. 3 (Annex B) und/oder ISO 23936-2 nachweisen.
Maßgeschneidert für Öl & Gas
In sehr kalten Regionen kommt, neben den ohnehin schon extremen Anforderungen an Elastomerdichtungen, mit der Kälte eine weitere große Herausforderung hinzu. Sei es beim oberirdischen Einbau der Dichtung in kalter Umgebungstemperatur oder beim dauerhaften Einsatz, z. B. in Molchschleusen, Armaturen oder Ventilen der Pipelines. Die meisten Elastomerdichtungen, insbesondere bei den überwiegend eingesetzten FKM-Dichtungen, sind im Einsatz bei Temperaturen unter -25 °C häufig nicht sehr geeignet. Nur spezielle FKM-Werkstoffe kommen hier zum Einsatz. Diese sind dann aber meist nicht AED/RGD beständig oder chemisch stark widerstandsfähig.
Speziell für diese Anwendungen hat C. Otto Gehrckens – kurz COG genannt – einen FKM-Spezial-Compound entwickelt und intensiv prüfen lassen. Der FKM-Werkstoff
Vi 900 hat den Norsok-Standard M-710-Test mit dem bestmöglichen Ergebnis „0000“ abgeschlossen. Darüber hinaus erfüllt dieser Hochleistungs-FKM die ISO 23936-2 Anforderungen zur Beständigkeit gegen explosive Dekompression. Mit einer Einsatztemperatur von -51 (TR-10 Wert -40 °C) bis 230 °C kann dieses Dichtungsmaterial problemlos auch bei großen Temperaturschwankungen eingesetzt werden. Der FKM Vi 900 eignet sich deshalb auch für den Einsatz in Bauteilen oder Baugruppen mit API 6A & 6D der Ventil- und Armaturenindustrie, wo eine Designtemperatur von -46 °C verlangt wird. Abgerundet wird das Werkstoffprofil des äußerst chemisch resistenten FKM-Compounds mit dem branchenrelevanten NACE TM 0187(Sauergas)-Standard. Speziell die Kombination von chemischer- und AED-Beständigkeit bei gleichzeitiger Tieftemperaturflexibilität, lässt dieses Dichtungsmaterial für den Einsatz in Regionen mit Niedrigtemperaturen für Konstrukteure und Anwender bei technisch extremen Herausforderungen in der Öl- und Gasbranche interessant werden.
C. Otto Gehrckens GmbH & Co.KG, Pinneberg