Zunehmend strengere Umweltvorschriften, ein Markt, der sich an nachhaltigeren Produkten und Prozessen orientiert und ein hoher Wettbewerbsdruck durch Schwellenländer, insbesondere bei Bulkmengen zu niedrigen Herstellkosten – die Herausforderungen, denen sich die europäische Industrie heute stellen muss, sind alles andere als trivial. Während Europa den Kampf um viele preiswerte Basischemikalien bereits verloren hat, geht es jetzt um die Zukunft bei der Herstellung von Feinchemikalien mit höheren Gewinnmargen.
Die Überwachung von Pumpen in industriellen Prozessen ist weit mehr als eine reine Schutzmaßnahme für das Pumpenaggregat. Neben der präventiven Wartung und...
Vor mehr als 20 Jahren veröffentlichten die amerikanischen Chemiker Paul Anastas und John Warner das Buch „Green Chemistry: Theory and Practice“ (Oxford University Press; 1998), in der sie zwölf Eigenschaften nachhaltiger chemischer Synthesen beschreiben (s. a. Textkasten). Ausgehend von Forschung und Entwicklung an Universitäten und im pharmazeutischen Bereich hat sich die grüne Chemie inzwischen zu einem mächtigen Werkzeug zur technologischen Erneuerung der chemischen Industrie entwickelt.
Grünes Engineering
Grüne Chemie zur verträglicheren Gestaltung von chemischen Synthesen wird vor allem von den F&E-Einheiten eines Unternehmens entwickelt, das an möglichst effizienten Technologien interessiert ist. Dabei hängt der industrielle Erfolg eines neuen Prozesses nicht zuletzt von einem Planungspartner ab, der die technologische und wirtschaftliche Machbarkeit vom ersten Moment an gewährleistet und die Zeit bis zur Industrialisierung verkürzt. Es bedarf auch einer besonderen verfahrenstechnischen Herangehensweise, die als „grünes Engineering“ definiert werden kann: Engineering im Dienst der grünen Chemie.
Für etablierte Industriepraktiken bedeutet dies häufig Umwälzungen. Die Umsetzung der zwölf Prinzipien erfordert beispielsweise, dass die Verfahrenstechnik auch schon einmal zurück „ins Labor kommt“ und einen proaktiven und hochgradig interdisziplinären Austausch von Chemikern und Ingenieuren fördert.
Energieeffizienz
Die Energieeffizienz zu verbessern, ist für einen Chemiker, der im Labor alternative Synthesen im Gramm-Maßstab entwickelt und bewertet, keine leichte Aufgabe. Hier sind die Engineering Tools der prädiktiven Modellierung (mit Analyse von Energieströmen und Optimierung) und der Prozesssimulation hilfreich. Diese Instrumente stehen schon für eine erste Konzeptstudie zur Verfügung, um Informationen über den Energiebedarf, die Umweltauswirkungen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der zu entwickelnden Synthese zu erhalten. Damit lassen sich schon in der F&E-Phase proaktiv wichtige Weichenstellungen treffen (z. B. Bewertung von alternativen Trennprozessen zur Steigerung der Ausbeute bei niedrigeren Kosten), die vorteilhaft bei der industriellen Realisierung sind.
VTU hat auf dem Gebiet der Erhöhung der Energieeffizienz von Chemieanlagen umfassende Erfahrung. Durch das Verfahrenstechnik-Know-how der Ingenieure wurden zahlreiche Verbesserungen möglich, die weit über simple Wärmerückgewinnung oder bekannte Maßnahmen wie Pumpenregelungen hinausgehen. Das größte Potenzial liegt meist in der Verfahrensführung. So können z. B. mechanisch einfache Änderungen zur Führung von unterschiedlichen Feed-Strömen in Eindampf- oder Destillationsanlagen hohe Einsparungen ergeben. Bei Borealis in Linz wurde die CO2-Abscheidung im Feed-Gas für die Ammoniaksynthese mit einfachen Mitteln gesteigert und damit eine beträchtliche Energieeinsparung erzielt. Das Projekt wurde vom österreichischen Lebensministerium prämiert.
Überwachung der Prozessparameter
Echtzeitanalysen von Prozessparametern erlauben zeitnahe Eingriffe, um den Anforderungen der Produktion gerecht zu werden, Nebenproduktbildung zu reduzieren und die Ausbeute zu erhöhen. Die Effekte relevanter Mess- und Stellgrößen ermitteln die Ingenieure bereits in der Entwicklung, sodass sie dann in der Anlage optimale und robuste Strategien zur Überwachung der Prozessparameter umsetzen können. VTU Engineering setzt hierzu beispielsweise erfolgreich die Kombination aus Quality by Design (QbD) und Process Analytical Techniques (PAT) ein. Beim QbD wird für relevante Meß- oder Stellgrößen eine Versuchsmatrix vorgegeben, die mit PAT statistisch ausgewertet und zu Vorhersagen herangezogen wird. Damit lassen sich die Einflüsse und Gewichtung der Prozessvariablen auf beispielsweise die Reaktionsdauer, die Ausbeute, die Bildung von Nebenprodukten und schlussendlich die Qualität ermitteln und validieren. QbD und PAT haben eine starke Verbreitung im pharmazeutischen Bereich gefunden, da sie einen wichtigen Beitrag zur Beschleunigung und Rationalisierung teurer experimenteller Kampagnen leisten. Sie sind aber genauso in jedem anderen Kontext anwendbar.
Flexibilität ist gefordert
Den Verfahrenstechnikern stehen heute ausreichend Werkzeuge zur Verfügung, um die Herausforderungen der grünen Chemie anzunehmen. Die Projektplanung ist aber laufend zu überprüfen und nach jeder Entwicklungsstufe an die erzielten Ergebnisse zu adaptieren. Gegebenenfalls sollte mehr Flexibilität gewährt werden, um den Prozess zu verbessern und auch weniger bekannte Wege zu evaluieren, um das Projekt wettbewerbsfähig industriell umzusetzen.
VTU hat einen konsolidierten Ansatz für nachhaltige Prozessanlagen, bei dem die langjährige Erfahrung z. B. mit biotechnologischen Prozessen oder Energierückgewinnung genutzt wird. Die Engineering Tools werden an die besonderen Bedürfnisse des jeweiligen Projektes angepasst. Konkrete Projekte waren eine Verfahrensbewertung für Treibstoff aus CO2, Anlagen zur Lösemittelrückgewinnung (z. B. Ethanol in Pharmaqualität, NMP, DMSO), Planung einer Demonstrationsanlage für die On-site-On-demand-H2-Erzeugung, Li-Ionen-Batterierecycling sowie biokatalytische Produktion von Kunststoff und Verfahren zur Aufbereitung biobasierter Öle zum Einsatz in Hydrieranlagen. Darüber hinaus setzt der Planungspartner auf Forschung und Kooperationen. Mit einem eigenen Technikum sowie engen Kooperationen, beispielsweise mit der Technischen Universität Graz, wird das Know-how stetig weiterentwickelt.
VTU Engineering Deutschland GmbH, Hattersheim
Nachhaltige Synthesen: Zwölf Charakteristika
Diese zwölf Eigenschaften charakterisieren nach Anastas und Warner nachhaltige Synthesen:
- Abfälle vermeiden
- Atomeffizienz sicherstellen – das Produkt einer chemischen Reaktion sollte ein Molekulargewicht möglichst nahe der Summe der Molekulargewichte der Ausgangsprodukte auweisen, damit wenig Nebenprodukte gebildet werden
- Wahl neuer, weniger gefährlicherer Synthesewege
- Synthese neuer Moleküle ohne Risiko für Mensch und Umwelt
- Lösemittel verwenden, die für Mensch und Umwelt unbedenklich sind
- Energieeffizienz bei neuen Synthesewegen berücksichtigen
- Verwendung nachwachsender Rohstoffe
- Derivate und Zwischenprodukte reduzieren, z. B. Schutzgruppen durch bessere Regio- oder Stereoselektivität vermeiden
- (Bio-)katalytische gegenüber stöchiometrischen Reaktionen bevorzugen
- Späteren Abbau neuer Moleküle betrachten – nach der Nutzung sollten sich Produkte natürlich abbauen lassen
- Echtzeitüberwachung bei der Herstellung, z. B. um Verunreinigungen im Prozess zu verhindern
- Sicherheitsaspekte zur Verhinderung von Unfällen berücksichtigen und Gefahren vermeiden