Relevant ist die MVO für in chemischen und verfahrenstechnischen Anlagen verwendete Maschinen wie Rührwerke, Pumpen und Kompressoren, Destillations-, Filter- und Trennanlagen oder Reaktoren. Aber auch Sicherheitsbauteile oder Hebezeuge fallen unter die neue Verordnung, ebenso wie Pedelecs und E-Scooter für Fahrten auf dem Betriebsgelände oder elektrisch betriebene Büromöbel.
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Die Hauptziele der überarbeiteten Verordnung: das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts, gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaftsakteure und Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Maschinenbaus in globalen Märkten. In den Blick kommen auch die Risiken digitaler Technologien, die Förderung von Innovation, das Reduzieren von Kosten, das Sparen von Ressourcen und die Schaffung von Vertrauen bei den Anwendern.
In den vergangenen Jahren wurden in der chemischen Industrie verstärkt sicherheitstechnische Komponenten nachgerüstet. Diese adressiert die MVO nicht mehr wie bisher einzeln, sondern im Verbund mit der zugehörigen Software oder Sensorik – was für die Funktionale Sicherheit wichtig ist. Denn der wachsende Vernetzungs- und Digitalisierungsgrad bedeutet auch neue Risiken, die die bisherige MaschRL nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Dass die MVO hier weiterreichende Anforderungen stellt, dürfte vielen Unternehmen noch nicht bewusst sein. Sie berücksichtigt neben der Digitalisierung und autonomen Maschinen zudem Künstliche Intelligenz (KI) und Cybersicherheit stärker.
Cybersicherheit im Fokus
Die MVO bringt beispielsweise spezifische Anforderungen für die Cybersicherheit von Sicherheitssteuerungen und sicherheitsrelevanter Software, für verwendete KI in Sicherheitsfunktionen sowie für autonome und ferngesteuerte Maschinen und kollaborative Roboter (Cobots). Die Bestimmungen zur Cybersicherheit enthält der Anhang III, Teil B. Der Abschnitt 1.1.9 betont den Schutz vor Kompromittierung. Software und Daten müssen angemessen vor absichtlicher und unabsichtlicher Manipulation geschützt werden.
Abschnitt 1.2.1 adressiert die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Steuerungssystemen. Auch diese müssen so konzipiert sein, dass sie beabsichtigten und unbeabsichtigten Eingriffen von Außen widerstehen. Das schließt plausibel antizipierbare Manipulationsversuche Dritter ein, aus denen gefährliche Situationen folgen könnten.
Eine Zertifizierung oder Konformitätserklärung gemäß der Verordnung (EU) 2019/881 (Cybersicherheit) ermöglicht die Vermutung der Konformität mit den genannten Abschnitten 1.1.9 und 1.2.1. Wenn ein Produkt gemäß den festgelegten Cybersicherheitsvorschriften zertifiziert oder für konform erklärt wurde, wird davon ausgegangen, dass es auch die spezifizierten Anforderungen der MVO erfüllt. Das erleichtert Herstellern den Nachweis und gibt ihnen Sicherheit, die Anforderungen erfüllt zu haben.
Secure by Design
Künftig dürfte auch der Cyber Resilience Act (CRA) der EU-Kommission die Sicherheit von Software und von Produkten mit Software erhöhen, wovon auch die chemische Industrie profitiert. Das Gesetz sieht verbindliche Anforderungen an die Cybersicherheit vor, die Hersteller und Einzelhändler über den gesamten Produktlebenszyklus gewährleisten sollen – wie durch Sicherheitsupdates. Das betrifft bspw. die Remote-Steuerung von Maschinen und Anlagenteilen. Der CRA wurde Mitte März vom EU-Parlament angenommen und tritt voraussichtlich noch dieses Jahr in Kraft. Er ist nach 36 Monaten von den Herstellern anzuwenden. Die Kommission plant, den Rechtsakt regelmäßig zu überprüfen und die dabei gewonnen Erkenntnisse zu berichten.
Zugriff auf Betriebsanleitungen
Eine Erleichterung dürften über QR-Codes zugängliche Online-Betriebsanleitungen sein. Es reicht künftig, diese nur digital zur Verfügung zu stellen. Sollte der Käufer beim Kauf einer Maschine eine Anleitung in Papierform verlangen, muss der Hersteller diese innerhalb eines Monats kostenlos bereitstellen. Ausgenommen sind Maschinen, die auch von nichtprofessionellen Nutzern verwendet werden. Hier müssen wichtige Sicherheitsinformationen trotzdem in Papierform vorliegen. Die Betriebsanleitung muss Informationen dazu enthalten, wie eine Maschine gewartet, geprüft und über die Lebensdauer sicher betrieben werden kann.
Konformitätsbewertung erforderlich
Wenn Betreiber, Händler oder Käufer „wesentliche Veränderungen“ vornehmen, wie Umbauten oder das Implementieren einer neuen Software, werden sie rechtlich zu Herstellern. Sie sind dann bspw. verpflichtet, die Konformität und die Risiken der Maschine neu zu bewerten. Die Konformitätserklärung muss beschreiben, welche Änderungen vorgenommen wurden. Bei Hebezeugen ist darin auch zu dokumentieren, wo genau diese eingebaut wurden. Zudem gibt es formale Änderungen in den Formulierungen zur Verantwortungsübernahme.
Die MVO führt für sechs Produktkategorien eine verpflichtende Konformitätsbewertung durch eine notifizierte Stelle ein, um höchste Sicherheitsstandards zu gewährleisten. Dies betrifft speziell gelistete Maschinen mit höherem Risikopotenzial. Ein Beispiel sind abnehmbare Gelenkwellen einschließlich ihrer Schutzeinrichtungen.
Die obligatorische Überprüfung durch eine notifizierte Stelle erstreckt sich auch auf Fahrzeugwartungslifte und Befestigungs- und Montagegeräte mit Magazinen (beispielsweise für Schrauben oder Nägel). Sie gilt überdies für Sicherheitskomponenten mit vollständig oder teilweise selbstregulierendem Verhalten. Gemeint sind Systeme, die maschinelles Lernen oder KI für Sicherheitsfunktionen nutzen und sich selbstständig weiterentwickeln. Gleiches gilt, wenn diese Systeme in Maschinen oder Anlagen implementiert sind.
Die neue MVO definiert im Anhang I Teil B auch eine Liste von Maschinen, für die eine optionale Bewertung durch eine notifizierte Stelle vorgesehen ist. Für die chemische Industrie relevant sind hier mitunter Spritz- oder Druckgießmaschinen für Kunststoffe oder Gummi sowie Maschinen für den unterirdischen Einsatz oder manuell beladbare Fahrzeuge zur Abfallsammlung mit integrierter Verdichtungseinrichtung. Hinzu kommen Vorrichtungen zum Heben von Personen oder Gütern über drei Metern Absturzhöhe oder Schutzeinrichtungen zum Erkennen der Anwesenheit von Personen. Kraftbetätigte verriegelbare bewegliche Schutzeinrichtungen, Logik-Einheiten zur Gewährleistung von Sicherheitsfunktionen oder Schutzstrukturen gegen herabfallende Gegenstände zählen genauso dazu.
Fazit
Auch wenn die neue MVO zu 90 % mit der bisherigen MaschRL übereinstimmt, gibt es einige wichtige Unterschiede beim Geltungsbereich, bei der Veränderung von Maschinen oder formale Klarstellungen und Konkretisierungen. Zentrale Punkte umfassen die Einbindung einer notifizierten Stelle, wenn KI und maschinelles Lernen implementiert sind oder verpflichtende Cybersicherheitsmaßnahmen für vernetzte Systeme existieren. TÜV Süd Chemie Service empfiehlt den Betroffenen, frühzeitig aktiv zu werden und nicht bis Ablauf der Übergangsfrist zu warten. Das vermeidet Sicherheits- und Haftungsrisiken im Schadensfall.
TÜV Süd Chemie Service HmbH, Frankfurt
Autor: Max Teller-Weyers
Gruppenleiter für Anlagensicherheit und
Maschinenüberwachung,
TÜV Süd Chemie Service