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Effizienter Explosionsschutz in modularen Anlagen

Entkopplung ist das A und O
So funktioniert Explosionsschutz in modularen Anlagen

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Klassische Chemieanlagen besitzen eine festgelegte Struktur. Das erleichtert die Auslegung des Explosionsschutzes. Für modulare Anlagen sieht allerdings das ganz anders aus. Markus Häseli, Geschäftsführer von IEP Technologies Europe, gibt im Interview mit cav Hinweise, wie modularer Anlagenbau und Explosionsschutz in der Chemieindustrie unter einen Hut gebracht werden können.

Herr Häseli, wie unterscheidet sich der Explosionsschutz einer klassischen von einer modularen Anlage?

Markus Häseli: Bei einer klassischen Anlage ist genau festgelegt, was an Komponenten vorhanden ist. Deshalb kann der Explosionsschutz genau auf diese feste Konstellation ausgelegt werden. Bei modularen Systemen, etwa bei Sprühtrocknungsanlagen, ist das anders. Hier werden zum Beispiel Zyklone zu- und weggeschaltet oder Filter umfahren – je nachdem welches Produkt gefahren wird. Bei derartigen Systemen ist ein modularer Explosionsschutz erforderlich, da die Anlage in verschiedenen Ausbaustufen genutzt wird, und ein Wechsel geschieht hierbei oft recht schnell.

Das hört sich so an, als ob es nicht ganz trivial ist.

Häseli: Das stimmt. Unsere Vertriebsingenieure werden häufig gefragt: Kann eure Steuerung damit umgehen, dass wir Anlagenteile zu- und wegschalten? Ja, das ist möglich, denn es gibt etwa Schlüsselschalter, die sich sowohl mechanisch als auch elektrisch ansteuern lassen, sodass Anlagen beziehungsweise Elemente zu- und weggeschaltet werden können. Eine modulare Anlage erfordert also je nach Komplexität Explosionsschutzkonzepte für verschiedene Betriebszustände.

Und wo ist das Problem?

Häseli: Die Schwierigkeit dabei ist, dass der Explosionsschutz für die jeweilige Fahrweise, also das Anlagendesign einer ausgewählten Variante, immer feste Bedingungen für den Explosionsschutz verlangt. Da sind dann Einbauabstände, Explosionskennwerte, Produkteigenschaften oder Verfahrensweisen zu berücksichtigen. Verändern sich diese, verändert sich auch das notwendige Explosionsschutzkonzept. Das kann zu Diskrepanzen führen, die bereits im Vorfeld beachtet werden müssen. Wir adressieren das beispielsweise mit dem Einbau von zwei statt einer Löschmittelsperre. Die Berechnung des notwendigen Explosionsschutzes wird durch verschiedene Explosionskennwerte und Anlagenzusammenstellungen komplex.

Habe ich das jetzt richtig verstanden, jede Anlagenvariante muss für sich berechnet werden?

Häseli: Exakt. Zur Optimierung werden die Schnittmengen gesucht und eingeplant. Dadurch kann es sein, dass zum Beispiel Löschmittelsperren an einer bestimmten Stelle installiert werden müssen, das heißt der Einbauabstand ist nicht mehr variable wie bei einer Single-Anlage.

Sind denn bei modularen Anlagen andere Maßnahmen zu treffen?

Häseli: Ja, bei modularen Anlagen ist es erforderlich, die verschiedenen Module erst einzeln zu betrachten und zu analysieren und dann im Zusammenspiel, wie sie die Anforderungen an den Explosionsschutz beeinflussen. Die EN 15089 gibt beispielsweise vor, wie Entkopplungen bei zwei Behältern durchzuführen sind. Komplexe Anlagen und auch Multi-Stage-Anlagen bestehen aber nicht nur aus zwei Elementen, sondern manchmal aus fünf oder sechs zueinander abhängigen Komponenten, die in verschiedenen Fahrweisen verwendet werden. Das sind dann beispielsweise ein Sprühturm mit oder ohne integriertem Fließbett, ein externes Fließbett, ein oder mehrere parallele oder in Serie geschaltete Zyklon-Abscheider und meistens noch ein Filter zur Abscheidung der feinsten Partikel. Wird ein Element davon bei einer bestimmten Fahrweise hinzu oder weggeschaltet, ergibt sich daraus ein neues, geändertes Anlagenkonzept. Kommt hinzu, dass die Anlage mit verschiedenen Produkten betrieben wird, verändern sich auch die Explosionskennwerte.

Jede Veränderung bedeutet also, dass die Gesamtanlage explosionstechnisch neu betrachtet werden muss. Wie behalten Sie da den Überblick?

Häseli: Um bei den vielen Varianten nicht den Überblick zu verlieren, haben wir bei IEP ein eigenes Kalkulationsprogramm entwickelt, mit dem sich die einzelnen Elemente und die verschiedenen Fahrweisen berücksichtigen und so der Explosionsschutz der komplexen Anlage darstellen und bewerten lassen. Auch Schwachstellen werden auf diese Weise ermittelt und mittels Wahrscheinlichkeiten bewertet, welches Sicherheitsniveau diese Anlagenkonstellation hat. Ist die Anlage einmal im Programm erfasst, lässt sich durch Variation auch zuverlässig ermitteln, ob eine andere Anordnung der Explosionsschutzkomponenten eine Verbesserung oder Verschlechterung darstellt. Alle möglichen Zündortlagen und Flammenwege werden so zuverlässig eruiert und bewertet, sowie die notwendigen Festigkeiten der Anlagen ermittelt. Das Programm ist Bestandteil unserer Zertifizierungen und wurde vom Notified Body FSA, Forschungsgesellschaft für angewandte Systemsicherheit, zertifiziert.

Sind eigentlich die einzelnen Module für die modulare Produktion zu zertifizieren?

Häseli: Nein, der Explosionsschutz muss immer für die gesamte Anlage mit allen Variablen ausgelegt werden. Genau genommen gibt es hier zwei Betrachtungsweisen, die beide berücksichtigt werden. Zum einen die Anlage selber, die in den Verkehr gebracht wird: Sie unterliegt dem Artikel 114 AEUV und muss „sicher konzipiert“ sein. Also dürfen von ihr über den vorhersehbaren Lebenszeitraum der Anlage inklusive Errichtung und Abriss keine vorhersehbaren Gefahren ausgehen. Der Hersteller muss aufgrund seiner Erfahrungen und einer Risikobeurteilung entsprechend konstruieren. Auf der anderen Seite ist der Artikel 153 AEUV vonseiten des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Dieser weiß genau, wie seine Mitarbeiter die Anlage verwenden und muss dafür eine Gefährdungsbeurteilung erstellen, die die Gefahren durch die Verwendung der Anlage berücksichtigt. Im Falle des Explosionsschutzes wird davon ausgegangen, dass sich Hersteller und Betreiber sowie der Lieferant des Explosionsschutzes an einen Tisch setzen und zusammen das notwendige Sicherheitskonzept bestimmen.

Wenn man modulare Anlagen mit klassischen, fest installierten Anlagen vergleicht, sind dann andere Komponenten erforderlich?

Häseli: Ja, bei modularen Anlagen werden in der Regel zusätzliche Explosionsschutzkomponenten benötigt, um verlässliche Sicherheit gewährleisten zu können. Zu nennen sind etwa Sicherheitslastschalter, Schlüsselschalter und andere Technologien – Standardteile für den sicheren Anlagenbetrieb. Nicht vergessen werden darf innovative Software wie das Kalkulationstool von IEP Technologies, mit dem sich der Explosionsschutz komplexer Anlagen besser darstellen und analysieren, Schwachstellen aufdecken und Explosionsschutzkomponenten verlässlich festlegen lassen.

Wie werden im modularen Anlagenbau individuelle Explosionsschutzkonzepte für jedes Modul entwickelt und umgesetzt, um spezifischen Risiken gerecht zu werden?

Häseli: Bei einer modularen Anlage ist jedes Anlagenteil für sich zu betrachten, einzeln zu definieren und die Risiken abzuschätzen. Nur nach erfolgreich durchgeführter Risikoanalyse kann im Nachhinein der Explosionsschutz festgelegt werden, sowohl für jedes einzelne Teil als auch im Zusammenspiel der Gesamtanlage. Habe ich also zwei, drei verschiedene Maschinen und kombiniere sie, dann beeinflussen sie sich. Findet eine Explosion in einem Behälter statt, geht eine Druck- und Flammenfront in die Rohrleitung zum anderen Behälter. Dieser Zusammenhang muss evaluiert und kalkuliert werden. Die dafür notwendige Entkopplung ist für uns Standard und wird auch von der EN 15089 verlangt. Sie ist das A und O des Explosionsschutzes. Ohne Entkopplung funktioniert kein guter Explosionsschutz. Und das ist auch die Basis dessen, was wir betrachten: Wie sind Anlagen verschaltet, und wie lassen sie sich entkoppeln, damit sie sich nicht gegenseitig negativ beeinflussen und Schaden verursachen? Genau hierfür ist unser zertifiziertes Berechnungsprogramm mit entwickelt worden.

Welche Rolle spielen Standardisierung und Zertifizierung im Explosionsschutz für einzelne Module?

Häseli: Alle Systeme und die Einzelkomponenten des Explosionsschutzes müssen nach der nationalen Umsetzung (Harmonisierung) der 2014/34/EU zertifiziert sein – egal ob Druckdetektor, Explosionsunterdrückung oder Schnellschlussschieber. Auch die passiven Elemente wie Berstscheiben oder flammenlose Druckentlastung oder Entkopplungsventile sind hier dabei. So lässt sich jedes Element in jeder Anlage modular nutzen. Man kann einen Druckdetektor und einen Infrarotdetektor problemlos mit verschiedenen Steuerungen oder einem Schnellschlussschieber kombinieren. Es spielt keine Rolle, da die Einzelteile genau bekannt und explosionstechnisch bewertet sind. Wenn wiederum die Funktionsmöglichkeiten der Einzelteile bekannt sind, vereinfacht das die Erstellung modularer Anlagen, da sie sich problemlos an das System anpassen lassen. Durch eine intelligente Kombination dieser Einzelelemente, Expertise und Software-Unterstützung lässt sich ein „Rundum-Explosionsschutz” kombinieren und funktionstüchtig erstellen. Hier kommen besonders die Erfahrung und das Know-how unserer Mitarbeiter zum Tragen, die durch ihr umfangreiches Wissen über alle Bereiche des Explosionsschutzes diesen optimiert auslegen können.

Wie beeinflusst die kompakte und räumlich enge Anordnung von Prozesseinheiten in modularen Anlagen die Anforderungen und Maßnahmen für den Explosionsschutz?

Häseli: Stehen Anlagen sehr eng zusammen, gibt es explosionstechnisch kurze Rohrleitungen: Druck und Flamme der Explosion werden sehr schnell von einem Anlagenbereich auf den anderen übertragen. Es ist darauf zu achten, dass die Explosionsschutzkomponenten schnell genug reagieren und sicher entkoppelt werden können. Das ist allerdings bei kürzeren Abständen schwierig. Daher ist es ratsam, Explosionswahrscheinlichkeiten zu berechnen, wobei unsere Software wertvolle Schützenhilfe leistet. Derartige Analysen bieten sich vor allem bei komplexen Anlagen an, um das Zusammenspiel der Elemente zu sehen sowie Risiken zu evaluieren. Die Chemiebranche hat im Vergleich zu anderen Branchen zwar ein sehr hohes Sicherheitsbewusstsein, allerdings befinden sich viele Chemieanlagen in Gebieten mit verschiedenen anderen Chemiestandorten oder sogar direkt an Wohngebieten. Eine Druckentlastung ist aufgrund der Nähe oft gar nicht möglich, weil das nächste Gebäude automatisch beeinflusst würde. Das führt dazu, dass ein höherwertiger, also komplexer Explosionsschutz benötigt wird, der mithilfe von verschiedenen Explosionsschutzkomponenten, Expertise und umfassender Planung Anlagen bestmöglich schützen kann. Dies können Kombinationen von Druck- und Infrarotdetektion sowie Löschmittelsperren oder Schnellschlussschiebern sein oder auch die Kombination von Druckentlastung und Explosionsunterdrückung an einem Behälter. Auch für Bestandsanlagen ist dies die optimale Vorgehensweise.

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Das Interview führte für Sie: Dr. Bernd Rademacher

Redakteur

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