Methanol ist mit einer Jahresproduktion von über 100 Mio. Tonnen bereits heute eine der wichtigsten Basischemikalien weltweit. Die konventionellen Herstellungsprozesse basieren auf fossilen Rohstoffen wie Erdgas, Kohle oder Erdöl, wurden in den vergangenen Jahrzehnten technisch etabliert, verursachen jedoch hohe CO2-Treibhausgasemissionen. „Dagegen bietet die Methanolsynthese im Rahmen sogenannter Power-to-Liquid-Verfahren das Potenzial, CO2 beispielsweise aus Biomasse zu binden und im Kreislauf zu führen“, erklärt Dr.-Ing. Achim Schaadt, Abteilungsleiter Thermochemische Prozesse am Fraunhofer ISE.
Das Projekt „Power-to-Methanol – Grünes Methanol“, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert und von der Dechema e. V. geleitet wird, erforscht diese Art von Alternativen. Die industriellen Partner sind die CropEnergies AG als Mitglied der Südzucker-Gruppe, der Spezialchemiekonzern Clariant sowie die thyssenkrupp Industrial Solutions AG. Akademische Partner sind die Fraunhofer-Institute IGB und Umsicht sowie die TU Bergakademie Freiberg. „Ziel des Projekts ist eine wissenschaftliche und wirtschaftliche Betrachtung der Machbarkeit einer Methanolsynthese aus erneuerbaren Energien und biogenem CO2 aus einer Bioraffinerie zur Herstellung von erneuerbarem Ethanol“, so Projektleiter Max Hadrich, Teamleiter Power-to-Liquids am Fraunhofer ISE.
Untersuchung der Dynamik der Methanolsynthese
Die Miniplant-Anlage setzt Wasserstoff und CO2 in einem kontinuierlichen Prozess zu Methanol um. Dabei wird Wärme frei und es entsteht Wasser als Nebenprodukt. Zur fundierten großtechnischen Umsetzung dieses Verfahrens in Kombination mit einer Bioraffinerie sind auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft jedoch noch einige Fragestellungen offen. So führen beispielsweise solch hohe CO2-Anteile im Synthesegas zu einer beschleunigten Alterung des eingesetzten Katalysators und zu verringerten chemischen Umsätzen. Ferner können eventuelle Schwankungen in der Produktion des aus fluktuierenden erneuerbaren Energien hergestellten Wasserstoffs, ebenso wie Schwankungen im gekoppelten Prozess zur Bereitstellung von CO2 einen dynamischen Synthesebetrieb erfordern. „Hieraus ergeben sich vielfältige Kombinationen technischer Arbeitspunkte, die erst einmal untersucht werden müssen, bevor eine nachhaltige Methanolsynthese im Industriemaßstab umgesetzt werden kann. Eine solche Dynamik ist bei heutigen Prozessen schlicht nicht vorgesehen“, erklärt Florian Nestler, Doktorand am Fraunhofer ISE. Dr. Andreas Geisbauer, Power-to-Liquid-Experte beim Projektpartner Clariant bestätigt: „Methanol aus CO2 und grünem Wasserstoff zu produzieren, stellt hohe Anforderungen an Katalysatoren. Die neue Anlage ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg, optimale Katalysatoren und Prozesse für diese anspruchsvolle Anwendung zu entwickeln.“
Simulation und Experimente aus einer Hand
Am Fraunhofer ISE werden die neuartigen Randbedingungen für die Methanolsynthese daher experimentell und mittels Simulationen mit Fokus auf den katalytischen Vorgängen im Synthesereaktor untersucht. Dazu wurde eine dynamische Simulationsplattform entwickelt, die stationäre und dynamische Wärmeübergänge, das Reaktionsverhalten und zeitliche sowie räumliche Temperaturkurven berechnen kann.
Um eine gute Übertragbarkeit auf eine Industrieanlage mit möglichst geringem Aufwand und in kurzer Zeit zu erreichen, wurde eine Maßstabsverkleinerung, der sogenannte Scale-Down, eines industriellen Synthesereaktors vollzogen. Dieser Reaktor steht im Zentrum einer Miniplant-Anlage, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer ISE konzipiert und aufgebaut haben. Durch ein speziell angepasstes Kühlsystem kann im Betrieb der Anlage ein ähnliches thermisches und reaktionskinetisches Verhalten wie in einer großskaligen Anlage erreicht werden.
Modellierungs- und Simulationsansätze aus der Literatur sollen mithilfe dieser Anlage validiert und erweitert werden. Dazu wurde ein zeitlich und räumlich hochauflösendes Analytiksystem in die Miniplant integriert. Hierbei handelt es sich zum einen um eine dynamische Messung der Produktkonzentration mittels Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie (FT-IR) und zum anderen um eine ortsaufgelöste Temperaturmessung im Inneren des Reaktors durch eine neuartige faseroptische Messmethode. In Kombination erlauben diese Messdaten Echtzeit-Aussagen im Sekundenbereich über die Vorgänge im Reaktor und können zur Anpassung der Modellparameter sowohl für die stationäre als auch für die dynamische Simulation genutzt werden. Zukünftig können so neben Aussagen zur Reaktionskinetik auch Erkenntnisse zur Desaktivierung des Katalysators in Langzeitmessungen gewonnen werden. Betriebspunkte können sehr schnell charakterisiert werden, wodurch selbst umfangreiche Parameterräume zügig abgearbeitet werden können.
Die so gewonnenen Erkenntnisse werden mit der bestehenden dynamischen Simulationsplattform des Fraunhofer ISE verknüpft. Dies ermöglicht die Untersuchung von Lastwechseln, wie sie zukünftig in realen Industrieanlagen auftreten würden. Hieraus werden wiederum wertvolle Auslegungsdaten generiert, die dazu beitragen, dass Methanol aus nachhaltigen Rohstoffen und erneuerbarem Strom gewonnen und somit zukünftig in verschiedenen Anwendungen als Energiespeicher, Chemikalie, sowie Kraftstoff(additiv) genutzt werden kann.