Die Aminosäure Cystein wurde bislang überwiegend aus menschlichen oder tierischen Quellen, insbesondere aus Haaren, Federn oder Schweineborsten, extrahiert. Das nachfolgend vorgestellte Fermentationsverfahren, in dem die Cysteinerzeugung mittels Bakterien realisiert wird, eröffnet der Pharma- und Kosmetikbranche einen völlig neuen Zugang zu dem unverzichtbaren Rohstoff.
Die Aminosäure Cystein ist einer der 20 Bausteine, die das Alphabet der Proteine bilden. Was Cystein unter ihnen einzigartig macht, ist eine schwefelhaltige Molekülgruppe, eine so genannte Sulfhydryl-Gruppe, die chemisch sehr reaktiv ist. Die Sulfhydryl-Gruppe kann Disul fidbrücken bilden, die erheblich zur Stabilität von Proteinen beitragen: Dadurch entstehen beispielsweise die stabilen Faserstränge von Haaren, Wolle und Federn oder auch Nägel, Hufe und Hörner. Deren Proteine, die Keratine, enthalten zu einem großen Teil Cystein. Auf die hohe Reaktivität des Cysteins und seiner Derivate wie Acetylcystein setzen beispielsweise auch Hustenlöser: Acetylcystein knackt die Mukoproteine des Bronchialschleims und verflüssigt das zähe Sekret. Auch in Gesundheitsprodukten wird Cystein zum Beispiel als Radikalfänger, der die zellschädigenden Stoffe unschädlich macht, verwendet.
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Hoher Rohstoffbedarf
Dem vielfältigen Einsatz der schwefelhaltigen Aminosäure steht allerdings ein Problem entgegen. Cystein war bisher eine der wenigen Aminosäure, die aus tierischen oder menschlichen Rohstoffen gewonnen werden musste, beispielsweise aus Haaren, Federn, Schweineborsten oder Hufen, aus denen dann mit Aktivkohle und konzentrierter Salzsäure die begehrte Amino säure extrahiert wird. Eine Tonne Haare ergibt etwa 100 kg Cystein. Wenn man bedenkt, dass die Pharma-, Kosmetik- und Lebensmittelindustrie derzeit weltweit pro Jahr bis zu 4000 t an Cystein benötigt, lässt sich leicht die dafür notwendige Menge an menschlichen oder tierischen Rohstoffen bemessen. Eine höhere Effizienz und Umweltfreundlichkeit war daher ein Grund, nach einer alternativen Herstellungsmethode zu suchen. Daneben spielte auch die Qualität des Endprodukts eine entscheidende Rolle. Für Pharmaunternehmen ist es beispielsweise wichtig, dass gefährliche Kontaminationen wie die Erreger von BSE, SARS oder Hühnergrippe ausgeschlossen werden können.
Gezielte Mutation und Selektion
Mit dem von Wacker entwickelten Fermentationsverfahren kann mit Hilfe von Bakterien Cystein in höchster Reinheit hergestellt werden. Ausgangsstoff sind im Labor gezüchtete Stämme von Escherichia coli. In der Natur stellen diese Bakterien aus Zucker, Salzen und Spurenelementen die Aminosäure Cystein her, allerdings nur so viel, wie sie für den eigenen Stoffwechsel benötigen. Den Wacker-Forschern gelang es nun, durch gezielte Mutation und Selektion die so genannten Regulatorproteine ab zuschalten, die die Cysteinproduktion in den Bakterien normalerweise drosseln. Die Bakterien fertigen daraufhin Cystein wie am Fließband und schleusen die zu viel produzierten Mengen der Aminosäure durch ihre Zellmembran in die Nährlösung der Fermentertanks. Mit einer speziellen Filtertechnik und geringen Mengen an Säure und Lauge lässt sich daraus die Aminosäure oder die gewünschten Derivate gewinnen.
Reines Cystein
Nach dem patentierten Fermentationsverfahren wurden im Jahr 2004 bereits rund 500 t Cysteine hergestellt und weltweit vertrieben. Die Methode ist hocheffizient: 90 % des Bakteriencysteins gehen ins Endprodukt; beim klassischen Verfahren der Extraktion aus Haaren sind es nur 60 %. Außerdem wird wesentlich weniger Salzsäure benötigt. Beim Fermentationsverfahren reicht 1 kg Salzsäure für die Gewinnung eines Kilogramms Cystein aus. Gewinnt man Cystein aus Haaren, müssen 27 kg Salzsäure pro kg Cystein eingesetzt werden. Weiterhin werden durch die Fermentationsmethode unerwünschte Verunreinigungen wie Krankheitserreger vermieden, da als Ausgangsstoffe nur Zucker, Salze und Spurenelemente verwendet werden. Das Produkt ist zu mindestens 98,5 % reines Cystein.
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Informationen zu Wacker-Cysteinen
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