Herr Dr. Mathes, ähnlich wie die Fußball-Europameisterschaft Nationen zusammenbringt, um ihre Leidenschaft für den Sport zu feiern, vereint auch die Achema Fachleute aus aller Welt rund um Innovationen und Fortschritt in der Prozessindustrie. Frankfurt ist einer der Hauptspielorte der Vorrunde. Tausende internationale Fans werden in der zweiten Junihälfte die Stadt bevölkern. Wünschen Sie sich das auch für ihre Achema 2024?
Die Überwachung von Pumpen in industriellen Prozessen ist weit mehr als eine reine Schutzmaßnahme für das Pumpenaggregat. Neben der präventiven Wartung und...
Mathes: Die Achema wird auch dieses Jahr wieder der Treffpunkt der Prozesstechnik-Community sein und im Gegensatz zur angesprochenen Fußball-EM der Männer vereinen wir Fachleute und Experten aus der ganzen Welt, weit über Europa hinaus. Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass die diesjährige Achema die internationalste Beteiligung aller Zeiten aufweisen wird. Vor allem aus investitionsstarken Märkten wie Nordamerika oder dem Mittleren Osten und Nordafrika als auch den dynamischen asiatischen Märkten verzeichnen wir eine hohe Nachfrage. Damit ist Frankfurt nicht nur einer der EM-Spielorte, sondern auch der einzige Ort, an dem der Herzschlag der Prozessindustrie regelrecht zu spüren ist. Und die Achema ist von ihrer Art einem anderen sportlichen Großereignis des Jahres deutlich näher: Olympia.
Die letzte Achema fand unter schwierigen Voraussetzungen statt. Die Corona-Pandemie hat die Veranstaltung in den August gezwungen. Wie glücklich sind Sie mit der Rückkehr auf den ursprünglichen Drei-Jahres-Rhythmus und den Termin im Juni 2024?
Mathes: Glücklich und froh bin ich darüber, dass unsere Gesellschaft die Pandemie überwunden hat. Für die Achema war bereits während der zweimaligen Verschiebung der vergangenen Veranstaltung klar, dass wir zu unseren ursprünglichen und bereits vor einem knappen Jahrzehnt festgelegten Zeitslots für 2024 und 2027 zurückkehren werden, und damit auch wieder mittel- und langfristige Planungsstabilität für die Aussteller sicherstellen.
Können Sie uns einen Überblick über die Kernthemen und Schwerpunkte der Achema 2024 geben?
Mathes: Die übergeordneten Themen sind Nachhaltigkeit, der Weg zur klimaneutralen Produktion und die Digitalisierung. Während ich die Digitalisierung und digitale Innovationen eher als Key Enabler ansehe, ist das Net-Zero-Ziel für die Prozessindustrie die ambitionierteste Aufgabe ihrer Geschichte. Dabei haben die Innovationen, die in der Prozessindustrie entwickelt werden, auch Auswirkungen auf andere Industrien und helfen diesen beim Erreichen ihrer Nachhaltigkeitsziele. Das macht die Achema-Community zu einem wichtigen Wegbereiter hin zur klimaneutralen Produktion.
Nachhaltigkeit auf der Achema ist vielschichtig, wir sprechen über Wasserstoff – nicht nur, aber vor allem in der Sonderschau –, Circular Economy, industrielle Wasser-/Abwassertechnik, Bioökonomie und nachwachsende Rohstoffe, aber auch dezentrale Energieerzeugung für die Produktionsstätten. Darüber hinaus behält die Achema aber natürlich auch ihren klassischen Fokus auf der chemischen und pharmazeutischen Verfahrenstechnik mit zahlreichen Weltneuheiten, die die Aussteller im Juni präsentieren werden.
Welche neuen Trends und Technologien werden auf der Achema 2024 besonders hervorgehoben?
Mathes: Das Achema-Vortragsprogramm ist in sechs Innovationsthemen geclustert: Process, Pharma, Green, Lab, Hydrogen und Digital. In allen Themenbereichen gibt es zahlreiche Innovationen, die die Branche beeinflussen und die Zukunft der Prozessindustrie prägen werden. Seien es die Fortschritte in der Modularisierung, der vernetzten Produktion rund um Ethernet APL, der Produktion von Biopharmazeutika oder Zell- und Gentherapeutika, der gesteigerten Automatisierung und Robotik, der Digitalisierung und einheitlichen Datenstandards im Labor sowie die Chancen rund um Wasserstoff für und in der Prozessindustrie.
Wie wird die Ausstellung dazu beitragen, die Herausforderungen der Nachhaltigkeit und des Klimawandels anzugehen?
Mathes: Die Prozessindustrie steht vor vielen Herausforderungen. Das Ziel der klimaneutralen Produktion und Defossilisierung der Branche ist sicherlich die größte und in der Geschichte der Prozessindustrie ambitionierteste Herausforderung und macht globale Netzwerke erforderlich. Genau diese wird die internationalste Achema aller Zeiten fördern: Die zahlreichen Fachgespräche an den Ständen und im Umfeld der Vorträge geben der Branche einen Nachhaltigkeitsimpuls, der für die nächsten Jahre richtungweisend sein wird. Zahlreiche Techniktrends der letzten Jahre hatten ihren Ausgangspunkt auf der Achema, das wird auch dieses Mal wieder so sein.
Welche Rolle spielen digitale Technologien und künstliche Intelligenz im Rahmenprogramm der Achema 2024?
Mathes: Sie spielen eine große Rolle. Die Digitalisierung der Branche ist seit einem knappen Jahrzehnt in aller Munde. Zunächst war sie nicht viel mehr als ein großes Buzzword, oftmals mit Beispielen aus der dezidierten Fertigung, die so in der Prozessindustrie nur schwierig oder gar nicht umsetzbar waren. Doch mittlerweile hat unsere Industrie eine Lernkurve beschritten und die Digitalisierung schreitet immer weiter voran. Die Einführung digitaler Innovationen wie smarte Data Analytics oder Industrie-4.0-Technologien wird immer wichtiger, um dem Wettbewerb voraus zu sein. Aber auch als Enabler für das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen ist die Digitalisierung gefragt. Dabei bleiben Herausforderungen nicht aus: IT vs. OT, Konnektivität vs. Sicherheit oder smart vs. smart genug – die Herausforderung für Betreiber besteht darin, genau die richtige Konfiguration für ihr Unternehmen zu finden. Lösungen auf Basis künstlicher Intelligenz gewinnen seit dem medialen Hype um ChatGPT immer mehr an Bedeutung und spielen auch an etlichen Achema-Ständen dieses Jahr eine Rolle. Die Anwenderbranche schaut gleichsam kritisch auf derartige Technologien, vor allem angesichts von Safety- und Security-Aspekten.
Zur Achema 2022 fanden auf dem Messegelände Umbaumaßnahmen statt. Dadurch wurden die angestammten Ausstellungsgruppen etwas durcheinandergewirbelt. So musste die mechanische Verfahrenstechnik beispielsweise in Halle 12 umsiedeln. Wie sieht es 2024 aus? Wer stellt wo aus?
Mathes: Ja, die mechanische Verfahrenstechnik musste aufgrund des Neubaus der Halle 5 im Jahr 2022 vorübergehend in die Halle 12 ausweichen, ist nun aber wieder in den Hallen 5.0 und 6.0 zurück und bildet wieder ein enges Tandem mit der thermischen Verfahrenstechnik.
Neu ist die Erweiterung der Ausstellungsgruppe Pharma-, Verpackungs- und Lagertechnik in die Halle 4.1. Damit hat die Gruppe eine optimale Wachstumsperspektive.
Ein neues Zuhause hat auch die Labor- und Analysentechnik. Diese darf die Halle 12 fortan als ihre Heimat bezeichnen und rückt damit deutlich näher an die Prozessanalytik und -automatisierung in Halle 11 heran. Die Sicherheitstechnik wird im Juni zudem erstmals in der Halle 11 zu finden sein.
Gibt es bestimmte Branchen oder Sektoren, die auf der Achema 2024 stärker vertreten sein werden als in den Vorjahren?
Mathes: Die Pharma-, Verpackungs- und Lagertechnik wird auf der Achema 2024 erstmals die größte Ausstellungsgruppe sein, wobei die Technologien, die speziell für die Life Science- und Pharmabranche auf der Achema ausgestellt werden, weit über diese Ausstellungsgruppe hinaus gehen. Dies unterstreicht einmal mehr das starke Standing, das sich die Achema in den vergangenen 20 Jahren in der globalen Pharmaindustrie – übrigens auch besucherseitig – erarbeitet hat.
Ebenso sehen wir auf der Achema 2024, dass das Thema dezentrale und nachhaltige Energieerzeugung für die Prozessindustrie stärker in den Fokus rückt und einen großen Stellenwert beim Erreichen der Klimaneutralität einzelner Standorte einnimmt.
Inwiefern unterstützt die Achema 2024 Start-ups und Innovationen aus der Chemie- und Prozesstechnikbranche?
Mathes: Bereits zum vierten Mal veranstalteten wir zusammen mit Partner aus der Investorenszene den weltweiten Achema-Gründerpreis. Die zehn Finalisten präsentieren sich zusammen mit anderen Start-ups in der Start-up-Area in Halle 6.0 und pitchen zudem am Achema-Mittwoch um den Sieg im Gründerpreis auf der EY Green Innovation Stage. Darüber hinaus präsentieren sich etliche weitere Start-ups in allen Ausstellungsgruppen, die unsererseits bei ihrem Auftritt unterstützt werden.
Wasserstoff, Digitalisierung, modulare Produktion, Cybersecurity, Ressourceneffizienz: Die Themen, die die Branche aktuell bewegen, sind vielfältig. Wird es 2024 wieder einige Sonderausstellungsflächen zu diesen Themen geben? Welche sind das und wo sind sie zu finden?
Mathes: Ja, in Halle 6.0 ist die Sonderschau Wasserstoff beheimatet. Das kleinste Molekül war bereits 1991 Thema einer Achema-Sonderschau. Doch seitdem hat sich viel getan und vor allem die Rolle von Wasserstoff im globalen Energiesystem ist eine herausgehobene. In Halle 12.0 wird die Aktionsfläche Digital Lab das digitale und vernetzte Labor der Zukunft erlebbar machen und zeigen wie Digitalisierung, Miniaturisierung, Automatisierung und Robotik nicht nur die Wertschöpfung im Labor steigern, sondern auch Daten aus dem Labor deutlich stärker mit der Produktionswelt vernetzt.
Jedes unserer Innovationsthemen hat eine eigene Innovation Stage mit einem äußerst spannenden und hochkarätigen Programm. Daneben gibt es mit dem Themenstand Modulare Produktion und NOA in Halle 11.0, dem Flow Chemistry Pavillon in Halle 9.0 oder dem SEFA Theatre in Halle 12.0 drei sehr spannende Industrieinitiativen, die man bei einem Besuch nicht auslassen sollte.
Ebenso sollte jeder Besucher einen Blick in die Halle 11.1 werfen und die dortige AIRA-Roboter-Challenge besuchen. Die Teams des Wettbewerbs werden wieder die Grenzen der eingesetzten Robotertechnik verschieben und die Zukunft von Robotern in der Chemieindustrie erlebbar machen. Die dortigen Aktivitäten zeigen, wie sich die Produktions- und Maintenance-Welt in nicht allzu ferner Zukunft verändern könnte.
2022 haben Sie zum ersten Mal den Achema-Kongress in die Ausstellung integriert. Wie wurde das angenommen und verfolgen Sie 2024 diesen Weg weiter?
Mathes: Der dezentral über das Messegelände ausgerichtete Kongress, bei dem sich Themen den jeweiligen Ausstellungsgruppen annähern, war im Jahr 2022 ein voller Erfolg. Deshalb halten wir auch dieses Mal daran fest und haben das Konzept der Innovation Stages innerhalb der Ausstellungsflächen weiter ausgebaut, was den Kongress inhaltlich und in seiner Reichweite weiter stärken wird.
Wie wird der Kongress strukturiert sein? Welche Leitthemen bzw. Thementage wird es geben?
Mathes: Der Kongress ist entlang der sechs Innovationsthemen Process, Pharma, Green, Lab, Digital und Hydrogen strukturiert, die grundsätzlich von Montag bis Freitag durchlaufen und den Besuchern jeden Tag die Möglichkeit geben, entweder auf einer der Innovation Stages oder in Kongresssessions an attraktiven Vorträgen oder Diskussionen teilzunehmen.
Wo werden die einzelnen Themen (Bühnen) auf der Messe zu finden sein?
Mathes: Die Zeta Pharma Innovation Stage befindet sich in Halle 4.1. In Halle 6.0 liegt bühnenseitig der klare Fokus auf Klimaneutralität: Hier finden sich die EY Green Innovation Stage und die Siemens Hydrogen Innovation Stage. Die GEA Process Innovation Stage ist in Halle 9.0 beheimatet und die Siemens Digital Innovation Stage findet sich erneut in Halle 11.0. Komplettiert wird das Ganze durch die Lab Innovation Stage in Halle 12.0.
Herr Dr. Mathes, zum Schluss noch ein Blick in die Glaskugel. Wer wird Fußball-Europameister?
Mathes: Wenn ich das wüsste. Ich hoffe natürlich, dass die deutsche Mannschaft lange im Turnier bleibt und mit dem Heimvorteil um den Titel mitspielt.
Suchwort: Achema
„Die übergeordneten Themen der Achema 2024 sind Nachhaltigkeit, der Weg zur klimaneutralen Produktion und natürlich die Digitalisierung.“
Das Interview führte für Sie: Dr. Bernd Rademacher
Redakteur