Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts. Was sich wie ein großes Versprechen anhört, ist harte Arbeit in der Umsetzung. Denn es bedarf innovativer Algorithmen, um aus den großen Datenmengen, die heute zur Verfügung stehen, echten Nutzen zu schaffen. Wie das mit den Datenströmen aus intelligenten Messgeräten gelingen kann, stellten die Experten von Endress+Hauser in Reinach in der Schweiz vor.
Dr. Rolf Birkhofer, Geschäftsführer von Endress+Hauser Digital Solutions, nutzte dabei das schöne Bild, dass Daten wie Strom aus der Steckdose fließen müssen, das Tobias Schlichtmann von BASF bereits 2015 auf der Namurtagung entwickelt hat. Viele Messgeräte in einer Anlage liefern eine Fülle an Daten über die reinen Primärwerte hinaus. Diese Daten seien heute, so Birkhofer, über Standardschnittstellen tatsächlich so einfach zugänlich wie der Strom aus der Steckdose. Endress+Hauser-Instrumente könne man tatsächlich als Daten-Kraftwerke bezeichnen. Gesammelt werden die Daten dann in einer Datencloud, bei Endress+Hauser ist das Netilion. Aber wie kann man nun aus diesen Daten Nutzen gewinnen? Hier kommen intelligente Algorithmen ins Spiel, die die Daten so verknüpfen, dass sich eine Mehrwert ableiten lässt.
Die Überwachung von Pumpen in industriellen Prozessen ist weit mehr als eine reine Schutzmaßnahme für das Pumpenaggregat. Neben der präventiven Wartung und...
Endress+Hauser unterstützt die Kunden nicht nur die Daten aus dem Feld zu übertragen, sondern auch mit digitalen Lösungen für die Analyse und Auswertung und einem cloudbasierten IIoT-Ökosystem. Zum Einsatz kommt unter anderem die Heartbeat Technologie, die Funktionen für Diagnose, Verifizierung und Überwachung bereits in das Messgerät integriert. Sogenannte Softsensoren wiederum generieren aus Messparametern verschiedener Geräte und entsprechenden Algorithmen neue Paramter für die Optimierung der Anlage. On top kommt Künstliche Intelligenz, mit deren Hilfe sich im günstigsten Fall Informationslücken im Prozess schließen lassen. Wichtig sei allerdings, waren sich alle Experten in Reinach einig, dass Analyse und Verknüpfung von Daten allein nicht immer den erhofften Mehrwert brächten. Der Anlagebetreiber müsse sich zunächst im Klaren sein, welches konkrete Ziel er erreichen wolle, ansonsten könne auch das beste Digitalisierungsprojekt scheitern. Denn am Ende muss es sich immer bezahlt machen.
Predictive Maintenance und Optimierung gefragt
Marco Colucci, Digitalisierungsexperte beim Messgerätehersteller Endress+Hauser Flow in Reinach, beobachtet, dass selbst konservativste Unternehmen inzwischen auf datengetriebene Analysen ihrer Prozesse setzen. Besonders nachgefragr seien Predictive-Maintenance-Lösungen und Lösungen zur Prozessoptimierung. Doch so groß die Chancen sind, so groß sind nach seiner Meinung die Herausforderungen: „Wer auf der grünen Wiese eine neue Anlage baut, wird diese sicherlich durchdigitalisieren“, sagte Colucci. „An einem gewachsenen Standort mit Komponenten verschiedener Hersteller und unterschiedlichen Alters stößt man freilich an verschiedenen Stellen an Grenzen.“ Dann sind vielleicht intelligente Messgeräte in der Anlage verbaut, doch es fehle die digitale Infrastruktur, um an diese Daten über Prozess und Gerätezustand zu kommen und sie zu übertragen.
Schlüssel zum Datenschatz
Einen Schlüssel zum Datenschatz stellte Karl Büttner, Product Manager Plattforms und Leiter des Ethernet-APL-Marketing- und Launch-Teams in Reinach vor: Ethernet-APL. Nachdem die Datenübertragungstechnik Ethernet Jahrzehnte lang nur in den Büroräumen der chemischen Industrie genutzt werden durfte, ist sie durch die Einführung des Ethernet Advanced Physical Layer, kurz APL, zu einem großen Hoffnungsträger in Sachen Digitalisierung geworden. Damit ist es nun möglich, dass die Geräte in der Prozessindustrie mit hoher Geschwindigkeit und über Distanzen bis zu 1000 m miteinander kommunizieren. Strom- und Kommunikationssignale können über ein einziges zweiadriges Kabel geführt werden. Und Ethernet-APL kann sicher auch innerhalb explosionsgefährdeter Bereiche betrieben werden. „Um einen schnelleren und sicheren Zugriff auf Geräte- und Prozessdaten zu erhalten, bietet sich Ethernet-APL als Schlüsseltechnologie an und schließt die Lücke in der Automatisierungspyramide in Richtung der Feldebene“, so Büttner. Endress+Hauser setzt daher auf breiter Linie auf die APL-Technologie und wird Anfang 2023 für die Messgrößen Durchfluss, Füllstand, Druck und Temperatur entsprechend ertüchtigte Messgereräte anbieten. Die zugehörigen Ökosysteme Fieldcare Field Xpert und die Netilion Cloud lassen sich dann ebenfalls über Ethernet-APL ansprechen.
Softsensoren zur prädiktiven Qualitätskontrolle
Sogenannte Softsensoren kommen als prognostische Lösungen zum Einsatz. Verschiedene Messgrößen sowie Prozess- und Kontextinformationen werden in einer Anwendung mit künstlicher Intelligenz zusammengeführt, um eine neue Mess- oder Zielgröße zu berechnen, die physikalisch anhand eines Sensors nicht ermittelt werden kann. Entwickelt werden solche KI-getriebenen Lösungen in engem Schulterschluss mit dem Kunden und weiteren Wertschöpfungspartnern. Die eigentlich intelligente digitale Lösung entstehen an der Schnittstelle von Data Science, Branchenkenntnis und Anwendungswissen. Denn es geht am Ende nicht um möglichst viele Daten, sondern um die richtigen.
Messgeräte als Industrie-4.0-Enabler
Smarte Sensoren gelten als Türöffner für die Industrie 4.0. Deshalb hat Endress+Hauser Heartbeat Technology in viele seiner Feldgeräte integriert. Mit ihr verwenden die Geräte Sensordaten abseits des eigentlichen Messwertes intelligent für Diagnose, Prüf- und Überwachungsfunktionen, die tiefe Einblicke in das Gerät und den Prozess geben. Allein für die Zustandsüberwachung und Prozessoptimierung gibt es fast 40 Anwendungsfälle über alle Messparameter hinweg. Der Nutzen ist für Betriebsleiter, Servicetechniker oder Qualitätsmanager groß – selbst vorausschauende Wartung wird möglich.
Die Grundlage für Heartbeat Technology sind Signale, die Feldgeräte abseits des primären Messwertes erfassen. Die Vorteile sind vielfältig: die Zuverlässigkeit und Sicherheit bei Messungen verbessert sich, die Effizienz im Messbetrieb erhöht sich, die Einhaltung von Vorschriften wird gewährleistet, Produktivitätssteigerungen und weniger überraschende Stillstandzeiten sind möglich.
Daniela Held, Redakteurin