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Digitalisierung macht Instandhaltung besser, aber nicht einfacher

Eine schöne neue Welt
Digitalisierung macht Instandhaltung besser, aber nicht einfacher

Bei der Instandhaltung in der Prozessindustrie geht es nicht nur darum, die Funktionsfähigkeit einer Anlage sicherzustellen. Verlängerung der Lebensdauer, Optimierung der Leistung und Erhöhung der Sicherheit sind neben Umweltschutz und Kosteneffizienz weitere Zielgrößen. Optimierungsprojekte und damit auch Digitalisierungsaktivitäten werden also daran gemessen, ob sie auf diese Größen einzahlen. Einfacher, im Sinne von weniger komplex, wird die Instandhaltung dadurch nicht.

Durch konsequente Digitalisierung wird die Instandhaltung immer besser, gleichzeitig werden die Anlagen und Systeme jedoch immer komplexer. Dadurch werden auch die einzelnen Aufgaben der Instandhaltungsteams immer komplexer. Bestandteile, die zusätzlich installiert werden, schaffen neue Wechselwirkungen und Abhängigkeiten innerhalb der zumeist ohnehin schon komplexen Anlagen. Der Umgang mit neuen Techniken und Werkzeugen erfordert neue Fähigkeiten und Kenntnisse. Viele Digitalisierungsansätze machen intensive Analysen von Daten und Planung des Einsatzes neuer Techniken notwendig. Und nicht zuletzt müssen die neuen Techniken und Werkzeuge selbst wieder Instand gehalten werden.

Ein Beispiel

Der Bereich „Proaktive Instandhaltung“ umfasst zum Beispiel Aufgaben wie die Untersuchung von Ausfällen, um deren Ursachen zu identifizieren und für die Zukunft zu vermeiden. Auch die initiale Planung und regelmäßige Bewertung und Anpassung von Instandhaltungsstrategien über den gesamten Lebenszyklus einer Anlage hinweg fallen in diesen Bereich. Digitalisierungsaktivitäten in diesem Bereich sind u. a. die Einführung eines digitalen Zwillings, an dem Simulationen vorgenommen werden. Außerdem gibt es eine Vielzahl von Zustandsüberwachungs-(Condition-Monitoring-)Systemen und Analyse-Softwares (z. B. Root Cause Analysis, Lebenszyklusanalyse). Der Einsatz dieser Techniken und Werkzeuge ermöglicht einerseits eine bessere Zielerreichung hinsichtlich Lebensdauer, Leistung, Sicherheit, etc. Andererseits fordert er jedoch Fähigkeiten und Kenntnisse, die das Instandhaltungsteam zusätzlich aufbauen muss. Dies umfasst neben dem Umgang mit den neuen Technologien und Werkzeugen gegebenenfalls auch zusätzliche analytische Fähigkeiten und (SW-)Entwicklertätigkeiten. Die Komplexität der Aufgaben insgesamt steigt also.

Wie reduziert man die Komplexität?

Die Tabelle zeigt exemplarisch weitere Digitalisierungsaktivitäten, gruppiert nach den Bereichen der Instandhaltung. Für jede Aktivität wurde abgeschätzt, ob sie die Komplexität der Aufgaben in diesem Bereich eher reduziert oder erhöht. Wie bereits dargelegt, entstehen mit der Reduktion der Komplexität der bekannten Aufgaben häufig neue, teilweise sogar komplexere Aufgaben. Zudem wird die Anlage selbst zunehmend komplexer. Das ist grundsätzlich kein Widerspruch – Ziel stärkerer Digitalisierung der Instandhaltung ist nicht (primär), die Komplexität zu reduzieren, sondern eben die Verbesserung von Lebensdauer, Leistung, Sicherheit, Ressourceneffizienz, etc. Kurz gesagt: die schöne neue Welt ist zwar besser, aber keineswegs einfacher.

Die spannende Frage ist also: Wie können die positiven Effekte der Digitalisierung in der Instandhaltung genutzt und gleichzeitig die steigende Komplexität beherrscht werden? Die Lösungen für diese Fragestellung sind alte Bekannte:

  • Trennen und Modularisieren der Aufgaben,
  • detaillierte Planung der Abläufe und
  • flexible Ausführung der Aktivtäten.

Je komplexer die instand zu haltende Anlage wird, desto wichtiger wird es, einzelne Bereiche der Anlage gedanklich in überschaubare und damit beherrschbare Einheiten zu gliedern. Innerhalb dieser Module gilt es dann zu klären, wann an welchen Komponenten welche konkreten Instandhaltungsaufgaben ausgeführt werden müssen. Dabei müssen natürlich auch solche Aufgaben berücksichtigt werden, die durch Digitalisierungsaktivitäten neu hinzukommen.

Entscheidend ist an dieser Stelle, einen möglichst hohen Grad an Eigenständigkeit, Austausch- und Wiederverwendbarkeit zu erreichen: Die Module, Komponenten und (Teil-)Aufgaben sollten möglichst klar voneinander abgegrenzt sein. Auf lange Sicht sollte es Ziel sein, für alle Module und Komponenten mit gleicher oder ähnlicher Funktion einheitliche Versionen des Moduls bzw. der Komponente zu verwenden. So reduziert sich die Anzahl unterschiedlicher Aufgaben und damit die Komplexität.

Für die einzelnen Aufgaben müssen dann detaillierte Schritt-für-Schritt-Anweisungen erstellt werden. Auch hierbei ist darauf zu achten, dass einzelne Aufgaben und Teilaufgaben möglichst so beschrieben werden, dass diese Anweisungen für alle ähnlich gearteten Aufgaben wiederverwendet werden können. Zusätzlich sollten auch die Aufgaben in möglichst eigenständige Abschnitte unterteilt werden, für die klare Voraussetzungen und Abschlussbedingungen definiert sind. So werden zwei Dinge sichergestellt: Einerseits helfen die detaillierten Anweisungen dabei, in oft stressigen Instandhaltungssituationen die Ruhe zu bewahren. Außerdem können weniger erfahrene Teammitglieder auf das in den Anweisungen enthaltene Wissen der erfahrenen Kolleginnen und Kollegen zurückgreifen. So kann eine konstante Qualität der Ausführung der Arbeiten sichergestellt werden.

Andererseits ist in komplexen Systemen immer damit zu rechnen, dass Aktivitäten, egal wie gut sie geplant wurden, in der Realität flexibel angepasst werden müssen. Eigenständige Teilabschnitte der Aufgaben mit klaren Voraussetzungen und Abschlussbedingungen ermöglichen eine flexible Anpassung der Reihenfolge an die tatsächlichen Gegebenheiten, soweit dies möglich ist. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass aufgrund der detaillierten Anweisungen einzelne Aufgaben zwischen verschiedenen Teams ausgetauscht werden können. Auf diese Weise werden Zeitverluste bei der Instandhaltung reduziert.

Fazit

Unterm Strich lässt sich festhalten: Die steigende Komplexität der Instandhaltung in den Griff zu bekommen ist in sich eine Aufgabe von hoher – Sie haben es längst erraten – Komplexität. Hier helfen zum einen Softwarewerkzeuge, die bei diesen Aufgaben unterstützen. Es müssen kaskadierende Datenstrukturen abgebildet und gleichzeitig Systemstrukturen und -beschreibungen sowie Abläufe und Schritt-für-Schritt-Anleitungen menschen- und maschinenlesbar dargestellt werden. Außerdem benötigt man erfahrene System-Analysten und -Designer sowie strategische und operative Planer, die Methodik und den Blick für Modularisierung und Wiederverwendbarkeit mitbringen. Und natürlich drängt die Zeit, denn man sollte seine Domänenexperten für Module und Komponenten befragen und deren Wissen sichern.

Synostik GmbH, Oebisfelde


Autor: Johannes H. Diedrich

Leiter Industrieprojekte,
Synostik

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