Der erste Tag der PI-Konferenz widmete sich zunächst der zentralen Frage der PI Community: Wie schaffen wir es, eine Zukunftsvision zu entwickeln, die auf unserem heutigen Bestand aufbaut? Karsten Schneider, Vorstandsvorsitzender der Profibus Nutzerorganisation/PI warf mit Verweis auf die über 86 Mio. installierte Profibus- und Profinet-Knoten im Feld gleich zu Beginn der Veranstaltung die provozierenden Fragen in den Raum: „Wie relevant sind Profibus und Profinet noch angesichts der neuen Technologie TSN?“ und „Kommunizieren Feldgeräte zukünftig direkt mit der Cloud und machen damit Feldbustechnologie obsolet?“ Xaver Schmidt, Leiter der WGs Industrie 4.0 und Marketing FA, PNO/PI, und Prof. Dr. Frithjof Klasen, TH Köln und Vorstand der PNO/PI, lieferten in ihrem Vortrag „Big Picture – PI-Technologien heute und morgen“ prompt Antworten, wie es gelingen kann, angesichts der rollenden Digitalisierungswelle, die bewährte Profibus- und Profinet-Technologie in die Industrie-4.0-Welt zu überführen. Sie zeigten wie Profibus & Profinet International (PI) bereits begonnen hat, die umfangreiche Bandbreite an Themen zu bearbeiten, um das Industrial Internet of Things real werden zu lassen. Dazu gehören die Ergänzung von Profinet um die TSN-Technologien, die Kombination aus Profinet und OPC UA und die Arbeiten an APL (Advance Physical Layer) sowie die vertikale und horizontale Integration.
Profinet und TSN
Schmidt verwies auf den besonders großen Zuwachs bei der Profinet-Techologie im vergangenen Jahr, mit mehr als 5 Mio. zusätzlichen Profinet-Knoten gegenüber rund 2,5 Mio. zusätzlicher Profibus-Knoten. Das ist ein Zeichen, dass bei neu installierten Industrie-Netzwerken zunehmend auf Industrial Ethernet gesetzt wird, das eine schnelle Übertragung von Echtzeitdaten ermöglicht und nahtlos an die IT-Systeme in der Leitebene gekoppelt werden kann. Die PI arbeitet daher mit Hochdruck an einer offenen Lösung für die Integration von TSN (Time Sensitive Networking) in Profinet. Die ersten Technologiehersteller haben bereits TSN in Profinet integriert. TSN findet heute vor allem im Kontext von Industrie 4.0 viel Beachtung. Die entscheidenden Vorteile von TSN sind Plug&Work bei Netzwerkänderungen, einfacher Anschluss von bestehenden Profinet-Geräten und eine Robustheit der Profinet-Kommunikation auch bei hohen Netzlasten. Da TSN lediglich einen Layer 2 für die Kommunikation definiert und das Applikationsprotokoll von Profinet unabhängig von der Layer 2-Kommunikation ist, ist es bei Profinet sehr einfach, TSN nahtlos zu integrieren, damit Steuerungen und Feldgeräte miteinander kommunizieren und Daten austauschen können.
Dass aus Daten auch Informationen werden, kommt die Semantik ins Spiel. Prof. Dr. Christian Diedrich vom ifak, Institut für Automation und Kommunikation e.V. Magdeburg, referierte über die Notwendigkeit, eine genaue Klassifikation für jede Netzwerkkomponente festzulegen, sodass diese auch ohne Umweg über ein übergeordnetes System mit jeder anderen Komponente kommunizieren kann. „Nur wenn die Daten auch von allen verstanden werden, sind Konzepte im Sinne von Industrie 4.0 überhaupt möglich“, erläuterte auch Schneider die derzeitigen Herausforderungen.
Zusammenarbeit mit OPC
PI arbeitet hierfür nicht nur eng mit eCl@ss zusammen, sondern erarbeitet auch in Kooperation mit der OPC Foundation applikationsspezifische Informationsmodelle. In diesem Zusammenhang entstehen derzeit entsprechende Companion Specifications, die den Anwendern Standards auf dem Weg in die Welt von Industrie 4.0 an die Hand geben. Diese wurden auf der PI-Konferenz ebenso vorgestellt wie ein neues Whitepaper rund um das Thema Security. Abgerundet wurde das Bild mit dem Start der 5G-Aktivitäten. In 55 Vorträgen und Diskussionen mit Experten konnten die Anwender und Hersteller sich konkret über die notwendigen und sinnvollen Entwicklungsschritte informieren.
Und trotz aller Arbeiten, die zur Vervollständigung des Big Pictures im Zuge von Profinet@I40 nötig sind – die wesentlichen Grundlagen hierfür wurden bereits vor Jahrzehnten gelegt. Dazu gehört das verbindliche Einhalten von Standards, die konsequente Entscheidung für eine modulare Architektur oder die Offenheit für TCP/IP. Dadurch ist es heute überhaupt möglich, innovative Industrie 4.0-Konzepte auf bestehende Installationen aufzusetzen und dem Anwender praktikable Lösungen an die Hand zu geben.
Eigentumsrechte an Daten
Die aus den Anlagen gesammelten und beispielsweise in einer Cloud gespeicherten Daten sind das Öl der digitalen Wirtschaft und daher vor unberechtigtem Zugriff zu schützen. Aber wem gehören die Daten? Auf diese Frage gab Prof. Dr. Thomas Riehm von der Universität Passau Auskunft. Bis zum Jahr 2020 werden nach seiner Aussage
16 Zettabyte nutzbarer Daten weltweit zur Verfügung stehen. Diese Daten sind mobil und „nicht-rival“, d. h. mehrere können gleichzeitig von ihnen profitieren, ohne sich gegenseitig auszuschließen. Riehm: „Die Daten als solche sind rechtlich nicht geschützt, nur ihre Verkörperung, also das Medium, auf dem sie gespeichert sind.“ Nach der bisherigen Rechtsprechung, so Riehm, bezieht sich das Eigentum am Datenträger auch auf die Daten. Problematisch wird es, wenn die Daten auf einem nicht direkt greifbaren Medium, beispielsweise in einer Cloud gespeichert werden. Für maschinengenerierte Daten gilt in der EU zudem die „Free Flow of Data“-Verordnung 2018/1807, die einen freien Datenverkehr erleichetern soll. Es sollte daher von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, Zugriffs- und Nutzungsrechte vertraglich zu regeln. Darüber hinaus kann das seit seit März 2019 geltende Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) Informationen, die „von wirtschaftlichem Wert„ sind in gewissem Unfang schützen. Schutzberechtigter ist, wer „die rechtmäßige Kontrolle über ein Geschäftsgeheimnis hat“.
Schließlich regten die Ausführungen des Bestsellerautors Frank Schätzing, der einen Ausblick gab, wie sich künstliche Intelligenz entwickeln kann, zum Nachdenken an. Die Fülle an Informationen und die Vorträge des zweiten Konferenztages sind sicherlich auch Inspiration für die nächste PI-Konferenz in zwei Jahren.
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Daniela Held
Redakteurin