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Herr Bouabdallah, was fasziniert Sie an Drohnen?
Samir Bouabdallah: Als ich vor beinahe 20 Jahren begann, mich mit Drohnen zu beschäftigten, war es ein neues, spannendes Gebiet. Alle Forschenden wussten, dass diese Technologie einen großen Einfluss auf die Gesellschaft haben würde. Für mich ist es ein bereicherndes Gefühl, diese Entwicklung begleiten zu dürfen.
Wie wird man überhaupt zu einem Experten für unbemannte Fluggeräte?
Bouabdallah: Als Student in Algerien verfolgte ich die Robotikentwicklung in Europa aufmerksam und war begeistert davon. Ich wollte unbedingt auch von Grund auf etwas entwickeln, das sich bewegen kann. Sobald ich mein Diplom hatte, reiste ich in die Schweiz – mit wenig Geld in den Taschen. An der EPFL in Lausanne traf ich einen Professor, dem ich meine Arbeiten zeigte. Dieser stellte mich dem Robotikexperten Roland Siegwart vor, der mir ein Praktikum anbot und später eine Doktorarbeit ermöglichte. Er war es auch, der mir riet, mich auf fliegende Roboter zu fokussieren. Das war 2002 – am Anfang der Drohnenära. Rückblickend hatte ich Glück. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Wie hat sich die Technologie rund um Drohnen seither entwickelt?
Bouabdallah: Mit Lichtgeschwindigkeit! Als wir mit unseren Arbeiten begannen, gab es nur etwa vier akademische Gruppen weltweit, die sich mit Drohnentechnologie beschäftigten. Aufgrund dieser Basisarbeiten wurden vier bis fünf Jahre später die ersten Unternehmen gegründet. Danach begannen viele Professoren, das Thema aufzunehmen. Zuerst ging es darum, wie man überhaupt Quadcopters stabilisiert, dann bewegte sich der Fokus zur GPS-basierten Steuerung. Später kam die bildgestützte Navigation hinzu, und inzwischen wird an Künstlicher Intelligenz für die Kontrolle gearbeitet. Das Thema war und ist attraktiv für Studentenprojekte. Vor meinem Büro bildete sich jeweils zum Semesterstart eine Schlange von Studierenden, die an Drohnenprojekten mitarbeiten wollten.
Was haben Elektromotoren zur Entwicklung beigetragen?
Bouabdallah: Ganz entscheidend war der Übergang von bürstenbehafteten zu bürstenlosen DC-Motoren. Die Effizienz wurde markant gesteigert. Das erhöhte Dauerdrehmoment der Motoren machte Getriebe überflüssig, reduzierte das Gewicht und verbesserte die Zuverlässigkeit. All dies resultierte, neben der verbesserten Batterietechnik, in einer stark verlängerten Flugzeit.
Welche Anforderungen werden an Motoren gestellt, wenn es um Drohnen geht?
Bouabdallah: In den meisten Fällen sind ein hohes Drehmoment wichtig, eine hohe Leistungsdichte, Vibrations- und Temperaturbeständigkeit sowie Langlebigkeit. Ein ebenso wichtiger Aspekt ist das Zusammenspiel mit der Elektronik, also der ESC-Steuerung (Electronic Speed Controller), sowie den passenden Propellern.
Sie haben mit Flybotix ein eigenes Start-up gegründet und Ende 2020 eine Inspektionsdrohne auf den Markt gebracht. Was ist das Spezielle an dieser?
Bouabdallah: Auf dem kommerziellen Markt finden sich hauptsächlich Quadcopters. Diese sind relativ einfach zu bauen, aber nicht sehr effizient, wenn man die Größe reduziert. Der alternative Hubschrauberansatz ist effizienter, aber komplizierter – vor allem bezüglich der sogenannten Taumelscheiben. Ich wollte diese beiden Welten verbinden und eine Drohne entwickeln, die kompakt ist und so lange fliegt wie große Quadcopters. Das Antriebssystem unserer Asio-Drohne ist einzigartig. Es handelt sich um einen algorithmisch gesteuerten Antriebs- und Lenkmechanismus mit zwei Freiheitsgraden. Daraus ergeben sich die aerodynamische Leistung eines Hubschraubers und die mechanische Einfachheit eines Quadcopters. Und dank effizienten Komponenten wie den BLDC-Motoren von Maxon konnten wir die Flugzeit im Vergleich zu gängigen Modellen verdoppeln.
Und wo sehen Sie Anwendungsgebiete?
Bouabdallah: Unsere Drohne ist gedacht für Inspektionen in enger Umgebung: in Kaminen, Schächten, Tanks, aber auch in Silos und zwischen Rohrleitungen. Einerseits wird so das Unfallrisiko reduziert, andererseits wird Geld gespart. Ein Beispiel: Während Inspektionen von Kaminen steht die Produktion still, vielleicht für mehrere Tage. Mit einer Drohne lässt sich eine schnelle, visuelle Kontrolle durchführen, die Klarheit bringt, ob eine große Inspektion überhaupt nötig ist.
Wie ist es zur Partnerschaft zwischen Flybotix und Maxon gekommen?
Bouabdallah: Ich war auf der Suche nach einem Entwicklungspartner für mein Projekt. An der EPFL traf ich auf einen Verkaufsingenieur, da Maxon dort mit einem Innovation Lab vertreten ist. Ich präsentierte meine Ideen, stieß auf großes Interesse, und die Kooperation wurde beschlossen: Maxon hat modifizierte BLDC-Motoren für meine Drohne entwickelt, ich wiederum bin als Drohnentechnologie-Experte zur Verfügung gestanden. Darüber hinaus hat unser Start-up im Maxon Innovation Lab ein erstes Zuhause gefunden, wofür ich sehr dankbar bin.
Wie wird sich die Drohnentechnologie weiterentwickeln?
Bouabdallah: Aus technischer Sicht wird die Entwicklung von KI für die Navigation von Drohnen eine wichtige Rolle spielen. Sie macht menschliche Eingriffe überflüssig und bietet zusammen mit der Miniaturisierung interessante Anwendungsgebiete. Das betrifft vor allem Logistik und Lieferservices, zusammen mit Landwirtschaft und Industrieinspektionen. Und nicht zuletzt wird der Personentransport mit Drohnen bald Realität – vielleicht schon in zehn Jahren.
Suchwort: Maxon
Bild: Kalyakan – stock.adobe.com
Drohnen: Anwendungen
Öl- und Gasanlagen, aber auch petrochemische Anlagen sind äußerst komplex aufgebaut und haben viele gefährliche Bereiche, die für Mitarbeiter nur schwer zugänglich sind. Außerdem ist es extrem kostspielig sie für Inspektionen zu stoppen. Hier können Drohnen wertvolle Arbeit leisten.
Schornsteine: Das Innere von Schonsteinen lässt sich problemlos durch die besonders wendigen Drohnen inspizieren. Aufwendige Gerüste sind nicht erforderlich – und die Mitarbeiter bleiben am Boden.
Tanklager: Drohnen können problemlos das Innere von großen Tankbehältern abfliegen und mit der hochauflösenden Kamera Bilder an das Wartungspersonal schicken. Die Drohnen können dabei auch Flüssigkeiten überfliegen.
Raffinerien: Für die Inspektion von unzugänglichen Stellen in den Gebäudekomplexen sind Drohnen prädestiniert. Die Asio Pro verfügt dazu über einen Käfig, um die Rotoren zu schützen.
Silos: Auch große Silos in chemischen Anlagen können mit den Drohnen von innen auf Schwachstellen untersucht werden.
„Die Asio-Drohne ist mit einem algorithmisch gesteuerten Antriebs- und Lenkmechanismus ausgestattet und für Inspektionen in enger Umgebung konzipiert.“