Am Standort Hoechst stellt Aventis neben pharmazeutischen Wirkstoffen auch die Darreichungsform der Wirkstoffe her und verpackt sie entsprechend. Hierfür wird Druckluft in ihrer absolut besten Qualität verlangt, da sie direkt mit dem Arzneimittel in Berührung kommt. Es müssen also nicht nur bei der Drucklufterzeugung höchste Maßstäbe angesetzt werden, sondern auch bei der Druckluftaufbereitung und Druckluftfortleitung.
Die Druckluftversorgung der Pharmaproduktionsanlage von Aventis sollte durch eine neue, modern und wirtschaftlich arbeitende Station ersetzt werden. Dabei galt es einige Aspekte zu berücksichtigen. Der Energiebedarf bei der Drucklufterzeugung und Druckluftaufbereitung sollte möglichst gering gehalten werden, die Station musste wirtschaftlich zu regeln sein und die Verdichterabwärme sollte zur Wärmerückgewinnung zu nutzen sein, wobei der Kompressorraum nicht weiter erwärmt werden durfte. Ein minimaler Druckabfall – bei hoher Stabilität des Druckes im Druckluft-Leitungsnetz – galt als Voraussetzung für die Druckluftfortleitung. Bei der Druckluftaufbereitung wiederum galt die Prämisse: Nur so viel Aufbereitung wie nötig und nicht so viel wie möglich – bei hoher Sicherheit der geforderten Druckluftqualität.
Anzeige
Die Überwachung von Pumpen in industriellen Prozessen ist weit mehr als eine reine Schutzmaßnahme für das Pumpenaggregat. Neben der präventiven Wartung und...
Um all diese Drucklufteigenschaften zu erreichen und zu gewährleisten, suchte Aventis einen Contractor, den man in Infraserv – einem ganzheitlichen Betreiber anspruchvoller Chemie- und Pharmastandorte – fand. Die Division Energien der Infraserv Hoechst ging 1998 aus der Hoechst AG hervor. In nur vier Monaten gelang es, zusammen mit Boge Kompressoren, die neue Druckluftstation komplett aufzustellen und nach GMP abzunehmen.
Ausgangssituation
„Vor Ort fanden wir einen Kompressorraum mit einer komplett installierten Druckluftstation vor. Die sollte total erneuert werden bei gleichzeitig sichergestellter Druckluftversorgung während der Montage“, blickt Boge-Projektingenieur Marcus Uhrmacher zurück. Daher entschlossen sich die Verantwortlichen, aus dem vorhandenen Kompressorraum alle Komponenten Zug um Zug auszutauschen. Weitere in der Halle vorhandene Versorgungsgeräte durften von dieser Aktion natürlich nicht räumlich und auch nicht in ihrer Funktion beeinträchtigt werden.
Boge-Projektingenieur Lutz Knoke, der die Abwicklung im Werk begleitete, zum Projekt: „Der Betreiber verlangte absolut ölfreie Druckluft für drei Leitungsnetze mit Drücken von 3, 6 und 13 bar.“ Der Druckluftbedarf wurde daher so bemessen, dass drei ölfrei verdichtende Schraubenkompressoren mit je 26,04 m3/min Liefermenge ausreichend sind. Die überschüssig erzeugte Druckluft wird in ein weiteres, von Infraserv betriebenes Druckluftnetz geleitet. Die Schraubenkompressoren sind so ausgelegt, dass sie den gewünschten Netzdruck von 6 bar garantieren. Für das 3-bar-Netz wird der Druck reduziert und für das 13-bar-Netz wird die Druckluft mit zwei ölfreien Booster-Kolbenkompressoren höher verdichtet.
Im einzelnen sieht die Lösung wie folgt aus: Jedem ölfrei verdichtenden, wassergekühlten Schraubenkompressor mit je 200 kW Antriebsleistung ist ein Adsorptionstrockner direkt nachgeschaltet, der wirtschaftlich ohne den Einsatz von Fremdenergie arbeitet. Die Adsorptionstrockner haben einen Drucktaupunkt von -30 °C. Das bedeutet, dass in dem Adsorptionstrockner der Druckluft so viel Feuchtigkeit entzogen wird, als wenn sie auf -30 °C abgekühlt würde. Der reine Wassergehalt der Druckluft beträgt bei dieser Temperatur nur noch 0,33 g/m³. Jedem Adsorptionstrockner ist ein Filter nachgeschaltet, um Abrieb vom Trockenmittel aus der Druckluft fern zu halten. Die Filter sind wie das komplette Druckluftnetz aus Edelstahl. Durch das Leitungsmaterial soll verhindert werden, dass keine Verunreinigungen wieder in die Druckluft gelangen. Diese kommt schließlich direkt mit Arzneimitteln in Berührung.
Ölfreie Erzeugung
Die drei ölfrei verdichtenden Schraubenkompressoren SO 220 arbeiten zweistufig. Die zu verdichtende Luft wird zunächst auf einen Zwischendruck gebracht und anschließend über einen wassergekühlten Nachkühler abgekühlt. Dann verdichtet die zweite Stufe auf den Enddruck von 7,0 bar. Die Druckluft erreicht dabei eine Temperatur von nahezu 200 °C. Die Druckluft ist an dieser Stelle feucht, aber nicht gesättigt. Nachgeschaltet ist jedem Schraubenkompressor ein Adsorptionstrockner. Der Adsorptionstrockner benötigt in der Regel Energie zum Regenerieren seines Trockenmittels. Die Energie kann er in Form von Wärme oder Druckluft bekommen. Bei warmregenerierten Adsorptionstrocknern wird durch Erwärmen die Feuchtigkeit aus dem Trockenmittel gezogen. Bei kaltregenerierten Adsorptionstrocknern wird ein Teilstrom der bereits getrockneten Druckluft entspannt und über das feuchte Trockenmittelbett geleitet. Dabei nimmt die Regenerationsluft Feuchtigkeit auf und regeneriert so das feuchte Trockenmittel. Bei beiden Systemen stehen zwei Behälter mit Trockenmittel zur Verfügung, die zyklisch vertauscht werden.
Adsorptionstrockner ohne Fremdenergie
Bei Aventis regeneriert ein Teilluftstrom der heißen, ölfreien Druckluft den Adsorptionstrockner. Dieser Teilluftstrom kommt später wieder zum Hauptstrom der Druckluft und wird mit aufbereitet. Der Vorteil dieses Systems: Es wird keine Fremdenergie zur Regeneration des Adsorptionstrockners benötigt. Voraussetzung der Trocknung ohne Fremdenergie ist zunächst die ölfreie Druckluft. Ölanteile würden die Poren des Trockenmittels verkleben und eine Regeneration verhindern. Die Druckluft muss auch eine hohe Temperatur haben, um noch Feuchtigkeit aus dem Trockenmittelbett aufnehmen zu können.
Für das 13-bar-Leitungsnetz wird die vorhandene ölfreie und trockene Druckluft mit einem Druck von 6 bar durch zwei wassergekühlte ölfrei verdichtende Booster-Kolbenkompressoren (Nachverdichter) mit je 22 kW Antriebsleistung auf 13 bar höher verdichtet. Eine weitere Druckluftaufbereitung ist nicht erforderlich.
Der Drucktaupunkt verändert sich durch die Höherverdichtung auf -23 °C, was einem zulässigen Restwassergehalt von 0,66 g/m3 entspricht. Durch die Booster kommen keine Verunreinigungen mehr in die Druckluft.
Für die 3-bar- und 6-bar-Netze wird Druckluft als Steuer- und Instrumentenluft benötigt. Die Druckluft in dem 13-bar-Netz dient zum Blistern. Beim Blistern werden in die untere, feste Folie der Verpackung durch die Druckluft Vertiefungen zum Aufnehmen der Tabletten eingeprägt. Später, nach dem Einlegen der Tabletten, schließt eine zusätzliche Folie von oben die Tabletten ab.
Druckluftleitungen aus Edelstahl
Eine weitere Besonderheit – und bei dieser hohen Druckluftqualität fast unumgänglich – ist die Behandlung der Edelstahl-Druckluftleitungen. Alle Druckluftleitungen, einschließlich ihrer Schweißnähte, sind innen sauber gebeizt und später zur Dichtheitskontrolle abgedrückt. Die Druckluftleitungen haben mehrere Entnahmestellen, aus denen regelmäßig Luftproben entnommen werden zur Kontrolle der erforderlichen Druckluftqualität.
Es ist nur folgerichtig, dass bei diesen hohen Anforderungen an die Qualität der Druckluft gleiche Anforderungen auch an den Druck gestellt werden. Der Druck soll nicht schwanken, sondern absolut konstant gehalten werden. Hierfür sind an mehreren Stellen des Druckluftnetzes Druckregler mit pneumatischen Stellantrieben und Absperrklappen installiert. Ebenso selbstverständlich gehört zum Betreibermodell Contracting eine ständige Kontrolle der benötigten Druckluftmenge. Ein Liefermengenmessgerät hält den tatsächlichen Druckluftbedarf fest, um später eine exakte Abrechnung des Verbrauchs durchführen zu können.
Abnahme
Die Druckluftversorgung wurde sowohl von Seiten des Maschinenausrüsters Boge sowie des Betreibers Infraserv entsprechend den Richtlinien der Food and Drugs Administration (FDA) qualifiziert. Dazu mussten alle Messgeräte der kompletten Druckluftstation einzeln mit geeichten Messgeräten verglichen werden. An besonders sensiblen Messpunkten waren sogar kalibrierbare Messgeräte angeordnet, um bei Bedarf nachkalibrieren zu können.
Da extrem hohe Anforderungen an die Qualität der Druckluft gestellt werden und die Druckluft direkt mit dem Produkt in Berührung kommt, wird sie kontinuierlich auf ihre Qualität hin untersucht.
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Wasserstoff gilt als Schlüssel für die Dekarbonisierung der Chemieindustrie. Doch die Nutzung des vermeintlichen Hoffnungsträgers Hydrogen birgt auch Gefahren und stellt die Branche vor neue Herausforderungen, die das gratis Whitepaper „H2 wie Hoffnungsträger?“ näher für Sie…
Teilen: