Herr Effenberger, CO2 ist das Endprodukt jeder Art von Verbrennung, wenn ein kohlenstoffhaltiger Ausgangsstoff – beispielsweise zur Energieerzeugung – eingesetzt wird. Mittlerweile wissen wir, dass Kohlendioxid maßgeblich für die Klimaerwärmung verantwortlich ist. Wie werden wir diesen Geist der Industrialisierung in unserer Atmosphäre wieder los?
Frederik Effenberger: Das Problem des erhöhten CO2-Gehalts in der Atmosphäre ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Doch es gibt mehrere Strategien, um den CO2-Gehalt zu reduzieren und damit den Klimawandel zu bekämpfen. Zuerst müssen wir natürlich dafür Sorge tragen, dass nicht noch mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt. Dies erreichen wir, indem wir Emissionen dort reduzieren, wo es möglich ist. Dazu gehört, Prozesse effizienter zu gestalten und auf CO2-neutrale Energiequellen umzusteigen.
Für Prozesse, die bisher noch nicht auf regenerative Energien umgestellt wurden oder für solche, bei denen dies gar nicht möglich ist, bieten sich aktiv abscheidende Emissionstechnologien an. Direct Air Capture (DAC) fängt CO2 direkt aus der Umgebungsluft ein. Carbon Capture (CC) hingegen fängt CO2 ein, bevor es in die Luft abgegeben wird und dort einen schädlichen Einfluss auf das Klima nimmt. Dabei wird CO2 direkt an der Quelle, am Ende des Produktionsprozesses, etwa an den Schornsteinen von Industrieanlagen, abgeschieden und in unterirdischen geologischen Formationen gespeichert. Mit dieser Technik kann man jedoch lediglich Klimaneutralität erreichen. Negative Emissionstechnologien, wie die Kombination von Bioenergieerzeugung mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS), gehen einen Schritt weiter: Sie erzeugen negative Emissionen und tragen somit in besonderem Maße positiv zum Klimaschutz bei.
Keine dieser Technologien oder Ansätze wird jedoch allein ausreichen, um die Herausforderungen der durch die Industrialisierung verursachten CO2-Emissionen zu bewältigen. Daher ist eine Kombination dieser Methoden notwendig, um die CO2-Konzentration in der Atmosphäre wirksam zu reduzieren und den Klimawandel zu bekämpfen. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Unternehmen, Wissenschaft und Gesellschaft, um sicherzustellen, dass diese Maßnahmen vorankommen und erfolgreich umgesetzt werden können.
Um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, müssen wir also Kohlendioxid direkt aus der Atmosphäre entfernen. Wie funktioniert das?
Effenberger: Hier kommt die zuvor erwähnte Technik des Direct Air Capture (DAC) ins Spiel. Einfach ausgedrückt handelt es sich dabei um eine Anlage, die auf der einen Seite Luft mit CO2 ansaugt und auf der anderen Seite CO2-reduzierte Luft wieder ausstößt. Dazwischen befinden sich Filter, die das CO2 aus der Luft entfernen. Dabei gibt es verschiedene Verfahren, wie das Solid-Air-Capture (S-DAC) und das Liquid-Air-Capture (L-DAC).
Was sind die Unterschiede zwischen den Solid-Air-Capture- (S-DAC) und Liquid-Air-Capture-Verfahren (L-DAC) in Bezug auf die CO2-Abscheidung und -Regeneration?
Effenberger: Die beiden Verfahren zur CO2-Abscheidung, Solid-DAC und Liquid-DAC, unterscheiden sich grundlegend in ihrer Funktionsweise und den verwendeten Sorptionsmitteln. So nutzen Solid-DAC-Systeme feste Sorptionsmittel wie modifiziertes Silica, Alumina oder andere Materialien, die chemisch oder physikalisch mit CO2 reagieren. Das im Prozess gebundene CO2 wird durch Erwärmung, Druckabsenkung oder chemische Desorption wieder freigesetzt. Die hierfür benötigten Temperaturen liegen, je nach verwendetem Sorptionsmittel, bei moderaten bis hohen Werten von etwa 80 bis 120 °C.
Im Gegensatz dazu verwenden Liquid-DAC-Systeme flüssige Sorptionsmittel wie alkalische Lösungen (z. B. Natriumhydroxid, Kaliumhydroxid) oder Amine, die CO2 chemisch binden. Hier wird die Luft durch die versprühte Flüssigkeit geleitet, wobei das CO2 eine chemische Bindung eingeht. Flüssige Sorptionsmittel können effektiv große Mengen CO2 aus der Luft absorbieren, da sie eine hohe Kontaktfläche und Reaktionsrate bieten. Das gebundene CO2 wird durch Erhitzen, Druckveränderung oder chemische Reaktionen freigesetzt, wodurch die Flüssigkeit regeneriert wird. Die dafür benötigten Temperaturen sind jedoch deutlich höher und liegen bei etwa 100 bis 900 °C, abhängig von der chemischen Zusammensetzung der Sorptionsmittel. Aufgrund der hohen Temperaturen ist der Energiebedarf bei Liquid-DAC-Systemen oft beträchtlich, insbesondere bei der Regeneration der Flüssigkeit, die einen energieintensiven Prozess darstellt.
Welche Rolle spielt die Messtechnik von Endress+Hauser bei der Entwicklung und Effizienzsteigerung von Direct Air Capture-Technologien?
Effenberger: Besonders in der Entwicklung und Effizienzsteigerung von Direct Air Capture (DAC)-Technologien spielen unsere Produkte und Lösungen eine entscheidende Rolle – angefangen beim Regenerationsprozess: Hier ist die präzise Temperaturmessung entscheidend, denn nur eine genaue Temperaturregelung erhöht die Effizienz und senkt den Energieverbrauch. Auch die Wasserqualität in L-DAC-Systemen beeinflusst die Effizienz der CO2-Abscheidung und die Langlebigkeit der Anlagen. Verunreinigungen können Reaktionen beeinträchtigen und zu Ablagerungen führen. Unsere TOC-Analysatoren messen den Gesamtkohlenstoffgehalt (Total Organic Carbon) im Wasser und erkennen so Verunreinigungen, wodurch sichergestellt wird, dass die Wasserqualität auf einem optimalen Niveau bleibt. Zusätzlich bieten unsere Softwarelösungen wie Endress+Hauser Netilion und die Heartbeat-Technology umfassende Überwachungs- und Steuerungsmöglichkeiten. Diese ermöglichen eine nahtlose Integration und Optimierung aller Prozessparameter, was die Effizienz der gesamten Anlage weiter steigert.
Was sind die aktuellen Herausforderungen und zukünftigen Ziele für die Wirtschaftlichkeit von Direct Air Capture-Technologien, und wie tragen präzise Messungen dazu bei?
Effenberger: Die aktuellen Herausforderungen für die Wirtschaftlichkeit von DAC-Technologien liegen hauptsächlich im hohen Energiebedarf. Energie ist kostbar und der größte Kostentreiber beim Betrieb von DAC-Anlagen sowie allgemein bei Carbon Capture-Anlagen. Darüber hinaus ist die Technologie noch nicht ausreichend skalierbar, um wirtschaftlich rentabel zu sein. Präzise Messungen spielen deshalb eine entscheidende Rolle, um den Wirkungsgrad und die Wirtschaftlichkeit von DAC-Prozessen zu verbessern. Sie ermöglichen eine genaue Bewertung der CO2-Abscheidungsrate, der Energieeffizienz und der Betriebsbedingungen. Mit präzisen Daten können Optimierungspotenziale identifiziert und die Technologie kontinuierlich weiterentwickelt werden. Langfristig werden dadurch die Kosten gesenkt und die Skalierbarkeit erhöht.
Eine weitere Herausforderung ist der Ausbau der Infrastruktur für den CO2-Transport und die Speicherung. Derzeit lassen sich die eingefangenen geringeren Mengen CO2 noch relativ gut transportieren. Wenn jedoch in Zukunft größere Mengen CO2 abgeschieden werden, fehlt die notwendige Infrastruktur, um diese effizient zu handhaben.
Neben der direkten Abscheidung von CO2 aus der Atmosphäre kann man das CO2 auch gleich an der Entstehungsstelle in industriellen Prozessen abscheiden. Was umfasst der CCUS-Ansatz und welchen Zweck soll er erfüllen?
Effenberger: Der CCUS-Ansatz (Carbon Capture, Utilization, and Storage) umfasst die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 aus fossilen Stromerzeugungs- oder industriellen Quellen. Dabei wird CO2 direkt an der Quelle industrieller Prozesse, wie etwa in Zementfabriken, abgeschieden, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Nach der Abscheidung kann das CO2 auf verschiedene Weisen genutzt werden. Industriell wird es zur Herstellung von Chemikalien, Kraftstoffen oder Baustoffen verwendet. Auch in biologischen Prozessen, wie der Algenproduktion, findet CO2 Anwendung. Neben der Nutzung ist die Speicherung von CO2 ein zentraler Bestandteil des CCUS-Ansatzes. Langfristige Speicherungsmöglichkeiten umfassen die geologische Speicherung in unterirdischen Formationen sowie die mineralische Bindung, bei der CO2 in stabile, feste Formen umgewandelt wird. Darüber hinaus unterstützt dieser Ansatz den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, bietet wirtschaftliche Vorteile durch die Nutzung von CO2 als Rohstoff und trägt zur dauerhaften Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre bei.
Welche Messtechniken setzt Endress+Hauser zur exakten Messung der CO2-Konzentration ein, und welche Vorteile bieten diese?
Effenberger: Ein bedeutendes Verfahren ist die Raman-Spektroskopie-Messung mittels Raman-Analysator Rxn5, die bei der Kohlenstoffabscheidung auf Aminbasis eingesetzt wird. Diese Technologie ermöglicht die chemische Analyse der Aminlösung, wodurch die Konzentration von CO2 und Verunreinigungen in Echtzeit überwacht werden kann. Zu den Vorteilen dieser Methode gehören eine verbesserte Prozesssteuerung, eine genaue Analyse der Absorptionskapazität und die rechtzeitige Anpassung der Betriebsparameter für maximale Effizienz und Kosteneinsparungen.
Eine weitere Messtechnik ist die Infrarot (IR)-Absorptionsspektroskopie mittels TDLAS, die nach dem Abscheidungsprozess zur CO2-Messung verwendet wird. Diese Methode basiert auf der Absorption von Infrarotlicht durch CO2-Moleküle. Ein Infrarotstrahl wird durch die Probe geleitet, und die Menge an absorbiertem Licht wird gemessen, wobei diese Absorption proportional zur CO2-Konzentration ist. Die Vorteile dieser Messung umfassen präzise Erfassung niedriger CO2-Konzentrationen und schnelle Echtzeitmessungen, die für die Prozesssteuerung und -überwachung von entscheidender Bedeutung sind.
Neben der Konzentrationsmessung spielt auch die Durchflussmessung bei diesen Technologien eine entscheidende Rolle. Welche Herausforderungen stellt hier CO2 und welche Lösungen bietet Endress+Hauser dafür an?
Effenberger: Die Durchflussmessung von CO2 stellt aufgrund der stark druck- und temperaturabhängigen physikalischen Eigenschaften des Gases, wie Dichte und Viskosität, besondere Herausforderungen dar. Endress+Hauser bietet hierfür den hochpräzisen Coriolis-Durchflussmesser Promass Q an, der speziell für anspruchsvolle Anwendungen in der Gas- und Flüssigkeitsmessung entwickelt wurde. Mit der Multi-Frequency Technology (MFT) ist der Promass Q auch für die Messung von Flüssigkeiten mit Gaseinschluss optimiert. Neben der Durchflussrate kann der Promass Q auch die Dichte und Temperatur des Mediums messen, was wertvolle zusätzliche Prozessinformationen liefert. Diese umfassenden Messdaten ermöglichen eine präzise Überwachung und Steuerung der CO2-Prozesse, wodurch die Effizienz und Zuverlässigkeit erheblich gesteigert werden.
In der chemischen Industrie wird CO2 in Zukunft mit Wasserstoff zu klimaneutralen Basischemikalien umgesetzt werden. Worauf muss man bei der Messtechnik achten, wenn man in seinen Prozessen Wasserstoff nutzt?
Effenberger: Bei der Nutzung von Wasserstoff in Prozessen muss man auf mehrere Aspekte der Messtechnik achten. Ein wichtiger Faktor ist die Materialverträglichkeit, da Wasserstoff bestimmte Materialien, insbesondere Metalle wie Stahl, durch Wasserstoffversprödung schädigen kann. Daher sollten die verwendeten Messgeräte und Sensoren aus wasserstoffresistenten Materialien wie Edelstahl oder speziellen Legierungen bestehen. Zusätzlich gibt es spezifische Anforderungen an die Messgeräte selbst. Beispielsweise werden goldbeschichtete Drucktransmitter verwendet, um den direkten Kontakt mit Wasserstoff zu gewährleisten und die Lebensdauer sowie die Genauigkeit der Messungen zu erhöhen.
Welche Dienstleistungen bietet Endress+Hauser zur Unterstützung der Energiewende in der Prozessindustrie an?
Effenberger: Wir bieten eine umfassende Palette von Dienstleistungen an. Diese Dienstleistungen zielen darauf ab, die Effizienz zu steigern, den Energieverbrauch zu optimieren, nachhaltige Praktiken zu fördern und die volle Funktionsfähigkeit der Anlagen zu gewährleisten. Ein zentraler Service ist die Inbetriebnahme, bei dem Endress+Hauser sicherstellt, dass alle Systeme von Anfang an optimal arbeiten und energieeffizient betrieben werden. Darüber hinaus bieten wir Wartungs- und Kalibrierservices für die Messgeräte an. Zudem unterstützen wir Anlagenbetreiber mit Prüfkonzepten zur Qualitätssicherung der verwendeten Messgeräte und bieten Workshops zur Erstellung korrekter Unsicherheitsnachweise an, die für den Emissionshandel wichtig sind.
Suchwort: Endress+Hauser
Halle 7A, Stand 146
Das Interview führte für Sie: Dr. Bernd Rademacher
Redakteur
„Endress+Hauser setzt verschiedene fortschrittliche Messtechniken zur exakten Messung der CO2-Konzentration ein, die je nach Anwendungsbereich variieren.“