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Der Prozess der Produkt- und Prozessentwicklung startet in der Regel im kleinen Maßstab im F&E-Labor. Von dort aus werden die Verfahren in den nächsten Entwicklungsschritten auf Pilotanlagen hochskaliert, bis der Roll-out in großen Produktionsanlagen erfolgt. Inline-spektroskopische PAT wurde bis dato primär in bestehende Produktionsanlagen installiert und dort genutzt. Bei Evonik sah man jedoch ein großes Potenzial darin, PAT bereits gezielt in den F&E-Laboren einzusetzen und nicht erst im finalen Produktionsprozess. Im Jahr 2016 gab es daher eine Initiative mit dem Namen „Lab to Process“. Ziel war es, PAT-Technologien zu identifizieren und zu erproben, die den Entwicklungs- und Optimierungsprozess begleiten sowie dessen Effizienz steigern und die dann auch im Produktionsprozess zum Einsatz kommen können. Die Herausforderung: Die eingesetzte PAT-Technologie sollte universell und flexibel einsetzbar sein, damit sie bei der Prozessentwicklung für unterschiedlichste Chemikalien, Aggregatzustände und Prozessbedingungen verwendet werden kann.
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Hohe Anforderungen an die Messtechnik
Die Technologie muss in der Prozessentwicklung flexibel bei der Implementierung sein, denn in der oft nur wenige Monate dauernden Entwicklungszeit ist Zeit gleich Geld. Messstellen müssen möglichst schnell umgesetzt werden können. Außerdem sollte die PAT modularisierbar und skalierbar sein, sodass verschiedenste Messstellen abgedeckt werden können. Ein Augenmerk lag auch bei der Interpretierbarkeit der Daten: Anwender möchten z. B. beim Einsatz von spektroskopischen Verfahren auf den ersten Blick erkennen können, wie eine Reaktion abläuft. Chemometrische Modelle müssen einfach zu erstellen sein, um aus Spektraldaten die benötigten chemischen Informationen wie z. B. Konzentration oder Produktqualität in „Echtzeit“ ablesen zu können.
All diese Punkte sind in der Raman-Spektroskopie von Endress+Hauser verwirklicht. Die Systeme ermöglichen Flexibilität bzgl. der Einbausituation, bedingt durch die Anbindung an Lichtwellenleiter. Die eingesetzten Raman-Systeme sind außerdem u. a. durch verschiedene Sondentypen hoch modularisierbar und verfügen über bis zu vier unabhängige Kanäle, mit denen entsprechend viele Messstellen realisiert werden können. Die Spektren können dank der Unterstützung aller gängigen chemometrischen Programme vielseitig, einfach und schnell direkt auf dem Spektrometer ausgewertet werden. „Bei Raman-Spektren hat man häufig das Glück, isolierte Peaks einzelnen Substanzen im Gemisch zuordnen zu können. Das reduziert den Kalibrieraufwand erheblich und führt schnell zu quantitativen Ergebnissen. Im Gegensatz dazu sind NIR-Spektren manchmal nicht mit bloßem Auge zwischen Substrat und Produkt im Reaktionsgemisch zu unterscheiden“, sagt Dr. Andreas Ohligschläger, PAT-Ingenieur bei Evonik.
Vorteile der Raman-Spektroskopie
Bei der Prozessentwicklung führen die Inline-Raman-Systeme zu einer Reihe an Vorteilen: Diese sind Zeitersparnis, eine Steigerung der Effizienz und der Produktqualität sowie ein Know-how-Gewinn über die ablaufende Reaktion. Weil die quantitativen und qualitativen Inline- und Echtzeitmessungen im Vergleich zur manuellen Probenahme kontinuierlich 24/7 an verschiedenen Stellen im Prozess durchgeführt werden, kann auch zu Zeitpunkten gemessen werden, an denen man dies vorher nicht gemacht hätte – eine manuelle Probenahme und Laboruntersuchung wäre schlichtweg zu aufwendig gewesen. Während der Prozessentwicklung und -optimierung können die Geräte unter Prozessbedingungen getestet werden. Dies macht es einfacher und effizienter, die geeignete PAT für die jeweiligen Prozesse auszuwählen und einen Technologietransfer vom Labor bis in den Prozess durchzuführen. Auch die Sicherheit des Personals und der Anlage wird weiter erhöht, wenn manuelle Probenahmen auf ein Minimum reduziert werden können.
Einsatz in Prozessentwicklung und -optimierung
Bei Evonik wurde die Raman-Spektroskopie beispielsweise in der ersten Pilotanlage zur Entwicklung und Optimierung von Hydrierprozessen angewendet. Die Raman-Sonde wurde in eine 6-mm-Rohrleitung eingebaut, somit sind die Dimensionen deutlich kleiner als in den Produktionsanlagen. Vor dem Einsatz der Raman-Technologie wurden täglich manuell Proben zur Analyse über NMR-Spektroskopie gezogen. Mit der Raman-Spektroskopie konnten die Mitarbeiter auf Probenahmen verzichten und erhielten Inline-Messungen im Minutentakt, wodurch dann ein Monitoring des gesamten Hydrierprozesses möglich wurde. Durch diese sehr engmaschige Untersuchung war man in der Lage, die Auswertung der einzelnen Versuche viel detaillierter durchzuführen. Hinzu kommt eine deutliche Zeit- und Kostenersparnis, weil Laborauswertungen fortan entfallen. Besonders bei Pilotanlagen mit geringem Volumen ist ein weiterer Vorteil der Raman-Messung, dass die Zusammensetzung des Systems nicht durch Probenahmen beeinflusst wird.
Produktionsanlage unter Atex-Bedingungen
In Produktionsanlagen herrschen jedoch andere Bedingungen als in Labor- und Technikumsanlagen. Dr. Roland Peschke, PAT Experte bei Evonik Oxeno, sagt: „Besonders im rauen Umfeld der Prozessanlagen und unter Berücksichtigung der dort geltenden Atex-Bestimmungen sind die Anforderungen an PAT-Messsysteme besonders herausfordernd.“ Dies bedeutet, dass prozesstaugliche und robuste PAT gefragt ist. Im Jahr 2017 wurde die Raman-Technologie von Endress+Hauser bei Evonik erstmals in einer Produktionsanlage zur Herstellung von Oxo-Alkoholen eingesetzt. Hier kommt neben dem Raman-Rxn2-Analysator und den Raman-Sonden ein sicherheitsgerichteter Vibronik-Grenzstandschalter (Liquiphant) zum Einsatz. Dieser stellt sicher, dass sich im Laserstrahl der Raman-Sonde niemals ein möglicherweise zündbares und explosionsfähiges Gasgemisch bilden kann. Peschke berichtet außerdem, Evonik habe in Kooperation mit Endress+Hauser seitdem den Prozess der Inbetriebnahme optimiert, um den Aufwand für die Prozessingenieure zu reduzieren. Der Nutzen der Raman-Technologie kann derweil 1:1 vom Labor über die Technikumsanlagen in die Produktionsanlagen übertragen werden. Die Raman-Daten werden gar zur Stabilisierung und Optimierung der Reaktion für die Regelung und Prozesssteuerung eingebunden.
Raman-Spektroskopie ist etabliertes PAT-Werkzeug
Die Zusammenarbeit der Evonik mit Endress+Hauser in Bezug auf Raman-Spektroskopie startete 2016 mit dem Ziel, Lösungen zu finden, um die PAT in der Prozessentwicklung frühzeitig einzubinden. 2017 konnte dann die erste Installation in einer Produktionsanlage vorgenommen werden. Bei Evonik konnte nachgewiesen werden, wie gut die Implementierung der Raman-Spektroskopie funktioniert und dass die Geräte per Scale-up vom Labor über Pilotanlagen bis in den Prozess integriert werden können. Inzwischen sind bei Evonik in Deutschland 16 Geräte mit mehr als 50 Messstellen im Einsatz. Seit Beginn der Kooperation konnten ca. 50 % der optischen Messaufgaben mit Raman-Spektroskopie gelöst oder substituiert werden. Laut Dr. Roland Peschke habe sich die Raman-Spektroskopie über die letzten Jahre zu einem sehr wichtigen und mächtigen Werkzeug in Evoniks PAT-Toolbox entwickelt. Interne Veröffentlichungen bei Evonik haben derweil zu einem großen Interesse und zu einer steigenden Nachfrage nach der Technologie geführt. „Entlang des gemeinsamen Kooperationspfades wurden maßgeschneiderte Rahmen- und Serviceverträge geschlossen und auch der technische Service von Evonik für Instandhaltungsmaßnahmen mit eingebunden. All dies diente dazu, dem beidseitigen Commitment gerecht zu werden, Anschaffungs- und Unterhaltskosten der Raman-Geräte an die geringer ausfallenden Kosten der komplementären Messtechnik der NIR-Spektroskopie anzunähern“, so Peschke. Mit Blick auf die bevorstehenden Verhandlungen der Anschlussverträge sieht Peschke eine große Herausforderung darin, diesem Commitment auch in Zukunft gerecht zu werden.
Effizienzsteigerungen durch die Technologie
Nach fünf Jahren der Zusammenarbeit der Evonik PAT mit Endress+Hauser in Sachen Raman-Spektroskopie lässt sich das Fazit ziehen, dass die Technologie das PAT-Portfolio bei Evonik signifikant ergänzt. Durch Standardisierung und Modularisierung ist es heute möglich, dass Raman-Spektroskopie fast in jeder Pilot- oder Prozessanlage installiert werden kann. Weiter wird die Flexibilität der Technologie gelobt, so sind z. B. Prozessentwicklungen mit wechselnden Aufgabenstellungen und Messstellen problemlos möglich. Durch die frühzeitige Einbindung der Messtechnik während der Prozessentwicklung kann die bestmögliche Technologie frühzeitig ausgewählt und eingesetzt werden, gleichzeitig werden Effizienzsteigerungen und eine Kostenreduktion in der Prozessentwicklung sichtbar. In der Vergangenheit war der Einsatz in Atex-Anwendungen herausfordernd, heute ist er dank Standardisierung und Zertifizierung mit vertretbarem Aufwand möglich. Bisher setzte die Evonik PAT bei der Instrumentierung mit Raman-Spektroskopie ihren Schwerpunkt noch auf den deutschsprachigen Raum. Nun wird die Technologie mit Unterstützung von Endress+Hauser auch weltweit in den ersten Produktionsanlagen ausgerollt.
Endress+Hauser GmbH+Co. KG, Weil am Rhein
Halle 11.0, Stand C43