Destillationskolonnen sind typische Prozesseinheiten innerhalb eines Chemiewerks, die ein großes Potenzial zur Verbesserung der Energieeffizienz bieten. In den Vereinigten Staaten gibt es mehr als 40 000 Destillationskolonnen in der Raffinerie- und Chemieindustrie, und laut dem US-Energieministerium verbrauchen sie etwa 40 % der gesamten Energie, die für den Betrieb dieser Anlagen benötigt wird. Da es sich um sehr hohe Energieverbraucher handelt, sind sie offensichtliche Kandidaten für eine genauere Betrachtung, um Leistungssteigerungen zu erzielen, die zu einer höheren Energieeffizienz führen. Die Reduzierung des Energieverbrauchs von Destillationskolonnen ist aufgrund der Komplexität des Destillationsprozesses nicht immer einfach. Destillationskolonnen haben unterschiedliche Betriebsziele und Konfigurationen, die zu unterschiedlichem Verhalten führen. Ein Beispiel hierfür ist eine Destillationskolonne, die von Clariant am Standort Frankfurt betrieben wird. Clariant beschränkt sich nicht darauf, die geltenden Richtlinien einzuhalten, sondern ist bestrebt, die Umweltauswirkungen der Geschäftstätigkeit so gering wie möglich zu halten. Das Unternehmen hat hierfür ein umfangreiches Energieeffizienzprogramm mit dem Namen eWatch entwickelt, das mithilfe von Analysen Einsparpotenziale beim Energieverbrauch identifiziert. Ergänzt wird dies durch Schulungsprogramme für Mitarbeiter, um das Bewusstsein für Energiesparmöglichkeiten zu schärfen.
Dampfverbrauch reduzieren
Im Rahmen des eWatch-Programms wollte Clariant die Energieeffizienz am Chemiestandort Frankfurt verbessern. Dort werden Azopigmente, hochspezialisierte Hochleistungspigmente und Polyolefinwachse hergestellt, die zu Auto- und Industrielacken, Farben und Kunststoffen weiterverarbeitet werden. Clariant hatte das Ziel, den Dampfverbrauch einer Destillationskolonne, die Wasser von Essigsäure trennt, zu reduzieren. Ein wesentliches Hindernis dabei war, dass einige der PID-Regler der Kolonne nicht im Automatikbetrieb arbeiten konnten. Dies bedeutete, dass sie von den Bedienern manuell gesteuert wurden, was nicht nur ein arbeitsintensiver und zeitaufwendiger Prozess war, sondern auch die Optimierung der Aktivitäten extrem erschwerte.
Clariant wandte sich schließlich an Emerson. Das Unternehmen ist ein bedeutender Lieferant von Messgeräten im Werk und hat Clariant bereits bei weiteren Projekten zur Energieeinsparung unterstützt. Der erste Ansatz zur Lösung des Problems war die Durchführung einer Studie zur Energieeinsparung, einschließlich der Analyse historischer Prozessdaten. Dies ergab, dass die Kolonne nicht optimal funktioniert hatte, was zu einem höheren Dampfverbrauch als notwendig, zu Produktverlusten durch zu hohen Säuregehalt im Kopfprodukt und zu höheren Wasseraufbereitungskosten aufgrund der Entfernung dieser Säurereste führte.
Untersuchung der PID-Regelkreise
Emerson bot seinen Advanced-Loop-Service an, bei dem ein Prozessoptimierungsteam das Layout aller PID-Regelkreise der Kolonne untersuchte, um zu überprüfen, ob sie ordnungsgemäß funktionieren und optimal gesteuert werden. PID-Regelkreise stellen einen hervorragenden Ansatzpunkt zur Anlagenoptimierung dar. In manchen Chemieanlagen können mehrere Hundert Regler aktiv sein, und es ist nicht ungewöhnlich, dass bis zu zwei Drittel davon aufgrund von Konstruktions- und Abstimmungsmängeln mit unterdurchschnittlicher Performance arbeiten. Dies ist eine häufige Ursache für Ineffizienz von Prozessen und stellt eine große Belastung für erfahrene Bediener dar, die ständig wichtige Aspekte des Prozesses manuell kontrollieren, Sollwerte lokal anpassen und auf Veränderungen reagieren müssen.
Bei Clariant wurden manuelle Sprungantworttests ausgeführt, um Probleme zu erkennen und die Prozessdynamik zu messen. Basierend auf diesen Ergebnissen wurde im Folgenden eine Loop-Tuning-Berechnungssequenz durchgeführt.
Darüber hinaus wurden alle Mess- und Regelventile überprüft, um festzustellen, ob sie richtig ausgelegt und funktionstüchtig sind. Destillationskolonnen verfügen über mehrere kritische Regelventile, z. B. ein Ventil zur Regelung der in die Kolonne einströmenden Feedmenge, ein Rücklaufventil zur Einstellung der Qualität des Kopfprodukts sowie Sumpfabzugs- und Kopfabzugsventile, die den Füllstand im Boden der Kolonne und im oben liegenden Behälter regulieren, Druckregelventile und ein Dampfventil, das die Wärmemenge steuert, die durch den Sumpfwärmetauscher in die Kolonne eingebracht wird. Die Dimensionierung und Leistung dieser Ventile ist von entscheidender Bedeutung, da Störungen sowohl die Produktreinheit als auch den Energieverbrauch beeinflussen können.
Schließlich wurde eine vollständige Bewertung aller installierten Messinstrumente durchgeführt, um sicherzustellen, dass die richtige Messmethodik verwendet wurde, jedes Gerät korrekt funktionierte und an der richtigen Stelle installiert wurde, und um festzustellen, wo zusätzliche Messungen zu einem besseren Verständnis des Prozesses beitragen würden, was zu einer größeren Prozessoptimierung führte.
Überarbeitete Regelungsstrategie
Nach Abschluss der Tests erstellte das Team von Emerson einen umfassenden Bericht mit Details darüber, welche Regelkreise, Ventile und Ausrüstungen suboptimal arbeiten und damit die Prozessleistung, die Prozessoptimierung und den Energieverbrauch der Destillationskolonne beeinflussen. In dem Bericht wurden verschiedene Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt, und es wurde eine vollständig überarbeitete Regelungsstrategie vorgelegt, die direkt zur Verringerung des Energieverbrauchs beigetragen hat. Clariant hat alle Empfehlungen umgesetzt, wobei Emerson die Abstimmung aller PID-Regler übernommen hat, sodass diese nun im Automatikbetrieb arbeiten können.
Von großer Bedeutung ist auch, dass durch die vorgenommenen Änderungen die Qualitätssollwerte mit einer Genauigkeit von ±0,5 % gegenüber zuvor ±2,5 % geregelt werden konnten. Durch eine bessere Kontrolle konnte der Energieverbrauch deutlich verbessert werden.
Schneller Return on Investment
Das Ziel des leistungsabhängigen Vertrages von Emerson war es, den Dampfverbrauch durch den Advanced-Loop-Service um 2 % zu reduzieren. Das tatsächliche Ergebnis war eine Einsparung von 6 %, was ein herausragender Erfolg war. Bisher wurden in der Destillationskolonne ca. 6,1 kWh/a verbraucht, was ca. 1 Mio. Euro pro Jahr an Energiekosten entspricht. Die erzielte Reduzierung des Dampfverbrauchs um 6 % beträgt absolut 5,7 kWh/a und hat damit eine Einsparung von 80 000 Euro pro Jahr zur Folge. Basierend auf der Zielvorgabe einer Reduktion des Dampfverbrauchs um 2 % hatte Clariant erwartet, dass es ungefähr ein Jahr dauern würde, bis ein Return on Investment (ROI) erreicht ist, aber die tatsächliche Einsparung von 6 % bedeutete, dass der ROI in weniger als vier Monaten erreicht wurde.
Die Optimierung an der Destillationskolonne brachte weitere bedeutende Vorteile mit sich: Durch eine bessere Kontrolle und einen optimierten Destillationsprozess konnte der Produktverlust in Form des Essigsäuregehalts im Wasser, das aus der Destillationskolonne entfernt wurde, reduziert werden. In der Folge wurden auch die Kosten für die Wasseraufbereitung zur Entfernung der Säure gesenkt.
Umstellung auf Automatikbetrieb
Nach Emersons Arbeit ist es nun möglich, alle Regelkreise der Destillationskolonne im Automatikbetrieb zu betreiben, anstatt sich wie bisher teilweise auf die manuelle Steuerung zu verlassen. Das bedeutet, dass Bediener, die früher den Dampfzufluss beobachten und kontrollieren mussten und alle 30 bis 60 min manuelle Einstellungen vornehmen mussten, sich jetzt auf andere Aufgaben konzentrieren können.
Clariant war mit der Energieeinsparung und Prozessoptimierung bei diesem zweimonatigen Projekt so zufrieden, dass sie nun die Leistung anderer Destillationskolonnen an den anderen Produktionsstandorten überprüfen will.
Emerson Automation Solutions, Langenfeld