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MTP ist in der Prozessindustrie angekommen

Automatisierung modularer Anlagen
MTP ist in der Prozessindustrie angekommen

Modulare Anlagen versprechen Effizienz und Flexibilität und werden daher vielfach als das Konzept der Zukunft gehandelt. Durch die modulare Produktion können sich Markteinführungszeiten verkürzen und Investitionsrisiken reduzieren. Für die Automatisierung solcher Anlagenkonzepte wurde der MTP-Standard entwickelt. Aber ist MTP bereits praxistauglich?

Merck und Siemens haben es vorgemacht. Bei dem internationalen Pharmahersteller ist eine modulare GMP-Produktionslinie mit dem Automatisierungsstandard MTP (Module Type Package) in Betrieb gegangen. Ein aktuelles Beispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit der beiden Unternehmen, die im September 2024 offiziell mit einer Absichtserklärung für die strategische Partnerschaft für Smartmanufacturing besiegelt wurde. Die Absichtserklärung macht Siemens zu einem bevorzugten globalen Zulieferer von Merck. Mithilfe hochmoderner Hard- und Software will das Unternehmen insbesondere die Modularisierung in der Produktion voranbringen.

Merck verfolgt eine ehrgeizige Agenda zur digitalen Transformation. Ein wichtiges Element dieser Transformation ist die modulare Produktion,nach dem Plug-and-Produce-Prinzip. Dieser Ansatz, der auf dem MTP-Standard basiert, ermöglicht es, einzelne Prozessmodule hinzuzufügen, zu entfernen oder neu zu konfigurieren. Merck setzt hier u. a. auf die Siemens-Xcelerator-Plattform mit modernen Software- und Hardwarelösungen für die digitale Transformation. Derzeit nutzt Merck diese neue Automatisierungstechnologie für die pharmazeutische und chemische Produktion.

Plug & Operate weltweit zugänglich

Die Zusammenarbeit der beiden internationalen Konzerne Siemens und Merck hilft auch, die MTP-Technologie global zu verbreiten. Hier kommt ein weiterer internationaler Player ins Spiel: PI (Profibus & Profinet International) arbeitet daran, den MTP-Standard in die Normung zu führen und am Markt zu verbreiten. Die MTP-Technologie wurde von Namur und ZVEI im Jahr 2023 in die Hände von PI gelegt, um die Technologie weltweit zu fördern. Zu diesem Zweck hat PI im vergangenen Jahr eine Reihe von Aktivitäten rund um Spezifikationen und Konformitätstests initiiert. Gleichzeitig haben die Aktivitäten zur internationalen Standardisierung von MTP für die zukünftige Veröffentlichung als IEC 63280-Norm bereits begonnen. „Mit MTP und der daraus resultierenden Modularisierung wird die Flexibilität von Produktionssystemen deutlich erhöht und nachträgliche Änderungen können viel schneller als bisher umgesetzt werden“, nennt Dr. Mathias Maurmaier, MTP-Commitee-Leiter der gemeinsamen Arbeitsgruppen von Namur, ZVEI und PI, den größten Vorteil. Aktuell wird am sogenannten Standard-Set 2.0 gearbeitet. Im Herbst sollen die Core Specifications für MTP in der Version 2.0 verabschiedet werden.

Dass MTP durchaus in der Praxis angekommen ist, wurde auch auf der diesjährigen Achema demonstriert. Am PI-Stand wurden die ersten Produkte auf Basis des Module Type Package vorgestellt. In einer großen, herstellerübergreifenden Live-Demo wurde die Integration von Process Equipment Assemblies (PEAs) in ein übergeordnetes Steuerungs- oder Scada-System des Process Orchestration Layers (POL) gezeigt. Mit dabei waren rund 20 Hersteller mit Lösungen und Produkten für die modulare Automatisierung.

Im Videotalk, den wir auf der Achema aufgezeichnet haben, berichten Dr. Mathias Maurmaier und Sebastian Härtner, Process Development – Principal Project Lead, Electronics, Integrated Supply Chain bei Merck, über MTP-Lösungen und den Stand der Umsetzung bei Merck. Den Videotalk finden Sie unter youtube.com/@prozesstechnikTV.

MTP und ISA 88

Bei der Internationalisierung des neuen MTP-Standards ergeben sich weitere Herausforderungen, denn in Branchen, die mit Batch-Verfahren arbeiten, wie die Chemie- und Pharmaindustrie, kommt seit 1995 die ISA 88, eine Norm für die chargenorientierte Fahrweise (Batch Control) zur Anwendung. Tausende von Batch-Anlagen folgen den Grundsätzen der ISA 88. Das physikalische Modell als Teil der ISA 88 ist ein hierarchisches Modell zur Beschreibung aller Elemente einer Batch-Anlage. Mithilfe dieses Modells wird erklärt, wie man die komplette Anlage kategorisieren kann. Ein weiterer Bestandteil ist das sogenannte Modell der Ablaufsteuerung (Control Activity). In der Ablaufsteuerung wird festgelegt, in welche Teilschritte der Produktionsprozess aufgeteilt wird.

MTP auf der anderen Seite ist ein Standard für die Kopplung von Automatisierungssystemen, Geräten und verfahrenstechnischen Diensten. Es spezifiziert, wie modularisierte Prozesseinheiten (PEA) von übergeordneten Systemen (POL) orchestriert werden. In der Praxis haben sich nun die beiden Standards überschnitten. Daher hat die Namur ein Positionspapier zur Anwendung des MTP-Standards in Kombination mit der Norm ISA 88 für die chargenorientierte Fahrweise veröffentlicht, sodass sich MTP und ISA 88 nicht im Wege stehen. Das Papier empfiehlt einen Ansatz für die Implementierung von MTP-PEAs mit einem Batch-System auf der Grundlage des ISA-88-Modells.

Lohnt sich die Investition?

Die MPT-Technologie ist also reif für die Implementierung. Aber lohnt sich grundsätzlich eine Investition in modulare Anlagentechnik? Die Dechema/VDI-Fachgruppen Cost Engineering und Modulare Anlagen haben das durchgerechnet und liefern im Papier „Cost Engineering for Modular Plants“ Definitionen, Bewertungskriterien und Beispiele für die wirtschaftliche und qualitative Bewertung unterschiedlicher Anlagenbaukonzepte. Laut Papier kann man prinzipiell drei Konzepte für den Aufbau einer Anlage unterscheiden:

  • konventionelle Stick-Built-Anlagen, die vor Ort gebaut werden
  • Anlagen aus vorgefertigten Modulen
  • flexible modulare Anlagen, bei denen einzelne Funktionsmodule nach Bedarf ausgetauscht und neu kombiniert werden können.

Das Papier bietet Hilfestellungen für die Bewertung und Auswahl des richtigen Konzepts. Basierend auf einer klaren Abgrenzung zwischen den drei Anlagentypen erörtern die Autoren sowohl die harten Kriterien wie Capex, Opex und Time-to-Market als auch qualitative Faktoren, die bei der Entscheidung eine Rolle spielen sollten. Das sind zum Beispiel lokale Gegebenheiten wie der Platzbedarf für die Baustelle oder Arbeitskosten, aber auch Aspekte wie Laufzeiten, Flexibilität der Anlage und deren spätere Weiternutzung.

mehr zu Modularisierung und MTP: https://prozesstechnik.industrie.de/mtp


Daniela Held

Redakteurin

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