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Wie können Industrie-4.0-Lösungsansätze bei der Lagerung und Handhabung von Gefahrstoffen integriert werden? Dieser Frage ist Denios gemeinsam mit mehreren wissenschaftlichen Partnern in einem Innovationsprojekt im Rahmen des Spitzenclusters it’s OWL nachgegangen. Zwei Prototypen zeigen, wie die Gefahrstofflagerung und -abfüllung der Zukunft ausgestattet sein könnte.
Ob Säuren, Laugen, Farben, Lacke, Schmieröle, Pflanzenschutzmittel oder Reinigungs- und Desinfektionsmittel, Gefahrstoffe begegnen uns im Alltag immer wieder und fast überall. In Unternehmen werden Gefahrstoffe in großen Mengen als Betriebsmittel, Rohstoffe oder werthaltige Produkte gehandhabt, gelagert und transportiert. Dabei unterliegen Lagerung und Handhabung inklusive Transport einer umfangreichen Gesetzgebung, die geeignete organisatorische Maßnahmen, Prozesse und technische Ausstattungen erforderlich machen. Denios liefert heute bereits Gefahrstofflager und Abfüllstationen, die die gesetzeskonforme und sichere Lagerung und Handhabung gewährleisten. Als Teil der Wertschöpfungskette sollen Gefahrstofflager und Abfüllstationen in produzierenden Unternehmen Gefahrstoffe zur richtigen Zeit, in benötigter Menge und Qualität sowie unter kontrollierten und sicheren Bedingungen lagern und bereitstellen.
Trotz all der beschriebenen passiven Schutzmechanismen können sich in der praktischen Anwendung Schadensereignisse einstellen, die derzeit nur unzureichend oder gar nicht detektiert werden können und somit nicht zu einem Auslösen von Gegenmaßnahmen führen. Kommt es zur Freisetzung von Gefahrstoffen, sind neben den unmittelbaren Gefährdungen von Mitarbeitern und der Umwelt oft auch kostenintensive Folgeschäden für die Produktion und Produktionsanlagen zu befürchten.
Für einen echten Innovationssprung war deshalb das Ziel des Projekts, ein intelligentes Gefahrstofflager zu entwickeln, das Gefahrensituationen erkennt und aktiv darauf reagiert. Die rein passive, intelligente Gefahrstofflagerung sollte zudem um eine Entnahmestelle für Gefahrstoffe erweitert werden, die ohne Zugriff auf den Lagerraum eine sichere, teil-automatisierte Entnahme von Gefahrstoffen unter Beachtung des Schutzes der Mitarbeiter ermöglicht.
Frühwarnsystem für Gefahrstofflager
Als Anwendungsfall für das intelligente Frühwarnsystem wurde die Lagerung von lösemittelhaltigen und korrosiven, flüssigen Gefahrstoffen in einem nicht begehbaren Brandschutz-Regallager von Denios definiert. Gemeinsam mit dem Institut für industrielle Informationstechnik der Hochschule OWL entwickelte Denios den Demonstrator des intelligenten Gefahrstofflagers mit permanenter Zustandsüberwachung (Condition-Monitoring), Frühwarnsystem für Gefahren, selbstständiger Einleitung von Gegenmaßnahmen zur Schadensbegrenzung und Schadensverhinderung sowie einer Mensch-Maschine-Schnittstelle zur Anzeige und Bedienung. Als Ergebnis einer FMEA zur Lagerung brennbarer und korrosiver, flüssiger Gefahrstoffe in einem Brandschutz-Regallager wurden Temperatur, Gaszusammensetzung bzw. Gasfreisetzung, Flüssigkeitspegel in der Auffangwanne, Brand/Rauch und die Leistungsaufnahme des Gefahrstofflagers als zu detektierende physikalische Parameter identifiziert.
Zur umfassenden besseren und frühzeitigen Erfassung der Bedingungen im Gefahrstofflager ist eine größere Anzahl von spezifischen Sensoren vorgesehen, darunter Temperatursensoren im Innenraum und im Außenbereich, Leckagesensoren in der Auffangwanne, Brand- und Rauchmelder im Innenraum, Rohrrauchsensoren in Zu- und Abluft, Gassensoren in der Abluft, Abluftüberwachung und Strommessbausteine zur Leistungserfassung.
Dabei kommen ausschließlich verfügbare, praxiserprobte, zugelassene und Ex-geschützte Sensoren zum Einsatz, die intelligent miteinander kombiniert werden. Die Sensoren werden so platziert, dass auch unterschieden werden kann, ob sich etwas im Innenraum ereignet oder ein Eintrag z. B. von Wärme, Rauch, explosionsfähiger Atmosphäre von außen stattfindet. Darüber hinaus kann durch die Platzierung der Sensoren im Innenraum der Entstehungsort von Gefahrensituationen lokal eingeschränkt werden. Alle Sensoren sind mit einer intelligenten Elektronik verbunden, die das Monitoring und die Auswertung der gemessenen Parameter übernimmt. Ein handelsüblicher Industrie-PC dient als Herz des neu entwickelten Frühwarnsystems. Hier werden mehrere Softwaremodule ausgeführt, die für die Datenerfassung und -speicherung, Datenauswertung und automatische Aktorsteuerung verantwortlich sind.
Erfassen des Betriebszustandes
Für die Auswertung wurde erstmalig in einem Gefahrstofflager die Analyse aller Sensordaten auf der Grundlage der sogenannten Sensorfusion implementiert. Dabei werden die Sensordaten so ausgewertet, dass in einem automatisierten Vorgang der Betriebszustand des Gefahrstofflagers berechnet wird. Um beispielsweise ein Feuer im Inneren des Gefahrstofflagers zu erkennen, werden die Signale unterschiedlicher Temperatur- und Gassensoren zusammengefasst. Ein sicherer Betriebszustand ist dann erreicht, wenn die aktuellen Betriebsparameter den konfigurierten Soll-Betriebsparametern entsprechen, die einen Normalzustand definieren. Durch einen permanenten Vergleich der Ist- mit den Soll-Bedingungen des Gefahrstofflagers können nun Situationen, die vom sicheren Betriebszustand abweichen, frühzeitig erkannt werden. Die intelligente Auswertung steuert in Abhängigkeit des Betriebszustandes automatisch mehrere Aktoren wie Brandschutzklappen, Belüftung, Türschließanlage, Feuerlöschanlage und optische sowie akustische Signalgeber, um rechtzeitig zielgerichtete Gegenmaßnahmen einzuleiten und Anwender zu informieren. Zusätzlich zu der automatischen Erkennung von Gefahrensituationen ermöglicht der entwickelte Algorithmus auch die Erkennung defekter Sensoren, um Fehlalarme zu vermeiden.
Ein weiteres Modul des intelligenten Frühwarnsystems ist eine Mensch-Maschine-Schnittstelle, die dem Anwender den Betriebszustand, Auswertungsdaten, einzelne Sensordaten im Zeitverlauf sowie Meldungen und Alarme übersichtlich anzeigt. Diese grafische Benutzeroberfläche kann im Leitstand oder per WLAN über einen Tablet-PC vor Ort genutzt werden und ermöglicht neben der Anzeige von Daten auch die manuelle Steuerung der Aktoren. Alarme werden zusätzlich per SMS automatisch an den Verantwortlichen weitergeleitet.
Teilautomatisierte Abfüllung
Gemeinsam mit dem Fraunhofer IPT (Projektgruppe Entwurfstechnik Mechatronik) wurde der Prototyp des teilautomatischen Gefahrstoffautomaten entwickelt und umgesetzt. Als Anwendungsfall nach Markterhebungen und Kundenbefragungen wurde definiert, dass in einem produktionsnahen Bereich lösemittelhaltige Reinigungschemikalien aus einem 200-l-Vorratsfass in geeignete Verkaufsgebinde von 1, 2, 5 und 10 l abgefüllt werden sollen. Die Abfüllung erfolgt teilautomatisch und spritzfrei, sodass der Bedienkomfort hoch, aber die mögliche Gefährdung der Anwender gering ist. Wenn die Abfüllung in Verkaufsgebinde stattfindet, erfolgt diese zudem mithilfe einer Waage mengenüberwacht und sogar geeicht. Die Abfüllung darf nur durch geschultes und autorisiertes Personal erfolgen. Als Basis für diesen zweiten Prototypen dient ein handelsüblicher lufttechnischer Arbeitstisch von Denios, der durch spezifizierte Funktionen erweitert wurde. Somit erfolgt mithilfe eines Barcodescanners im ersten Schritt die Identifizierung des Benutzers und damit gleichzeitig eine Berechtigungsüberprüfung. Im nächsten Schritt wählt der Benutzer den Gefahrstoff und die Menge aus, indem ein Barcode auf dem Abfüllbehälter gescannt wird. Danach wird der gewählte Abfüllbehälter auf der Waage im Abfüllbereich positioniert. Die Waage prüft das Leergewicht des Behälters und stellt damit sicher, dass der richtige Gefäß verwendet wird und leer ist. Zum Starten des Dosiervorgangs müssen aus Sicherheitsgründen zwei Totmannschalter gedrückt werden. Der pneumatisch höhenverstellbare Abfüllstutzen fährt in den genau positionierten Behälter und die Unterspiegelabfüllung wird gestartet. Zu jedem Gefahrstoff ist eine individuelle Förderkennlinie hinterlegt, die an die abzufüllenden Mengen und stoffspezifischen Eigenschaften angepasst werden kann. Die Förderung erfolgt über eine leistungsfähige Atex-Pneumatikfasspumpe, deren Förderleistung über ein elektropneumatisches Ventil geregelt wird. Nachdem das vorgewählte Volumen erreicht ist, wird die Pumpe abgeschaltet und der Abfüllstutzen fährt in die Ausgangsposition zurück. Der Behälter wird noch im Arbeitsbereich verschlossen und dann erst entnommen.
Fazit
Mit der Konzeption und dem Aufbau der beiden Demonstratoren konnte ein intelligentes Gefahrstofflager und eine intelligente Gefahrstoffentnahme und -dosierung aufgebaut werden. Durch praktische Testverfahren konnte die Funktionalität der eingebauten Technologien nachgewiesen und mögliche Zusatznutzen gegenüber herkömmlichen Systemen demonstriert werden. Dabei können intelligente Gefahrstofflagerung und -abfüllung separat, aber auch gekoppelt betrieben werden.
Der verstärkte Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie sowie die verstärkte Vernetzung der Gefahrstofflager mit verschiedenen anderen Systemen wie auch dem Internet bieten zweifelsohne für die Zukunft große Chancen. Die steigende Komplexität der Produkte ist dabei genauso zu bewältigen wie die Sicherheit der Daten vor Diebstahl oder Manipulation. Es wäre im Interesse aller, wenn sowohl Gesetzgeber als auch Versicherer den Einsatz intelligenter Gefahrstofflagersysteme in der Zukunft honorieren und finanziell attraktiv machen würden.
www.prozesstechnik-online.deSuchwort: cav0816denios
Udo Roth
Projektmanager,
Denios
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