Die Organica Feinchemie GmbH, Wolfen, stieß 1999 an ihre Wachstumsgrenzen, weil isolierte DV-Systeme in den verschiedenen Abteilungen eine durchgehende und schnelle Abwicklung der Kundenaufträge bremste. Mit einer durchgängigen Branchenlösung konnte sich Organica nicht nur das auf das Jahr 2000 und den Euro einstellen, sie machte auch den Weg für weiteres Wachstum frei.
Birgit Osterholt
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Die Herstellung von Feinchemikalien ist komplex. Mit insgesamt 65 m³ Reaktorvolumen erstellt Organica aus über 300 aktiven Rezepturen auf 20 Produktionslinien seine Artikel (Abb. 1). Die Herstellung von Farbkupplern beispielsweise erfordert bis zu 15 aufeinander abgestimmte Prozessstufen. Für die Herstellung pharmazeutischer Zwischenprodukte unterliegt Organica den EU- und US-Richtlinien für Good Manufacturing Practice (GMP). Diese erfordern eine durchgängige Chargenführung, die das Unternehmen bisher mit Papier, Aktenordnern und Excel-Tabellen erledigte. Um unter diesen Bedingungen nicht nur gute Qualität zu liefern, sondern auch effizient produzieren zu können, müssen solche Prozesse gut geplant und aufeinander eingestellt werden. Die Roh- und Einsatzstoffe, die Zwischen- und Endprodukte sind auf jeder Stufe jeder Produktionslinie mit ihren Spezifikationen, Prüfwerten und den Chargeninformationen zu verwalten (Abb. 2). Das ist ohne ein durchgängiges IT-System nur schwer möglich.
IT für die Rezeptur
Bei Organica waren bis zur Jahrtausendwende in den verschiedenen Unternehmensbereichen unterschiedliche EDV-Systeme im Einsatz, die als Insellösungen isoliert voneinander arbeiteten. Doch der Aufwand zur Verbindung der einzelnen Systeme wuchs mit der Zeit. Als das neue Jahrtausend näher rückte und sich herausstellte, dass einige Systeme diesem Datumswechsel nicht gewachsen waren, ersetzte das Unternehmen die alten Systeme durch die durchgängige Branchenlösung SQLblending. Die Branchenlösung ist speziell für mittelständische Unternehmen der Prozessindustrie konzipiert und auf Basis moderner Technologie – Microsoft Windows NT/2000 – entwickelt. Sie umfasst integrierte Komponenten für die chargenorientierte Materialwirtschaft, die rezepturbasierte Produktion und das Rechnungswesen sowie Erweiterungen für Gefahrstoffmanagement, Instandhaltung, Reporting und Analyse.
Schnelle Einführung
Im September 1999 unterzeichneten beide Unternehmen den Vertrag und setzten sich das Ziel, mit dem IT-System am ersten Arbeitstag des neuen Jahrtausends den Betrieb aufzunehmen. Dazu mussten Anwender und Anbieter eng zusammenarbeiten und bei der Einführung der Komponenten für Einkauf, Lagermanagement, Verkauf, Anlagen- und Finanzbuchhaltung pragmatisch vorgehen. Die Module für Produktionsplanung und -steuerung sollten zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt werden. Ein Großteil der Funktionen von SQLblending konnten einfach übernommen werden. Dort, wo das System angepasst werden musste – zum Beispiel für die Chargenführung, den Export und das Reporting – wurden parallele Teilprojekte aufgesetzt und Pflichtenhefte erstellt. Um die Chargenverfolgung nicht nur als GMP-Pflichtübung zu absolvieren, sondern produktiv für das eigene Qualitätsmanagement zu nutzen, wurde die Möglichkeit geschaffen, Spezifikationen für die technischen Eigenschaften von Chargen zu hinterlegen. So lässt sich nun bei jeder Chargenentnahme feststellen, ob das Produkt in allen relevanten Merkmalen den Kundenanforderungen entspricht.
Gefahrgutverwaltung aufgesetzt
Beim Export, der 60% des Geschäftes von Organica ausmacht, werden für jedes Land unterschiedlichste Dokumente benötigt, besonders dann, wenn Gefahrstoffe im Spiel sind. So wurde SQLblending um die Gefahrgutverwaltung erweitert. Außerdem stellt das System nun den beauftragten Speditionen alle für den Export relevanten Daten – zum Beispiel für die Erstellung der Zollpapiere – zur Verfügung. Mit Cognos Impromptu, einem mit SQLblending integrierten Werkzeug für Reporting und Analyse, wurden außerdem ohne großen Aufwand individuelle Berichtsformulare erstellt.
Noch vor Weihnachten 1999 wurden dann die alten Systeme ausgeschaltet. Und zu Jahresbeginn konnte mit den fünf neuen Softwarekomponenten gearbeitet werden. Natürlich lief unter diesen Umständen noch nicht alles reibungslos, aber das Tagesgeschäft ging weiter. Da sich zum Beispiel die Stammdaten nicht automatisch ins neue System übernehmen ließen, wurden sie erst nach der Live-Schaltung im Januar 2000 neu erfasst – und zwar in der Reihenfolge, in der sie benötigt wurden. Heute läuft SQLblending mit den Modulen für Einkauf, Lagermanagement, Verkauf, Gefahrstoffmanagement, Anlagen- und Finanzbuchhaltung in einer Client-Server-Architektur unter Windows NT im Zusammenspiel mit einer Oracle-Datenbank. Von 20 Rechnern aus können Mitarbeiter aus allen Bereichen die Anwendung nutzen.
Durchgängige IT-Unterstützung
Mit der Einführung von SQLblending hat Organica sich nicht nur innerhalb von drei Monaten Jahr-2000- und Euro-fähig gemacht. Das Chemieunternehmen kann heute seine Prozesse wesentlich effizienter abwickeln – und das obwohl das PPS-Modul noch nicht im Einsatz ist. Das Unternehmen kann nicht nur schneller auf Kundenaufträge reagieren, sondern auch wesentlich mehr Aufträge abwickeln. Ein Umsatzplus von 40% im ersten Quartal 2000 zeigt das deutlich. Die Einführung der PPS-Komponente von SQLblending und eines Labor-Informations-Management-Systems (Lims) sind ebenfalls geplant.
E cav 205
Feinchemikalien Wettbewerbsfähige Produktion in Wolfen
Wo 1910 die Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation – Agfa – ihre Produktion begann und seit 1964 unter dem Namen Orwo Filmgeschichte geschrieben wurde, stellt heute Organica hochwertige Fotochemikalien her. Die Veränderungen im Osten Deutschlands nach 1990 bedeuteten für einen großen Teil der traditionsreichen Orwo-Filmfabrik in Wolfen das Ende. Der Bereich der organischen Feinsynthese allerdings wurde als wettbewerbsfähig eingeschätzt und 1995 als Organica Feinchemie GmbH Wolfen ausgegründet. Das Unternehmen mit der wechselvollen Geschichte ist heute ein Spezialanbieter, der sich ganz auf die aufwendige und zum Teil langwierige Produktion hoch veredelter Feinchemikalien konzentriert hat. Mit seinen 60 Mitarbeitern agiert das Unternehmen sehr flexibel am Markt und konnte seinen Jahresumsatz bisher kontinuierlich steigern. Auch heute noch macht die Herstellung von Produkten für die Fotochemie – Stabilisatoren, Antischleiermittel und Härtungsmittel – die Hälfte des Umsatzes aus. Filmhersteller wie Agfa-Gevaert, Ilford, Fuji-Hunt und Polaroid lassen vor allem ihre Produktionsstätten in Westeuropa und USA mit Fotochemikalien von Organica beliefern.
Farbstoffe aus dem Wolfener Betrieb werden außerdem in der Optoelektronik oder in der Elektronik für gedruckte Schaltungen genutzt. In der pharmazeutischen Industrie setzt man bei der Produktion hochwertiger Diagnosefarbstoffe für Intensiv-patienten auf Organica.
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