Im Jahre 1987 einigte sich die Internationale Standardisierungsorganisation (ISO) auf eine einheitliche Norm zur Beschreibung von Qualitätsmanagementsystemen. Die DIN EN ISO 9000ff. gab der Qualitätsbewegung eine neue Qualität. Nun lag es nicht mehr im Ermessen des Managements, das Thema Qualität auf die Tagesordnung zu setzen, sondern der Qualitätsnachweis wurde zur Eintrittskarte für die Teilnahme am Marktgeschehen. Dieses Normenwerk wurde in Form und Inhalt grundlegend reformiert und Ende des Jahres 2000 von der ISO für verbindlich erklärt.
Prof. Dr. Walter Simon
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Die reformierte DIN EN ISO 9000ff. unterscheidet sich von der alten Norm durch den erweiterten Inhalt bei einer gleichzeitig schlankeren Form. Einzelne Forderungen wurden präzisiert, andere ergänzt (Tabelle). Die für die Zertifizierung geltenden Nachweisnormen 9001, 9002 und 9003 gehen dabei in der neuen 9001:2000 auf. Diese wird zukünftig die einzige Nachweisnorm sein. Ihr Aufbau deckt jetzt sich mit der Norm 9004, so dass sie als Arbeitsmittel für die 9001:2000 nutzbar ist. Zugleich wurde diese für die Zertifizierung wesentliche Kernnorm von 20 auf die folgenden vier Hauptpunkte abgespeckt:
• Verantwortung der Leitung
• Management der Mittel
• Produkte und Dienstleistungen realisieren
• Messung, Analyse und Verbesserung
Gründe für die Reform
Diese Reform war überfällig, da die alte Fassung den Erfordernissen der modernen Weltwirtschaft nicht mehr entsprach. Sie war (groß)industriell geprägt und bediente sich einer fertigungstechnischen Diktion. Das erschwerte den Transfer auf nichtindustrielle Unternehmen. Viele Autoren kritisierten die mit diesem Normenwerk verbundene Retaylorisierung betrieblicher Abläufe. Der Umfang von über 1000 Seiten verteilt auf 25 Einzelnormen und -bestimmungen sorgte für größtmögliche Unübersichtlichkeit. Aus Unwissenheit und Angst vor dem Auditor wurde zuviel festgelegt und detailliert beschrieben. Die meisten Unternehmen fixierten sich starr auf die 20 Punkte der Norm 9001 und entwickelten so ihr Qualitätsmanagement an den Besonderheiten des Unternehmens vorbei. Diese Normenfixierung wurde leider von vielen Zertifizierungsunternehmen forciert, da dieses den Auditoren die Arbeit erleichterte. Die 20 Punkte waren schnell geprüft, ohne sich in andere Aspekte des Unternehmensgeschehens hineindenken zu müssen. Oft entwickelte sich die Zertifizierung zum organisatorischen Selbstzweck.
Der Normentext wimmelte von Platitüden und Leerformeln, garniert mit schwer verdaulichen Formulierungen. Mangelnde Prozessorientierung gesellte sich zur fehlenden Kundenorientierung. Außerdem erwies sich die alte Norm als schlecht kompatibel zu anderen Managementsystemen, beispielsweise für Arbeitssicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz oder Risikomanagement.
Die vier Hauptkapitelder neuen Norm
Die Gestalt dieser Zertifizierungsnorm hat sich im Vergleich zur alten gewandelt. Sie besteht aus acht Kapiteln, von denen die ersten vier einleitenden und erklärenden Charakter haben (Einleitung, Qualitätspolitik, Organisation und Verantwortungen sowie Prozesse des Qualitätsmanagements). Für das Qualitätsmanagement-System sind die folgenden vier Kapitel wichtig.
Verantwortung der Leitung
Die Leitung wird wesentlich stärker in die Verantwortung für das Qualitätsmanagement genommen. Diese muss zukünftig dafür sorgen, dass die Kundenanforderungen umfassend verstanden und vollständig umgesetzt werden. Schon in der alten Norm bestand die Pflicht der Formulierung einer Q-Politik. Die neue Norm geht weiter und fordert, dass sie die Verpflichtung zur ständigen Verbesserung enthält. Zu diesem Zweck sind Ziele als Bindeglied zwischen der Q-Politik und ihrer Verwirklichung zu formulieren. Das impliziert die Überprüfung der Zielerreichung bzw. der Wirksamkeit des QM-Systems. Hierfür ist zukünftig allein das oberste Management zuständig.
Die neue Norm empfiehlt die Festlegung von Verantwortlichkeiten, betont aber auch die Notwendigkeit von Befugnissen für die Mitarbeiter bzw. die Definition von Handlungsfreiräumen. Je nach Betriebsgröße genügt nicht mehr nur ein QM-Beauftragter.
Das oberste Management ist zukünftig dafür verantwortlich, dass die umfassende QM-Information aller Mitarbeiter sichergestellt ist. Auch die Verantwortung für den Dokumentenfluss und Qualitätsaufzeichnungen wurde der Chefetage zugewiesen.
Management der Mittel
Während das Management der Mittel in der alten Nachweisstufe nur Gegenstand eines Unterpunktes war, wurde es nun in den Rang eines Hauptkapitels gehoben. Zu den Ressourcen gehören auch die Arbeitsmittel, -umgebung und der Arbeitsort. Die DIN EN ISO 9001:2000 erklärt sie zu einem Teil des QM. Auch hier wird nochmals das Thema Information gewichtet, um einen reibungslosen Arbeitsablauf zu gewährleisten.
Das Thema Schulung wurde stark aufgewertet. Es geht nicht mehr nur um den Schulungsbedarf für das Thema Qualität, sondern dieses wird mit Fragen der Mitarbeiterführung und Unternehmenskultur verknüpft. Zugleich empfiehlt die Norm, Weiterbildungsmaßnahmen zu evaluieren.
Sehr weit geht die Forderung, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem die Entwicklung des Qualitätsbewusstseins aller Mitarbeiter gewährleistet ist.
Produkte und Dienstleistungen realisieren
In der alten 9001-Norm fehlte der Hinweis auf die Wichtigkeit der Analyse von Betriebsabläufen. Die DIN EN ISO 9001:2000 sieht in der Prozessgestaltung das Kernstück des QM-Systems. Sie fragt nicht nach den Funktionen einzelner Abteilungen, sondern nach dem Funktionieren des Gesamtprozesses. Das wird auch am Aufbau der Norm deutlich, mit der eine ganzheitliche Sichtweise gefördert wird.
In dieses Kapitel gehen einige der Hauptabschnitte der alten Norm ein: Designentwicklung, Beschaffung, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit, Umgang mit Kundeneigentum, Handhabung, Lagerung, Verpackung und Versand, Prozessgestaltung und Prüfmittelüberwachung.
Weit über die alte Norm hinausgehend fordert die 9001:2000 einen Prozess zur Ermittlung der Kundenforderungen. Sind diese ermittelt, dann muss die eigene Fähigkeit zur Erfüllung der Kundenanforderungen überprüft werden. Eine weitere Neuerung besteht darin, dass die aktive Kommunikation mit den Kunden zu allen Aspekten der Auftragsabwicklung gefordert wird. Die Kundenzufriedenheit ist das Finalziel der Norm.
Messung, Analyse, Verbesserung
Um diese Anforderungen an ein modernes QM mit Leben zu erfüllen, werden zu den genannten Punkten Ziele in Verbindung mit einer Leistungsmessung gefordert. Das Thema kontinuierliche Verbesserung hat seit der Normenreform ein größeres Gewicht. Obwohl die Anforderungen aus der alten Norm hier einfließen – Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen, Statistische Methoden, Interne Qualitätsaudits, Umgang mit Fehlern -, werden neue Forderungen gestellt. So müssen Unternehmen zukünftig einen Prozess für die Messung, Überwachung, Analyse und Verbesserung ihrer Ablaufprozesse und der Produktqualität kreieren. Auch die Leistungsfähigkeit des QM-Systems ist mit geeigneten Verfahren, die beschrieben werden müssen, zu überprüfen und zu entwickeln. Das gilt auch für die Kundenzufriedenheit, die zu ermitteln ist.
Was ist für zertifizierte Unternehmen zu beachten?
Die Trägergemeinschaft für Akkreditierung GmbH und der Verband DIN EN ISO 9000ff. für Akkreditierung e.V. haben sich bereits jetzt darauf festgelegt, dass es eine zweijährige Übergangsfrist von der alten zur neuen Norm geben wird. Etwa bis Ende des Jahres 2002 können sich Unternehmen immer noch nach den alten Normen 9001, 9002 und 9003 zertifizieren lassen. Auch die in ihrem Geltungsbereich eingeschränkten Zertifikate auf der Basis von 9002 oder 9003 können weiter eingesetzt werden. Unternehmen, die erst jetzt mit der Entwicklung eines QM-Systems beginnen, sollten jedoch die neue Norm als Arbeitsgrundlage nehmen.
Da die 9001:2000 viele Forderungen aus der alten Norm übernimmt, hält sich der Überarbeitungsaufwand in Grenzen. Die gemachten Aussagen bzw. Beschreibungen des QM-Handbuches werden den neuen Kapiteln entsprechend zugeordnet, vorausgesetzt, man orientiert sich an dem Gliederungsvorschlag der ISO. Natürlich sind die neu hinzugekommenen Punkte neu zu durchdenken, zu beschreiben und zu praktizieren. Aufgrund schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit gibt es für die neue 9001 keinerlei Formvorschriften. Jedes Unternehmen sollte einen Aufbau wählen und die Inhalte so beschreiben, dass sie den organisatorischen Gegebenheiten des Unternehmens entsprechen. Die Auditoren haben kein Deutungsmonopol der neuen Norm. Es ist nicht das Ziel der neuen Norm, QM-Systeme zu vereinheitlichen. Darum wird zukünftig kein gesondertes QM-Handbuch gefordert. Ein Organisationshandbuch in Verbindung mit einem Unternehmens-Leitbild kann auch als Zertifizierungsgrundlage dienen. Auch fordert die neue Norm ausdrücklich die Offenheit des QM-Systems für periphere Qualitätsbereiche, so z.B. den Arbeits- und Gesundheitsschutz und das Umweltmanagement. Damit entspricht man der schon länger diskutierten Idee der Integration der verschiedenen Managementsysteme innerhalb eines Grundmanagementsystems.
Man muss wohl damit rechnen, dass sich der Auditierungsaufwand auf der Basis der neuen Norm erhöht. Die Anforderungen an die Auditoren steigen, denn diese müssen sich zukünftig viel stärker in ein Unternehmen hineindenken, um die QM-Beschreibungen zu verstehen. Es ist nicht mehr so ohne weiteres möglich, eine Auditierung anhand normenorientierter Checklisten durchzuführen. Als Folge hiervon wird die Wertigkeit der Zertifikate steigen, obwohl sie letztendlich den Charakter von Eintrittkarten für den Markt behalten.
Der Unterschied zwischen der alten und der neuen Norm lässt sich mit dem vielfältig verwendeten Eisbergmodell veranschaulichen. Die alte Norm behandelte vorwiegend den sichtbaren, aus dem Wasser herausragenden Bereich, während die neue auch nach den nicht sichtbaren Faktoren fragt. Es scheint, als hätten die Normarchitekten der Technischen Kommission der ISO mit zwanzigjähriger Verspätung endlich das 7-S-Modell von McKinsey und damit die Bedeutung der soft facts zur Kenntnis genommen.
E cav 203
www.ipw-drsimon.com
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