Bei der Tablettenproduktion in der pharmazeutischen Industrie, dem Haupteinsatzgebiet von Hochleistungsrundläufer-Tablettierpressen, sind die Maße wegen der meist oralen Applikation klar begrenzt. Der stark zunehmende Einsatz dieser Pressen in anderen Industrien ist in weiten Bereichen durch größere Produktdimensionen bestimmt. Klassische Beispiele für die chemische Industrie sind Wasch- und Geschirrspültabs, Katalysatoren oder die vielen Ringkernarten für die Akkumulator- und Batterieproduktion.
Dipl.-Ing Lars Plüschau
Pressen auf Hochleistungsrundläufern ist eine sehr produktive Herstellungstechnik. Dass sich die Pressen im Laufe ihrer Entwicklung, die mit dem heutigen Massenproduktionsverständnis erst in den 70er- Jahren begann, bis heute zu wahren elektronischen Hightech-Maschinen entwickelt haben, ist nur die eine Seite. Die andere ist die, dass nach wie vor ganz klassisch mechanisch gepresst wird. Ein Unter- und ein Oberstempel verdichten in einer Matrizenbohrung das Vorprodukt, Pulver oder Granulat durch Zusammenpressen so, dass ein Festkörper entsteht. Soweit das physikalische Prinzip. Im Detail ist das etwas komplizierter. Diese Technik setzt voraus, dass die Pressfläche der Stempel der maximalen Produktgröße entspricht. Diese liegt nach heutigen, weltweit gängigen Anwendungen zwischen 1 und 55 mm Durchmesser. Mit der in 2006 auf den Weg gebrachten, aber schon lange vorher europa- und weltweit praktizierten Normung nach DIN 18084 wurden die Schaftdurchmesser festgelegt, womit in der Regel auch die maximale Produktgröße definiert ist. Die Reihe von dünn nach dick ist heute EU 19 (IPT/TSM 19), EU 1“ (IPT/TSM 1“), EU 1“-441, mit der eine größere Stempelkopfform definiert wurde, EU 28, EU 32, EU 35 und EU 45, wobei die Zahl jeweils den Schaftdurchmesser des Stempels in Millimeter angibt.
Im Folgenden soll nur von den großen Stempeln die Rede sein, die vom Pressenhersteller Fette speziell auf einer, in mehreren Typen variierten Presse 3090i H eingesetzt werden.
Die Presse ist ein Hochleistungs-Doppelrundläufer, die mit zwei Pressstationen ausgestattet ist. Es können zweischichtige Produkte oder aber einschichtige Produkte bei doppelter Ausbringung gepresst werden. Der Teilkreisdurchmesser des Pressenrotors ist >ø 800 mm, was einem Umfang >2500 mm entspricht. Das ist die maximale Strecke, auf welche die Stempelschaftdurchmesser, abzüglich des für die nötige Festigkeit der Rotorscheiben notwendigen Materials, verteilt werden können. Das Prinzip heißt also Stempelzahl gegen Teilkreis. Auf dem Rotor der 3090i H können bei Ausstattung mit herkömmlichen separaten Matrizen auf der Matrizenscheibe mehr als 50 EU 32-, deutlich über 40 EU 35- bzw. über 30 EU 45-Stempel eingesetzt werden. Auf den von Fette entwickelten und patentierten Matrizenscheibensegmenten, mit denen die Teilezahl der Matrizenscheibe um bis zu 80 % verringert wird, sind dann nochmals Steigerungen in den Stationszahlen realisiert. Die Anzahl der Stempel ist immer ungerade, damit nicht zwei Stempelpaare gleichzeitig über die Pressstationen laufen und so höherer Gesamtdruck in der Presse oder sich aufschaukelnde Vibrationen entstehen können.
Größe an sich ist nicht alles
Die Größe der Werkzeuge korrespondiert mit der Größe der Produkte. Andere Kriterien wie etwa härtere Rohmaterialien oder extrem hohe Drücke gibt es dafür nicht. Das Druckspektrum reicht von ca. 70 kN bis ca. 120 kN. Kleinere Produkte werden auch auf anderen Pressentypen mit kleineren Standardwerkzeugen gefahren. Durch die größeren Dimensionen weisen die Werkzeuge auch ein größeres Materialvolumen auf. Deshalb unterscheidet sich die Konstruktion der Stempel EU 32, EU 35 und EU 45 grundlegend von der kleinerer Stempel. Die sind in der Regel aus einem Stück gefertigt. Für die großen Werkzeuge gilt: fast immer aus mehreren Teilen, in seltenen Fällen (EU 32, EU 35) auch aus einem Stück. Bei den zweiteiligen wird ein Halter, der Schaft, mit einem Einsatz versehen. Gründe sind neben der einfacheren Fertigung besonders auch mögliche Wechsel bei den Einsätzen und damit schnelle Nachrüstung bei Werkzeugbeschädigung und Kostenreduzierungen. Die Konstruktion der Einsätze kann sehr verschieden sein, ist aber regelmäßig zentrisch und symmetrisch ausgelegt. Darüber hinaus oft so, dass die Einsätze nur in einer Position in den Haltern mit einem Stift befestigt werden können. Die Stempel werden oft hohl ausgelegt, um Material und Masse zu sparen und so die Zentrifugalkräfte geringer zu halten. Die zweiteilige Konstruktion lässt auch eine Besonderheit zu: Es können Produkte gepresst werden, deren maximales Maß größer ist als der Schaftdurchmesser, in einem konkreten Fall sogar >50 mm. Dazu müssen die Werkzeuge aber in der Presse montiert werden.
Besondere Produkte erfordern besondere Stempel
Zwei klassische Produkte sind heute Wasch- und Spülmitteltabs in unterschiedlichsten Ausführungen, rund und eckig, ein-, zwei- und dreischichtig oder ein- bis zweischichtig mit Kern. Diese Produkte werden auf dem Pressentyp 3090i H gepresst. Es handelt sich dabei um eine speziell gebaute Presse, die wegen der hohen Klebrigkeit der Grundstoffe, über einige zusätzliche Einrichtungen verfügt. Die spezielle Ausstattung gilt auch für die Werkzeuge. Diese sind mit echten Besonderheiten versehen, wobei die Härte über die gesamte Pressfläche aber gleichmäßig ist, also nicht etwa an den Kanten größer. Die Drücke liegen zwischen ca. 70 kN für sich relativ schnell auflösende Waschtabs und ca. 120 kN für Spültabs, bei denen die Auflösezeit länger sein soll. Eine Möglichkeit, dem Verkleben der Stempelflächen vorzubeugen, ist z. B. der Einsatz von Vulkolan in den Pressflächen. Vulkolan wird als Einlage verwendet und weist trotz seiner großen Härte von ca. 90 Shore elastische Grundeigenschaften auf. Eine zweite, aufwendigere, aber im langfristigen Einsatz rentable und sichere Methode ist der Einsatz von Drehstempeln. Dieses von Fette patentierte Prinzip besteht aus mehrteiligen Stempeln, die mit einer Mechanik ausgestattet sind, die im Moment der Druckentlastung eine geringe, definierte Drehbewegung bewirkt, wodurch sich die Pressfläche glatt vom Produkt löst. Hierfür wird seit kurzem auch die Presse 4090i, ein Dreifachrundläufer, auf der dreischichtige Produkte hergestellt werden können, eingesetzt.
Die zweite große Gruppe sind Batterie- und Akkumulatorkerne aller Art und Dimensionen. Die Größen reichen von Babyzellen bis hin zu gewichtigen Großringen. Entscheidend ist hier für die Produktion, dass generell ein Kernloch vorhanden ist. Die Herstellung erfolgt auf speziell hochgebauten Pressen des Typs 3090i H2, da die Werkzeuge sehr lang sind und die Pressen eine klare Trennung zwischen Produktions- und Antriebsraum benötigen. Grund dafür sind die hochgradig abrasiven Granulate, aus denen die Batteriekerne gefertigt werden. Ein Stempel für eine solche Presse kann aus bis zu 9 Teilen bestehen. Er dichtet hermetisch gegen Staub ab und wird nach dem Pressvorgang von innen ausgeblasen, um den Verschleiß zu minimieren. Für die Pressflächen werden verschleißfestere Stahlqualitäten und spezielle Legierungen verwendet, die besonders widerstandsfähig sind. Die Pressflächen selbst weisen, wie auch bei allen anderen Anwendungen, eine sehr glatte Oberfläche mit geringsten Rautiefen auf und sind mikroprozessorgesteuert gehärtet.
Pressen von Katalysatorträgern
Die dritte große Produktgruppe stellen Katalysatoren dar, die speziell in der chemischen und in großem Umfang auch in der petrochemischen Industrie eingesetzt werden. Die extrem hohen Stückzahlen, die auch hier in den Produktionsanlagen benötigt werden, prädestinieren die Hochleistungs-Rundläuferpressen für die Produktion. Da es bei den Katalysatoren um eine möglichst große Oberfläche geht, weisen die gepressten Katalysatorenträger oftmals eine Vielzahl von Bohrungen auf. Entsprechend kompliziert sind die Werkzeuge gestaltet. Sie beinhalten eine Mechanik, mit der die Stifte separat verfahren werden. Größtes Problem ist hier die Entformung des Presslings nach dem Pressvorgang, da der Druck eben nicht nur vertikal auf den Pressflächen von Ober- und Unterstempel lastet. Auch seitlich auf die Matrizenwandung und gegen sämtliche Stifte, die den Platz für die Bohrungen halten, ist der Druck gerichtet. Hier macht sich dann auch besonders die schleifende Wirkung der Pressmassen bemerkbar. Für aggressive Pressmassen, die in diesen Industrien häufig vorkommen, werden auch hier besonders widerstandsfähige Stähle eingesetzt. Darüber hinaus werden besondere Pressflächenbeschichtungen im PVD-Verfahren (physikalische Gasphasenabscheidung) aufgedampft.
Verpressen auf Hochleistungs-Rundläuferpressen als Produktionstechnik ist sehr präzise. Die Produkte weisen eine sehr hohe Identität in ihren Maßen und ihrer Dichte auf. Das wird auch durch die hohe Maßgenauigkeit, insbesondere auch die Länge, der Werkzeuge erreicht. Nur wenige Tausendstel mm (µm) Differenz über einen gesamten Stempelsatz von bis zu 122 Stück sind dafür Voraussetzung. Diese Präzision gilt auch für die Großwerkzeuge. Die große Varianz der Werkzeuge in Verbindung mit der Typenvielfalt der Pressen und deren Eigenschaften ergibt ein breites Spektrum an Möglichkeiten für die Anwendung. In allen Industrien, in denen rieselfähige Pulver und Granulate zu axialsymmetrischen Produkten in den genannten Dimensionen verarbeitet werden, sollte man das Pressen als Produktionstechnik mit in Betracht ziehen. Betriebswirtschaftlich ist dies allemal eine Rechnung wert und auch die Technik der Werkzeuge und Pressen hält noch viel Potenzial bereit.
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