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Membranbioreaktoren zur Abwasserreinigung in der biopharmazeutischen Industrie
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Die Abwasseraufbereitung mit Membranbioreaktoren ist eine sichere und platzsparende Alternative zu konventioneller Technik. In einem Pilotversuch bei Roche Diagnostic zeigte sich, dass das rückspülbare Flachmembransystem selbst in unterschiedlichen Havariefällen konstant gute Ergebnisse lieferte. Das Modul wurde mit 16 bis 25 l/(m²h) betrieben, wobei während des fünfmonatigen Versuchszeitraumes keine chemische Reinigung durchgeführt wurde.

Dr. Jens Lipnizki, Dr. Stefan Krause, Walter Lamparter

Membranbioreaktoren (MBR) kombinieren klassische biologische Abwasserreinigung mit Membrantechnik. In der Industrieabwasserreinigung werden sie seit mehreren Jahren eingesetzt und finden hier eine schnellere Verbreitung als in der kommunalen Anwendung. Nach DWA [2007] sind mehr als 130 Anlagen aus 16 Branchen realisiert. Sie sind unter anderem in der chemischen, pharmazeutischen, der Textil- und Papierindustrie oder bei der Deponiesickerwasserbehandlung im Einsatz. Nach Lesjean und Huisjes [2008] existieren mehr als 300 industrielle Referenzen in Europa.
Die wichtigsten Vorteile gegenüber der konventionellen Aufbereitung sind der geringere Platzbedarf durch die Möglichkeit einer Erhöhung der Biomassekonzentration und die deutlich gesteigerte Ablaufqualität des behandelten Abwassers. Dies ist insbesondere für Industrieparks mit einem begrenzten Platzangebot und komplexem Abwasser von Vorteil. Gründe für den raschen Einzug dieser Technologie sind oftmals auch wirtschaftlicher Art, da die Kosten für die Abwasserbehandlung und die Bezugskosten für Trinkwasser gestiegen sind und Wassereinsparungs- bzw. Wasserrückgewinnungsgedanken in den Vordergrund treten. Mit MBR lässt sich ein Wasserrecycling im Prozess leichter realisieren, da das abfließende Wasser feststofffrei ist und sich für weitere Aufbereitungsschritte wie Desinfektion, Nanofiltration oder Umkehrosmose sehr gut verwenden lässt.
Ein MBR besteht prinzipiell aus drei Stufen:
  • Mechanische Vorbehandlung mit Rechen, Sieb und Sand/Fettfang zur Entfernung von Haaren oder groben Partikeln, Sand und Fett
  • Biologische Behandlung zum Abbau der organischen Substanzen, Stickstoffverbindungen und Phosphaten
  • Abtrennung der Biomasse vom Wasser durch Membrantechnologie
Die Membranmodule werden i. d. R. direkt in den belebten Schlamm eingetaucht. Das gereinigte Wasser wird mittels Vakuum durch die Membran hindurch abgezogen, der belebte Schlamm wird durch eine Luftbegasung (Crossflow) rezirkuliert, sodass die Biomasse-Konzentration am Membranmodul konstant bleibt. Bei der Installation der Membranmodule hat man zwei Möglichkeiten. Man kann sie in einem Filterbecken, das mit dem Belebungsbecken verbunden ist, installieren oder direkt im Belebungsbecken. In beiden Fällen wird durch eine Belüftung unterhalb der Module eine Überströmung erzeugt. Die Installation im separaten Filterbecken hat den Vorteil, dass dies zur Reinigung und Wartung der Module benutzt werden kann. Dagegen bietet die Installation direkt im Belebungsbecken Kostenvorteile durch geringere Investitions- und Betriebskosten, da die eingespeiste Luft in höherem Maße auch für den Sauerstoffbedarf der Bakterien im Becken nutzbar ist.
Bei der Aufbereitung von Abwasser aus biopharmazeutischen Prozessen kommen erhöhte Anforderungen auf den Betreiber zu. Hier ist ein sehr hoher Grad an Betriebssicherheit gefordert. Dazu wird die Anlage häufig im Batchbetrieb gefahren. Und es fallen hohe Frachten an abgetöteter Biomasse an. Besonders die Betriebssicherheit ist ein deutlicher Vorteil für die Membrantechnik. Membranen mit Porenweiten unter 0,1 µm sind eine sichere Blockade gegen Bakterien und koagulierten Viren und liefern damit nach der Filtration eine konstant hohe Ablaufqualität.
Trotz der hohen Akzeptanz und steigender Anwendung befinden sich Teilaspekte des MBR-Verfahrens noch in der Weiterentwicklung. Im Zentrum der Diskussion steht insbesondere das Foulingverhalten der Membranen, d. h. die Permeabilitätsabnahme der Membranen über die Zeit, ausgelöst durch eine Verschmutzung der Membranen.
Um konstante Leistung während eines Betriebes zu realisieren, werden unterschiedliche Strategien angewendet. Ein wichtiges Kriterium ist das Membranmaterial, das neben chemischer, thermischer und mechanischer Stabilität zudem eine hydrophile Oberfläche aufweisen sollte. Dies verringert das Fouling, da sich auf der Membran bevorzugt Wasser anlagert und so die Anhaftung von Partikeln reduziert wird. Auch die Wahl der Membrankonfiguration, d. h. Flachmembransystem oder Kapillarmembran, beeinflusst die Betriebssicherheit. Tendenziell benötigen Kapillarmembranen eine aufwendigere Vorbehandlung, da sich längere Partikel um die Kapillare winden können und das Modul „verzopfen“.
Allerdings sind Kapillarsysteme i. d. R. rückspülbar, während es auf dem Markt nur wenige rückspülbare Flachmembransysteme gibt. Die periodische Rückspülung entfernt Beläge von der Membranoberfläche und hilft, eine konstante Leistung aufrecht zu halten. Zudem können Chemikalien zur Reinigung einfach von der Permeatseite an die Membranporen gebracht werden.
Einsatz bei Roche Diagnostics
In der zentralen Abwasserbehandlungsanlage der Roche Diagnostics GmbH im Werk Penzberg ist die Membrantechnologie seit 2006 in Betrieb. Um eine Maximallast von 3800 m3/d zu behandeln, wird eine Membranfläche von 12 000 m2 eingesetzt. Die Anlage wird mit Kapillarmodulen betrieben, die seit dem Einsatz störungsfrei arbeiten. Der durchschnittliche Membranfluss beträgt etwa 9 l/(m²h). Um eine konstante Permeabilität von etwa 150 bis 160 l/(m2×h×bar) aufrecht zu halten, wird die Membran im Vierwochenrhythmus mit Wasserstoffperoxid und Zitronensäure gereinigt. Dies führt zu einem Jahresbedarf von 2,6 t Wasserstoffperoxid und 3,4 t Zitronensäure.
Als Alternative zu den eingesetzten Kapillarmodulen wurde das rückspülbare Flachmembranmodul Bio-Cel BC10 von Microdyn-Nadir eingesetzt. Das Modul mit einer Fläche von 10 m2 wurde im Oktober 2009 in eine Pilotanlage eingebaut und parallel zur bestehenden Anlage mit dem gleichen Abwasser wie die Anlage betrieben. Ziel der Pilotierung war es, für den Betreiber ein mögliches Alternativprodukt zu untersuchen, um die Marktabhängigkeit von einem Lieferanten zu reduzieren. Dabei wurde insbesondere die Leistungsfähigkeit (Membranfluss) untersucht.
Die Anfangspermeabilität des Moduls betrug etwa 300 l/(m2×h×bar). Obwohl nach einem Monat durch eine Verblockung des Zulaufes die Feststoffkonzentration von durchschnittlich 7 bis 12 g/l auf 17 g/l kurzzeitig anstieg, konnte diese hohe Leistung ohne Reinigung bis Dezember beibehalten werden.
Die Flussleistung des Bio-Cel-Moduls lag zunächst bei 25 l/(m²h) und wurde später auf 16 l/(m²h) reduziert (die großtechnische Anlage wurde mit 9 l/(m2h) betrieben). Die Versuche liefen ohne chemische Reinigung bis Ende Februar, wobei die Leistung konstant blieb. Es zeigte sich zwar ab Mitte Januar eine Abnahme der Permeabilität auf unter 100 l/m2 h bar, die jedoch durch eine Leckage in der Belüftung der Pilotanlage erklärt werden kann. Diese wurde Mitte Februar behoben und das Modul arbeitete wieder konstant. Der Fehler an der Belüftung hatte jedoch dazu geführt, dass 30 % der Membranfläche verblockt waren. Trotzdem konnte ein konstanter Betrieb mit guten Leistungen aufrecht erhalten werden.
Ausblick
Der Pilotversuch bei Roche belegte nicht nur die Betriebssicherheit von MBR-Anlagen, sondern zeigte dem Betreiber auch, dass die Marktabhängigkeit von nur einem Modullieferanten nicht gegeben ist. Als nächster Schritt im Rahmen der Pilotversuche soll durch die Zugabe von Partikeln eine kontinuierliche mechanische Reinigung der Membran im Pharmaabwasser erprobt werden. Diese MCP (Mechanical Cleaning Process)-Technologie wird seit einigen Jahren erfolgreich im kommunalen Abwasser getestet [Siembida et al., 2009]. Damit konnten in kommunalen Versuchen die Flussleistung und die Verfügbarkeit der Anlage deutlich gesteigert werden, sodass die Betriebskosten für MBR-Anlagen deutlich reduziert werden können.
Schrifttum
  • 1. Aufbereitung von Industrieabwasser und Prozesswasser mit Membranverfahren und Membranbelebungsverfahren, DWA-Themen, 2007
  • 2. Siembida, B.; Cornel, P.; Krause, S.; Zimmermann, B., 2009: Untersuchungen zum Permeabilitätsverlust in Membran-Bioreaktoren, 8. Aachener Tagung Wasser und Membranen, Membrantechnik 8, A20, Oktober 2009
  • 3. Lesjean, B. Huisjes, E.H., 2008: Survey of the European MBR market: trends and perspectives, Desalination, Volume 231, Issues 1–3, October 2008
Online-Info www.cav.de/0610478
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