Um Elemente jeglicher Art nachzufertigen, benötigen Konstrukteure Zeichnungen oder 3-D-Modelle der entsprechenden Komponenten. Nicht nur bei älteren Bauteilen liegen diese aber oftmals nicht vor. Diesen Engpass schließt das Verfahren 3D Reverse Engineering zur Flächenrückführung oder Nachkonstruktion von Einzelteilen sowie größeren Komponenten, welches beispielsweise Norrenbrock Technik anwendet. Das Verfahren bildet ein vorliegendes Objekt mithilfe eines 3-D-Scans detailgetreu ab und stellt in mehreren Stufen präzise Datensätze bereit, die als Basis für die Produktion dienen. Extrahiert werden alle konstruktionsrelevanten Merkmale des Originalbauteils mit einem handgeführten 3-D-Scanner der Marke Faro Technologies. Dank seiner empfindlichen Sensoren bietet er flexible Einsatzmöglichkeiten und nimmt Objekte sowie deren Umgebung aus unterschiedlichen Winkeln auf. Mittels Knopfdruck lassen sich neben Strukturen und Zuständen auch individuelle Verhaltensweisen erfassen. So zeichnet der Lasersensor mit einer Wiederholgenauigkeit von unter 0,02 mm bis zu 88 000 Punkte pro Sekunde auf. Um die Geometrie des vorliegenden Bauteils so präzise wie möglich aufzunehmen, kann dieser Vorgang sowohl optisch als auch taktil durchgeführt werden. Dabei beschränkt sich der Prozess nicht auf Einzelteile, sondern findet auch bei der Nachbildung größerer Segmente Anwendung. Unregelmäßige Geometrien bereitet das Scanverfahren digital auf. Eine anschließende Flächenrückführung erzeugt zeit- und kostensparend präzise CAD-Datensätze, die später in ein Koordinatensystem überführt und zur Fertigung des Prototyps genutzt werden.
Stets verbunden
Indem der Scanner während des gesamten Vorgangs zusammen mit einem Tablet oder Laptop verwendet wird, bietet er eine Echtzeitvisualisierung der sogenannten Punktwolkendaten. So können die erfassten Bereiche parallel zur Aufnahme geprüft werden, um auszuschließen, dass während der Datenerfassung wichtige Informationen verloren gehen. Zur weiteren Verarbeitung speichert ein PC die aufgenommenen 3-D-Daten. Hier stehen sie etwa im STL-Format zur Weiterverarbeitung für diverse CAD-Programme zur Verfügung. Es besteht zudem die Möglichkeit, eine bereits erfasste Punktwolke mit einer weiteren zu kombinieren.
CAD als Produktionsbasis
Den Grundstein, um aus dem Urmodell ein neues, identisches Bauteil zu entwickeln, bildet die Erstellung der notwendigen CAD-Datensätze. Gleichzeitig beginnt mit diesem Schritt der eigentliche Reverse-Prozess. Er stellt die Schnittstelle zwischen der durch den Scanner gebildeten Punktwolke und der Erzeugung eines CAD-Modells mit bestimmten Objekt- und Flächeneigenschaften dar. Damit sie als optimale Produktionsbasis dienen, werden die Daten als vereinfachte 3-D-Repräsentation in Form von interaktiven CAD-Modellen dargestellt. Zur Abbildung dieser Geometrieeigenschaften im CAD wird das gesamte Objekt mit einer Art virtuellem Netzstrumpf überzogen. Dabei geben die Maschen des Strumpfes die Flächen des CAD-Modells wieder. Diese sind durch eine Vielzahl kleinerer Segmente, sogenannter Grids, unterteilt und besitzen keine eigentlichen Geometrieelemente mehr. So lassen sich mithilfe des Reverse Engineerings Objekte mit komplexen und unregelmäßigen Strukturen detailgetreu im CAD-System darstellen.
Lebensechte Datensätze
Außer geometrische Eigenschaften simuliert dieses virtuelle Modell auch physikalische Aspekte wie die Dichte oder den thermischen Ausdehnungskoeffizienten des Bauteils. Letzterer spielt besonders bei Komponenten, die wie in Chemieparks großer Hitze oder Reibungskräften ausgeliefert sind, eine zentrale Rolle. Zudem berücksichtigt es Oberfläche, Struktur und optische Materialeigenschaften des Originals. Der so beschriebene Körper lässt sich virtuell wiegen und verformen. So können selbst komplexe Fragen zur Fertigung anhand des virtuellen Abbilds mit wenigen Klicks direkt am Bildschirm beantwortet werden. Dieses Vorgehen spart zum einen wichtige Zeitressourcen und hilft zum anderen, Produktionsfehler zu vermeiden. Auf Basis des so erzeugten CAD-Modells wird im Anschluss der Prototyp des rekonstruierten Bauteils gefertigt.
Soll-Ist-Vergleich
Um ein hohes Maß an Qualität und die Interaktionsfähigkeit des Bauteils mit anderen Objekten zu gewährleisten, wird im nächsten Schritt ein Soll-Ist-Vergleich anhand des gefertigten Prototyps durchgeführt. Dabei dienen der erneute 3-D-Scan des Prototyps und die anschließende digitale Überführung der Messdaten ins CAD-System zum eingehenden Geometrievergleich zwischen Soll- und Ist-Teil. Anhand dieser Messdaten erstellt Norrenbrock Technik einen Erstmusterprüfbericht, der die Toleranzen zwischen Originalteil und Nachbau definiert. Er dient als Nachweis, dass das rekonstruierte Bauteil die vom Kunden geforderten und vom Original vorgegebenen Qualitätsanforderungen erfüllt. Dadurch lassen sich auch ursprüngliche Herstellungstoleranzen ausgleichen und damit die Gefahr einer qualitativen Verschlechterung der rückgeführten Daten minimieren. Auf dieser Grundlage kann im Anschluss der Fertigungsprozess abgeschlossen und das Bauteil unter Berücksichtigung aller Qualitätskriterien hergestellt werden. Um Zeit und Kosten zu sparen, lohnt sich die Rekonstruktion einzelner Objekte für Branchen mit speziellen technischen Komponenten und Bauteilen bereits ab der Stückzahl eins.
Bei laufendem Betrieb
Besonders dort, wo spezielle oder maßgefertigte Maschinentechnik eingesetzt wird, sehen sich Standortmanager von Chemieparks erheblichen Problemen gegenüber, wenn Defekte an einem Bauteil oder sogar Segmenten entstehen. Ganze Maschinen komplett zu ersetzen ist häufig mit langen Produktionsstopps und damit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden. Fehlt es zudem an Bauzeichnungen einzelner Komponenten, stellt Reverse Engineering eine kosten- und zeiteffiziente Methode dar, um präzise Kopien eines Maschinenbauteils oder -segments zu erstellen. Durch einen sorgfältigen Soll-Ist-Vergleich garantiert das Verfahren zudem die reibungslose Funktionsweise des rekonstruierten Bauteils.
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