Massimiliano Martino, Vice President Global Safety, Health and Environment bei Rain Carbon, kennt die Gründe für die Investitionen in die Sicherheit: „Um erfolgreich zu sein, müssen wir in puncto Sicherheit Weltklasse sein. Wir dürfen hier keine Kompromisse eingehen. Wir werden nur in dem gleichen Maß vorankommen, in dem auch unsere Sicherheitsprogramme und -aktivitäten Fortschritte machen.“ Die Rate der meldepflichtigen Verletzungen (Total Recordable Injury Rate) liegt bei Rain Carbon derzeit unter 0,4. Das ist zwar eine Leistung, die sich sehen lassen kann, doch damit will sich das Unternehmen nicht zufriedengeben. „Wir haben aus diesem Grund rigorose Programme und KPIs eingeführt, um Vorfälle jeder Art im Auge zu behalten und zu reduzieren. Es liegt an uns, Gemeinden, Mitarbeiter und die Umwelt zu schützen und unsere Verpflichtungen als verantwortungsbewusstes Unternehmen zu erfüllen“, sagt Martino. Sicherheit ist für ihn ganz klar einer der Bausteine für den Erfolg. Nur gute Sicherheit erlaubt es, Produktivität, betriebliche Disziplin und Mehrwert zu steigern, um so wirklich organisches Wachstum zu erzielen.
Projektstart in Deutschland
Angeführt von Dr. Günther Weymans, Executive Vice President Carbon Distillation and Advanced Materials, stellte Rain Carbon im Jahr 2016 fest, dass die Sicherheitskultur an den weltweiten Standorten des Unternehmens nicht reif und nachhaltig genug war. Das Unternehmen suchte daher Unterstützung bei Dupont Sustainable Solutions (DSS) und startete ein Sicherheitsprojekt für einen tiefgreifenden kulturellen Wandel an seinem größten Standort, der Destillationsanlage und Produktionsstätte für moderne Werkstoffe in Castrop-Rauxel, Deutschland. Hier war die Gesamtquote meldepflichtiger Vorfälle in einen Teufelskreis geraten. Erst sank die Anzahl der Vorfälle, dann stieg sie wieder an, um dann wieder zu sinken,
ohne sich jedoch jemals vollständig zu
verflachen.
„Es wurde immer offensichtlicher, dass unsere Unternehmenskultur keine unabhängige, sichere Entscheidungsfindung förderte“, erinnert sich Elke Helck, damalige Werkleiterin. „Anstatt sich für eine risikofreie Vorgehensweise zu entscheiden, beriefen sich die Mitarbeiter in ihrem Sicherheitsverhalten auf Regeln und Vorschriften.“ Management und Mitarbeiter hatten sehr unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf Sicherheit. Es war klar, dass sich etwas ändern musste, aber was?
Verantwortung übernehmen
Ein erstes Gutachten durch DSS bestätigte, was man bei Rain Carbon bereits vermutet hatte. Die vorherrschende Sicherheitskultur im Werk war in hohem Maße abhängig von Disziplin, Kontrollen und Überwachung. Was Rain Carbon brauchte, war eine unabhängigere Denkweise in der gesamten Belegschaft und im Management, um eine nachhaltige Veränderung der Sicherheitsleistung zu erreichen. Nur persönliches Engagement, eine stärkere Rechenschaftspflicht von Mitarbeitern für den eigenen Verantwortungsbereich und eine veränderte Einstellung zur eigenen Sicherheit würden das Werk voran- und dem Ziel von null Vorfällen näherbringen.
„Was wir jedoch nicht erkannt hatten“, gibt Helck zu, „ist, dass man nicht einfach einen Beratungsservice kauft, der dann alles für einen erledigt. Man muss selbst aktiv werden und sich ändern. Diese Lektion war schwer zu lernen. Allein hätten wir es niemals geschafft.“ Rain Carbon musste lernen, dass Führungskräfte ihre Büros verlassen und in die Produktionshallen gehen müssen, denn dort gibt es die größten Risiken. Eine Standortbegehung mit einem DSS-Berater war dabei unglaublich hilfreich. Sie half den Verantwortlichen, unsichere Handlungen zu erkennen und zu lernen, wie diese positiv angesprochen werden können.
„Anfangs sagten die Mitarbeiter: ‚Ich muss prüfen, ob es dafür eine Regel gibt‘“, fährt Helck fort. „DSS regte sie jedoch behutsam zu selbständigem Denken an. Dieser Ansatz hat es uns erlaubt, unser Werk ‚zurückzuerobern‘. Die Mitarbeiter waren anfangs eher verwirrt und skeptisch. Sie wollen natürlich mehr produzieren, stolz auf das Erreichte sein und gelobt werden. Es hat einige Zeit gedauert, bis sie verstanden haben, dass wir sie nicht kontrollieren und dass wir es ernst meinen, wenn wir sagen: ‚Sicherheit geht vor‘. Wir haben in der Vergangenheit so viele Sicherheitskampagnen durchgeführt, dass die Mitarbeiter etwas überdrüssig und misstrauisch waren. Aber wir haben starke Signale gesendet, dass wir es mit der Sicherheit ernst meinen – zum Beispiel, indem wir die Produktion aus Sicherheitsgründen stoppen oder in Schulungen investieren. Ich halte die Führungskräfte weiterhin an, ins Werk zu gehen, da dies der einzige Weg ist, um alle in das Thema Sicherheit einzubinden.“
Strukturelle Veränderungen
Zusätzlich zu dem anfänglichen Gutachten, das eine Umfrage zum Sicherheitsempfinden der Mitarbeiter beinhaltete und Unterstützung in Form von Sicherheitsbeobachtungstrainings (STOP) bot, entwickelte Rain Carbon zusammen mit DSS einen zweijährigen Umsetzungsplan mit priorisierten kurz- und mittelfristigen Zielen. Gleichzeitig wurde eine Reihe von sogenannten „Quick Wins“ identifiziert. Die Planung für die Transformation der Standortkultur fand in einem gemeinsamen Strategie-Workshop statt, in dem unter anderem analysiert wurde, was sich wann zu ändern hatte, wer sich wie ändern musste und wie Verantwortlichkeiten klar abgegrenzt werden konnten. Das Ergebnis war ein gemeinsam von Rain Carbon und DSS entwickelter Maßnahmenplan, der sowohl Ausgangspunkt und Endziel des Standorts berücksichtigte und die Bereitschaft des Werks sich zu ändern realistisch einschätzte. DSS half Rain Carbon, die erforderlichen Maßnahmen zu bestimmen. Es wurden auch ein Sicherheitslenkungsausschuss und Support-Strukturen ins Leben gerufen, um die Umsetzung des Maßnahmenplans zu gewährleisten. DSS unterstützte das Projekt zusätzlich mit Coaching für Führungskräfte und mit Workshops zur Entwicklung von Management- und Mitarbeiterfähigkeiten.
Vielfältige Erkenntnisse
Das Management am Standort hat seit Beginn der Zusammenarbeit mit DSS im Jahr 2016 eine große Veränderung gesehen. Thomas Tulkens, ehemaliger Global Safety Manager bei Rain Carbon, meint, dass sich sowohl die reinen Sicherheitskennzahlen als auch Ordnung und Sauberkeit verbessert hätten und dass ebenfalls das Engagement für die Sicherheit gewachsen sei, was sich zum Beispiel in der Managementverpflichtung zeigt. „Die Unternehmenskultur ist viel offener geworden und die Menschen sind eher bereit, über Verhaltensweisen zu sprechen“, sagt er. „Das war vor vier Jahren nicht der Fall.“
Der Wandel hat nicht nur die Produktion am Standort Castrop-Rauxel beeinflusst. Die Auswirkungen sind auch in den Verwaltungsbüros zu sehen. Der kürzlich pensionierte Vice President of Corporate Accounting & Tax, Thomas Müchler, sagt, dass er zunächst nicht verstanden habe, was Sicherheit mit der Verwaltung zu tun hat. Dies traf auch auf viele der 80 bis 90 Mitarbeiter zu, die an einem Workshop für das Verwaltungspersonal teilnahmen. Nach dem Workshop erhielt Müchler allerdings nur positives Feedback. „Wir haben erkannt, dass Sicherheit viele verschiedene Aspekte hat. Ich denke, wir sind alle viel proaktiver geworden“, sagt er. Er zitiert Initiativen, die Mitarbeiter in seiner Abteilung organisiert haben, wie zum Beispiel Sicherheitstrainings für Fahrer von Firmenwagen und Aktivitäten zur Verbesserung der Sicherheit auf dem Weg zur Arbeit.
Massimiliano Martino fasst das Problem kritisch zusammen. „Wir kommen von einer Top-Down-Kultur. Unsere Denkweise ist immer noch konservativ, aber wir sind dabei Digitalisierungs- und Lenkungsausschüsse einzuführen, um in allen Sicherheitsbereichen schneller kommunizieren, denken und handeln zu können. Wir müssen agil sein, weil das Timing bei einem Betrieb, der auf verschiedenen Kontinenten und in verschiedenen Zeitzonen rund um die Uhr läuft, von entscheidender Bedeutung ist. Ich bin sehr ehrgeizig und möchte für den Erfolg des Unternehmens schnellere und größere Veränderungen sehen. Wenn wir unsere Mitarbeiter aber zu sehr aufrütteln, kommen sie ins Schwanken. Seit wir mit DSS zusammenarbeiten, haben wir positive Veränderungen gesehen und machen rapide Fortschritte. Was vielleicht noch wichtiger ist, die Auswirkungen auf allen Ebenen des Unternehmens sind nachhaltig. Das ist für uns ein echter Mehrwert. Mit DSS hat sich unsere Sicherheitskultur verbessert und ist aktiver geworden.“
Fazit
Das ist ein klares Signal an die Unternehmensleitung von Rain Carbon: Der Wandel wird von Dauer sein. Heutzutage verfolgt die Führung am Standort Castrop-Rauxel die Sicherheitsleistung anders als vorher und nutzt ein breiteres Spektrum an KPIs. Darüber hinaus werden Mitarbeiter anderer Produktionsstätten und Büros von Rain Carbon auf der ganzen Welt über die Vorgänge im deutschen Werk informiert, damit auch sie von den Erfahrungen des Pilotprojekts in Castrop-Rauxel profitieren können.
Dupont Sustainable Solutions, Frankfurt