Der europäische Markt für pharmazeutischen Primärverpackungen wächst. Zu diesen Verpackungen zählen alle Packmittel, die in unmittelbarem Kontakt mit der Arzneiform stehen oder mit ihr in Kontakt kommen können. Rund ein Dutzend große Hersteller verzeichnen jährliche Umsatzsteigerungen von 6 bis 8 %. Der Trend dürfte vor allem aufgrund des demographischen Wandels anhalten.
Damit steigt auch der Bedarf an Kapazitäten von Dienstleistern, die pharmazeutische Primärverpackungen sterilisieren. Denn: Packmittel für flüssige oder feuchte Arzneimittelformen müssen sterilisiert werden, nicht zuletzt, weil diese ideale Wachstumsbedingungen für Mikroorganismen bieten.
Mit Beta-und Gammastrahlung
Das Dienstleistungsunternehmen BGS Beta-Gamma-Service bietet sowohl die Sterilisation mit Beta- als auch mit Gammastrahlung an. Gammastrahlung hat eine hohe Eindringtiefe, sodass die pharmazeutischen Primärverpackungen auf Paletten bestrahlt werden können. Die Sterilisation mit Betastrahlen erfolgt aufgrund der geringen Eindringtiefe hingegen kartonweise.
Am Beispiel eines Augentropfen-Applikationssystems lässt sich das Grundschema der Bestrahlungsdienstleistung von BGS nachvollziehen: Das komplette System oder einzelne Bestandteile davon – leere Flasche, Tropfer, Verschluss –, werden vom Hersteller versandt. Angeliefert beim Dienstleister wird alles bestrahlt und äußerlich unverändert an den Augentropfenhersteller zur Weiterverarbeitung ausgeliefert. Tatsächlich jedoch sind komplexe Planungen erforderlich.
Validierung erforderlich
Der Bestrahlung geht ein umfangreicher Validierungsprozess voraus, in dessen Verlauf Kunde und Dienstleister im engen Austausch die Anwendung der Strahlensterilisation für das jeweilige Produkt genau prüfen.
Für die Strahlensterilisation gliedert sich dieser Prozess in drei Teile: die mikrobiologische, die dosimetrische und die anwendungstechnische Validierung. Neben der Ermittlung der Bestrahlungsdosis, die ein nicht steriles Produkt in ein steriles überführt, geht es vor allem um die Bestimmung der richtigen Dosisverteilung bezogen auf die Anordnung des Augentropfen-Applikationssystems in der Verpackung und auch um die Frage, inwieweit die Eigenschaften und Funktionen des Materials durch die Bestrahlung verändert werden.
Sind die Prozesse einmal festgelegt und Details wie Packungsdichte, Packmaterial, Kartongröße und Ausrichtung der Produkte definiert, ist das Ergebnis vollständig reproduzierbar und die Routinebestrahlung kann beginnen. Das bedeutet aber auch: Erfolgen spätere Änderungen am Produkt oder dessen Herstellungsprozess, müssen diese zwingend vom Hersteller bewertet und unter Umständen eine Revalidierung des gewählten Verfahrens durchgeführt werden.
Lückenlose Rückverfolgbarkeit
Für eine lückenlose Rückverfolgbarkeit wird jeder Auftrag vom Wareneingang über den Bestrahlungsprozess bis zur Auslieferung aufgezeichnet und den regulatorischen Anforderungen entsprechend dokumentiert. Dies beginnt bei der Anlieferung: Im Wareneingang von BGS kommt ein softwaregesteuertes System zur Produktkennzeichnung über Barcodes zum Einsatz. Auf diese Weise lässt sich der Weg jeder einzelnen Verpackungseinheit in den Anlagen steuern und verfolgen, unabhängig davon, welchen Bestrahlungsprozess das Produkt durchläuft. Damit dokumentiert das System auch die wichtigen Kenngrößen des Prozesses, wie die Strahlendosis, die aufgebracht werden soll. Letztere wird nach dem Bestrahlungsprozess mithilfe der am Produkt angebrachten Dosimeter überprüft. Entspricht alles den Vorgaben, erfolgt eine sofortige Freigabe durch die Qualitätssicherung – danach ist das Produkt ohne Wartezeit direkt fertig für den Versand.
Drei Standorte in Deutschland
Hersteller von Primärverpackungen und ihre Kunden aus der Pharmaindustrie profitieren davon, dass BGS drei Standorte in Deutschland hat. Zum einen, weil bei Kapazitätsengpässen auf andere Standorte ausgewichen werden kann. Die Niederlassungen in Wiehl und Bruchsal verfügen dabei sowohl über Elektronenbeschleuniger als auch über Gamma-Anlagen, während in Saal an der Donau ausschließlich Elektronenbeschleuniger zum Einsatz kommen. Zum anderen kann der Standort für die Bestrahlung so ausgesucht werden, dass er möglichst gut in die Logistikkette passt.
Beta-Gamma-Service GmbH & Co. KG, Wiehl
Autorin: Annett Heilmann
Key Account Managerin Strahlensterilisation,
BGS Beta-Gamma-Service
Im Überblick: Sterilisationsverfahren
Um beispielsweise die Flaschen zu sterilisieren, in denen ein Pharmaunternehmen seine Augentropfen vertreibt, kommen verschiedene Verfahren in Betracht: Heißdampf, Ethylenoxid-Begasung oder die Sterilisation mit Beta-, Gamma- oder Röntgenstrahlung. Die Strahlensterilisation hat dabei gegenüber den anderen Verfahren Pluspunkte: Sie ist umweltfreundlich und hinterlässt keine Rückstände auf der Flasche. Außerdem spart sie Zeit, weil die Freigabe des Packmittels unmittelbar nach dem Sterilisationsvorgang erfolgt.
Ob die Strahlensterilisation tatsächlich die Methode der Wahl ist, hängt wesentlich von dem Material ab, aus dem das Produkt besteht. Glas lässt sich nur bedingt mit Strahlung sterilisieren, weil es sich dabei verfärbt. Sehr gut geeignet sind dagegen beispielsweise die Kunststoffe PE (Polyethylen) und COC (Cycloolefin-Copolymere) bzw. COP (Cycloolefin-Polymere).