Phosphor ist ein wichtiger Rohstoff, dessen Vorkommen aber begrenzt ist. Warum sollte Klärschlamm recycelt werden. Lohnt sich der Aufwand, Herr Lansdorf?
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Thomas Lansdorf: Bislang gewinnt man Phosphor größtenteils aus Erzen. Große Fundorte sind in Marokko, China, USA und Russland. In Europa gibt es nur kleine Vorkommen in Finnland und Norwegen. Ähnlich wie bei vielen anderen industriell genutzten Rohstoffen sind abbauwürdige Quellen zeitlich begrenzt. Die EU hat daher Phosphor, ähnlich wie Lithium, als strategisch wichtiges Element eingestuft und fordert eine Rückgewinnung aus Klärschlamm. Dadurch werden Ressourcen geschont und vor allem wird man unabhängig von Quellen aus Krisengebieten.
Über welche Menge an zurückgewonnenem Phosphor aus
Klärschlamm reden wir denn eigentlich?
Lansdorf: Die vorhandenen Phosphor-Mengen in Klärschlamm bieten allein in Deutschland ein Rückgewinnungspotenzial von 50 000 t pro Jahr. Dies entspricht mehr als 40 % des aktuellen landwirtschaftlichen Bedarfs. Täglich nehmen Menschen und Tiere Phosphate über die Nahrung auf und scheiden sie größtenteils wieder aus. Die enthaltenen Phosphate finden sich am Ende der Wasseraufbereitung im kommunalen und industriellen Klärschlamm wieder. Laut dem Umweltbundesamt enthält getrockneter Klärschlamm
2 bis 55 g Phosphor pro kg. Allein in Deutschland fallen jährlich
1,8 Mio. t Klärschlamm an (bezogen auf die Trockenmasse). Die EU hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, diese Phosphor-Ressource in Zukunft zu nutzen. Ab 2029 ist es laut Klärschlamm-Verordnung, für Betreiber von Abwasserbehandlungsanlagen und Klärschlamm-Verbrennungsanlagen Pflicht, die enthaltenen Phosphate wieder zu gewinnen. Spätestens ab 2032 gilt dies auch für kleinere Anlagen.
Warum wird Klärschlamm nicht mehr direkt verwendet, sondern immer häufiger thermisch verwertet?
Lansdorf: Noch vor wenigen Jahren wurde Klärschlamm vorwiegend in der Landwirtschaft verwendet und war für Landwirte eine kostengünstige Alternative zu Mineraldüngern. Allerdings ist es ein Vielstoffgemisch, dessen Zusammensetzung je nach Herkunft und Jahreszeit stark schwanken kann. In diesem Gemisch finden sich auch bedenkliche Begleitstoffe wie Schwermetalle, Rückstände aus Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmitteln, pathogene Keime, Arzneimittelrückstände und Mikroplastik. Aus diesem Grund wird Klärschlamm immer häufiger verbrannt, die direkte Nutzung als Dünger wird nur noch in Einzelfällen genehmigt. Bereits im Jahr 2022 wurden in Deutschland mehr als 80 % des kommunalen Klärschlamms thermisch verwertet. Die Klärschlammasche enthält den Phosphor in Form von schwerlöslichen Verbindungen.
Der Klärschlamm wird heute also thermisch verwertet. Wie lässt sich Phosphor aus der entstehenden Klärschlammasche gewinnen, Herr Lansdorf?
Lansdorf: Die neue Klärschlamm-Verordnung der EU sieht vor, dass mindestens 80 % des in der Asche enthaltenen Phosphors wiedergewonnen werden muss. Im einfachsten Fall dient Klärschlammasche direkt als Düngemittel, Voraussetzung ist die Einhaltung der Grenzwerte gemäß der Düngemittelverordnung (DüMV). Hierfür bieten sich insbesondere Aschen an, bei denen der Anteil an Schwermetallen beim Verbrennungsprozess gezielt abgereichert wurde. Es gibt hierfür eine Vielzahl von thermochemischen Verfahren, wie z. B. EuPhoRe, AshDec, Pyrophos. Zumeist werden hierbei Alkali- oder Erdalkalichloride (häufig CaCl2 zugesetzt). Die leichtflüchtigen Metalle und Schwermetallchloride (z. B. Cd, Hg, PbCl2, ZnCl2) können bei hohen Temperaturen (850 bis 1000 °C) abgetrennt werden. Außerdem verbessert die Zugabe von Alkalisalzen (z. B. Soda) die Pflanzenverfügbarkeit durch Aufschluss schwerlöslicher Mineralien.
Wie kann die Effizienz bei der Herstellung von Düngemitteln aus Klärschlammasche gesteigert werden?
Lansdorf: Bei der Verbrennung von Klärschlamm, ohne thermochemischen Aufschluss, bilden sich schwerlösliche Mineralien. Vor allem β-TCP (Tricalciumphosphat) Ca3(PO4)2, Apatit Ca5[(OH)(PO4)3], Whitlockit Ca9(Mg, Fe) [PO3OH|(PO4)6], Stanfieldit Ca4Mg5(PO4)6 u.v.a. Um die Pflanzenverfügbarkeit zu verbessern, können solche Aschen auch direkt in einem Eirich-Mischer mit verdünnten Mineralsäuren (Phosphor- oder Schwefelsäure) aufgeschlossen werden.
Ein weiterer Vorteil der Säurezugabe ist die Reduktion des pH-Wertes. Insbesondere bei alkalischen Klärschlämmen führt dies zu einer verbesserten Freisetzung von Nährstoffen im Boden. Der Eintrag von Sulfat führt bei der Kombination mit Stickstoffverbindungen zusätzlich zu einer biologisch wertvollen Erhöhung des Stickstoff-Schwefel-Verhältnisses. Ebenso wird die Festigkeit der Granulate durch Kristallisationsprozesse erhöht, sodass in der Regel kein zusätzlicher Binder für die Granulation erforderlich ist. Die freigesetzte Reaktionswärme wirkt sich positiv auf den nachgeschalteten Trocknungsprozess aus. Auf diese Weise lassen sich individuelle Anlagenkonzepte zum Mischen und Granulieren erstellen, um vollautomatisch und kostengünstig Düngemittelgranulate für eine Vielzahl von Einsatzbereichen zu erzeugen.
Neben der Nutzung von Klärschlammasche als Düngemittel, kann der enthaltene Phosphor auch in Form von Phosphorsäure isoliert werden. Ziel ist es, die Phosphorsäure mit hohen Ausbeuten aus den Aschen abzutrennen und in einem nachgeschalteten Extraktionsschritt anzureichern.
Besonders interessant ist die Isolierung von Phosphor als Phosphorsäure, einer begehrten Basischemikalie der chemischen Industrie.Wie lässt sich diese aus Klärschlammasche gewinnen?
Lansdorf: Bei dem Verfahren werden Klärschlammaschen mit schwerflüchtigen Mineralsäuren, zumeist konzentrierte Schwefelsäure, in einem Evactherm-Mischer zur Reaktion gebracht. Mit dem speziellen Eirich-Mischprinzip können dabei sehr kurze Reaktionszeiten realisiert werden. Bei der Prozessführung bestimmt zunächst der Wasseranteil die Reaktionsgeschwindigkeit und Temperaturerhöhung. Zuerst hydratisiert die konzentrierte Schwefelsäure exotherm mit dem anteiligen Wasser, danach erfolgt die Aufschlussreaktion der Mineralien. Die Temperatur kann dabei vollautomatisch gesteuert werden. Durch die geschlossene Prozessführung werden geringstmögliche Emissionen von Schadstoffen, Dämpfen und leichtflüchtige Säuren zuverlässig ausgewaschen.
Von besonderem Vorteil ist dabei die Erzeugung eines nahezu wasserfreien Konzentrates. Dies ermöglicht eine Vielzahl von unterschiedlichen Extraktionsprozessen mit wässrigen und nichtwässrigen Lösungssystemen. Nach der Extraktion kann die erzeugte Rohphosphorsäure durch Destillation weiter aufkonzentriert und gereinigt werden. Am Ende kann eine farblose, chemisch reine, bis zu 85-prozentige Phosphorsäure gewonnen werden. Die unlöslichen Bestandteile wie Sand, Silikate, Gips, die als Filtrationsrückstand anfallen, können ebenfalls isoliert und als wertvoller Rohstoff für die Zement- und Baustoffindustrie eingesetzt werden. Alle entstehenden Produkte können verwertet werden.
Suchwort: Eirich
Das Interview führte für Sie: Dr. Bernd Rademacher
Redakteur
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Phosphor: Elixier des Lebens
Phosphor ist ein essenzielles Element für das Leben auf der Erde, da es eine zentrale Rolle in biologischen Prozessen spielt, insbesondere in der DNA und der Energieübertragung in Zellen (ATP). Es ist ein unverzichtbarer Nährstoff für das Pflanzenwachstum und wird daher in großen Mengen in der Landwirtschaft als Düngemittel verwendet. Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung und der damit verbundenen steigenden Nahrungsmittelproduktion gewinnt Phosphor zunehmend an Bedeutung als strategische Ressource.
Die natürlichen Vorkommen von Phosphor sind jedoch begrenzt und konzentrieren sich auf wenige Länder, was zu geopolitischen Spannungen führen könnte. Gleichzeitig führt die übermäßige Nutzung von Phosphordüngemitteln zu Umweltproblemen wie Eutrophierung, was die Notwendigkeit nachhaltigerer Nutzungsmethoden unterstreicht.
Die Zukunft des Phosphors liegt in der Entwicklung effizienter Recyclingmethoden und alternativer Quellen. Durch die Rückgewinnung von Phosphor aus Abfällen und Abwasser sowie durch innovative landwirtschaftliche Praktiken kann der Bedarf gedeckt und gleichzeitig die Umweltbelastung reduziert werden. Forschung und Technologie werden entscheidend sein, um Phosphor als nachhaltige Ressource der Zukunft zu sichern.
„Ab 2029 ist es für Betreiber von Abwasserbehandlungsanlagen und Klärschlamm-Verbrennungsanlagen Pflicht, die enthaltenen Phosphate wieder zu gewinnen. “