Bei der Abwasserbehandlung bilden biologische Reinigungsprozesse den Kern der Reinigungsstufen – sowohl in der industriellen als auch in der kommunalen Abwasserreinigung. Die Prozesse sind verfahrenstechnisch ausgereift, einfach zu steuern und wirtschaftlich. Dabei sind eine weitreichende Optimierung und mehr Leistung bei geringen Investitionskosten durch den gezielten Einsatz von Sauerstoff und Ozon möglich.
Holger Haßelbusch, Jörg Schwerdt
Innerhalb der biologischen Abwasserbehandlung ist das Belebtschlammverfahren als kostengünstige Methode seit langem etabliert. Dabei nehmen Mikroorganismen die Abwasserschadstoffe auf und verwandeln diese in Wasser, Kohlendioxid und neue Biomasse. Ausschlaggebend für eine konstant hohe Reinigungsleistung und eine zuverlässige Prozessstabilität sind neben einer gesicherten Sauerstoffversorgung der biologischen Reinigungsstufe ein niedriger Schlammindex (als Maß für die Absetzeigenschaften des Belebtschlamms in der Nachklärung) sowie eine geringe Anzahl an Fadenbakterien.
Zur Optimierung von Abbauleistung und Performance von Belebtschlammanlagen hat Air Liquide die Verfahrensreihe Aspal entwickelt. Anlagenbetreiber können durch Nutzung eines dieser Verfahren beispielsweise gezielt auf den Sauerstoffeintrag und damit den Schlammindex einwirken und so Leistung und Performance deutlich verbessern. Der Einsatz von reinem Sauerstoff bietet bei hohem Sauerstoffbedarf in der biologischen Stufe wesentliche Vorteile im Vergleich zum Eintrag von Luft. Da deren Stickstoffballast entfällt, verringert sich der Aufwand für den Sauerstoffeintrag erheblich. Zudem tritt keine unerwünschte Aerosolbildung auf, das Austreiben von geruchsintensiven Substanzen wird unterbunden. Eine verbesserte Sauerstoffversorgung der biologischen Stufe erhöht deren Leistung und reduziert den Schlammindex. Eine nach dem Aspal-Verfahren umgerüstete Anlage wird mit einer deutlich höheren aktiven Biomasse betrieben. Diese Optimierung wirkt also wie eine Anlagenerweiterung.
Innerhalb der Aspal-Reihe sind die Verfahren zur biologischen Reinigung und Neutralisation von Abwässern unter der Bezeichnung Aspal-Clean zusammengefasst. Dazu gehören verschiedene, an den jeweiligen Kläranlagentyp und Anwendungsbereich angepasste Eintragssysteme für reinen Sauerstoff: Ventoxal ist ein kompaktes Pumpe-Düse-System mit hoher Sauerstoff-Eintragskapazität von bis zu 90 % bei gleichzeitiger Durchmischung des Beckens. Turboxal ist ein kompaktes, schwimmendes System, das auf einer selbstansaugenden Turbine basiert und ebenfalls eine intensive Durchmischung von Belebungsbecken und hoch belasteten Abwasserteichen bietet (Abb. 2). Bei Poroxal sorgen verstopfungssichere Schlauchausströmer für einen verschleißfreien, energieautarken Sauerstoffeintrag. Alle Systeme sind gleichermaßen als im laufenden Betrieb montierbare drop-in-units (d. h. mobile Systeme) oder fest installiert einsetzbar.
Raffinerieabwasser der Miro
Die Mineraloelraffinerie Oberrhein (Miro) in Karlsruhe ist nicht nur Deutschlands größte Kraftstoffraffinerie, sondern auch eine der modernsten und leistungsfähigsten in Europa. Für die Gesellschafter ConocoPhilips, Esso, Ruhr Oel und Shell veredeln ca. 1000 Mitarbeiter den Rohstoff Rohöl zu hochwertigen Mineralölprodukten wie Benzin, Diesel, Heizöl, Propylen und Bitumen – rund 16 Mio. t/a. Damit ist sie für den Südwesten Deutschlands die wichtigste Versorgungsquelle für Mineralölprodukte.
Die Raffinerieabwässer sowie die Oberflächenwässer des integrierten größten Tanklagers in Deutschland werden in biologischen Klärstufen behandelt. Seit der Umrüstung durch Air Liquide kommen zwei Ventoxal-Einheiten V 300 zur Optimierung des CSB-Abbaus zum Einsatz.
Die biologische Stufe der Kläranlage ist einstraßig aufgebaut, die Belüftung erfolgte über lange Jahre durch eine Kombination aus Kreisel- und Strahlbelüftung. Die Belüftungssysteme waren nicht mehr in der Lage, den Sauerstoffbedarf der Biologie zu decken. Neben der für Raffinerien typischen Abwasserzusammensetzung ist die zum Teil erhöhte Abwassertemperatur sowie sporadisch vorhandene geringe Konzentrationen an gelöstem Schwefelwasserstoff (H2S) zu berücksichtigen. Häufig auftretende Sauerstoffdefizite in der Belebung führten zu vermindertem CSB-Abbau (CSB = Chemischer Sauerstoffbedarf = Maß für die oxidierbaren Stoffe), hinzu kam ein hohes Schlammvolumen mit deutlich erhöhtem Schlammvolumenindex. Folge: Schlammabtrieb aus der Nachklärung mit erhöhtem Ablauf-CSB. Das Belebungsbecken war zeitweise mit einem kompakten, über 10 cm starken Schaumteppich überzogen.
Nach Umrüstung auf das Ventoxal-Verfahren lässt sich die Biomasse in der Belebung auch bei erhöhten Temperaturen flächendeckend ausreichend mit Sauerstoff versorgen. Zudem optimiert das dynamische Eintragssystem zusätzlich die Umwälzung der Biomasse. Beide Effekte bewirken einen verbesserten CSB-Abbau bei gleichzeitig verringertem Schlammvolumenindex. Die Biomassenkonzentration in der Belebung ist dadurch gesichert und konnte sogar weiter angehoben werden, der Schlammabtrieb ist komplett unterbunden.
Von der Leistungsfähigkeit der Ventoxal-Systeme, ihrem hohen Wirkungsgrad sowie ihrer störungsfreien Funktion auch im rauen Kläranlagenbetrieb konnte sich der Betreiber im Vorfeld überzeugen, da der Umrüstung ein einjähriger Probebetrieb im Full-scale-Maßstab voranging.
Bei einer Vielzahl von Kläranlagen wird aber trotz optimaler Sauerstoffversorgung kein ausreichend niedriger Schlammindex erreicht. Betriebsbedingte Störungen durch einen erhöhten Schlammindex treten sowohl in kommunalen, verstärkt aber in Industriekläranlagen auf. Beim Belebtschlammverfahren bilden das Belebungs- und das Nachklärbecken eine aufeinander abgestimmte Einheit, was die Dimensionierung bzw. Auslegung beider Teilbereiche miteinander verknüpft. Dieser Zusammenhang wird insbesondere bei Anlagen deutlich, die nahe der Maximalbelastung betrieben werden.
Beim Belebungsverfahren ist die Abtrennung der Biomasse durch Sedimentation im Nachklärbecken ein grundlegender Bestandteil. Die Dimensionierung der Anlage erfolgt dabei unter der Annahme eines gut absetzbaren Belebtschlamms mit vorteilhafter Flockenstruktur. Unter Umständen gewinnen jedoch fadenförmige Mikroorganismen einen Wachstumsvorteil, was zu extrem schlechten Absetzeigenschaften führt. Folge ist häufig ein hoher Biomasseverlust aus dem Nachklärbecken durch Schlammabtrieb, der CSB im Ablauf wird erhöht, die Reinigungsleistung sinkt.
Grund für die Bildung von Blähschlamm sind in kommunalen Kläranlagen die für die gezielte Stickstoffelimination erforderlichen geringen Schlammbelastungen. In industriellen Anlagen sind es häufig einseitige Abwasserzusammensetzungen, Nährstoffmangel (N, P) sowie leicht abbaubares oder angefaultes Abwasser (z. B. aus der Lebensmittelproduktion). Zur nachhaltigen Reduktion des Schlammindexes hat Air Liquide das Aspal-Sludge-Verfahren entwickelt, das als Nebeneffekt eine verbesserte Entwässerbarkeit sowie Einsparungen bei der Zugabe von teuren Hilfsstoffen und Polymeren bietet. In einer weiteren Verfahrensvariante ist es auch zur Verringerung des biologischen Überschussschlamms nutzbar.
Ozon räumt auf
Das Aspal-Sludge-Verfahren nutzt Ozon, um die Schlammabsetzeigenschaften zu optimieren und den Schlammindex zu verringern. Ozon ist das stärkste großtechnisch nutzbare Oxidationsmittel und verfügt nach Fluor über das zweithöchste bekannte Oxidationspotenzial. Es ist ein umweltschonendes Oxidationsmittel, das nur zum Oxidationsprodukt und Sauerstoff reagiert. Beim Aspal-Sludge-Verfahren wird aus der biologischen Klärstufe eine geringe Menge Belebtschlamm entnommen und in einem Reaktor unter definierten Bedingungen mit Ozon behandelt. Die Ozonisierung bewirkt einen Teilaufschluss der darin enthaltenen fadenförmigen Mikroorganismen: Ozon perforiert die Zellmembran und dringt in die Zelle ein, die nicht erwünschten Filamente werden geschwächt und können somit anschließend im Belebungsbecken verstoffwechselt werden. Des Weiteren verbessert sich die Flockenstruktur, die Flocke wird runder und kompakter, was zusätzlich die Absetz- und Entwässerungseigenschaften optimiert.
Aspal-Sludge verbessert die Schlammabsetzeigenschaften, der Schlammindex sinkt deutlich. Dabei kommt es weder in der Nitrifikations- noch in der Denitrifikationsphase zu einem negativen Einfluss auf die biologische Stickstoffumsetzung. Das Ozonisieren hat zudem keine nachteilige Wirkung auf die Mikroorganismen Nitrobacter und Nitrosomas.
Der hohe Wirkungsgrad des Verfahrens beruht darauf, dass ein definierter Reaktionsraum mithilfe des Reaktors oder Rohrreaktors für die Ozonbehandlung geschaffen wurde und so die Ozondosis minimiert werden konnte. Diese Verfahrensweise ermöglicht eine direkte Einflussnahme auf Prozessparameter wie Druck und Verweilzeit sowie die Konzentrationsgradienten von Ozon und Sauerstoff und damit auf die Reaktionskinetik. Dadurch ist zugleich der Prozess nach Bedarf steuerbar.
Schnelle Hilfe
Wird eine Kläranlage stark überlastet oder droht gar zu kippen, so ist schnelle Hilfe gefragt. Alle hier beschriebenen Sauerstoff-Eintragssysteme der Aspal-Reihe sind auch mobil einsetzbar. Eine Beckenentleerung zur Montage ist nicht erforderlich. Auch die Bevorratung des benötigten Sauerstoffs ist über mobile Systeme möglich. Mit diesem Service unterstützt Air Liquide Kläranlagenbetreiber bei der Sicherung ihrer Reinigungsleistung, sodass auch die industrielle Produktion ungestört weiterlaufen kann.
Die Reinigungsleistung des Belebtschlammverfahrens wird durch die Sauerstoffversorgung und die Absetzeigenschaften des Belebtschlamms begrenzt. Daher ist die Anlagenfahrweise entscheidend für den stabilen und wirtschaftlichen Betrieb einer Kläranlage. Dies bieten die Verfahren der Aspal-Reihe ganz ohne bauliche Erweiterung. Die Systeme sind modular aufgebaut, flexibel und schnell einsetzbar und jederzeit in der Leistung anpassbar.
Halle B1, Stand 427
Online-Info www.cav.de/0910433
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